Rückrufwelle

Valsartan-Retoure: Alles nur ein Missverständnis

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Berlin -

Hersteller und Behörden haben an die Rückrufe verunreinigter Valsartan-haltiger Arzneimittel längst einen Haken gemacht. Doch da haben sie die Rechnung ohne die Betroffenen gemacht, denn in der Apotheke ist der belastete Blutdrucksenker noch immer Thema. So auch in der DocMare-Apotheke in Schleswig von Apotheker Hermann Wighardt. Der Pharmazeut ist verärgert über 1A/Hexal und fragt nach dem Verantwortungsbewusstsein des Generikaherstellers.

Der Ärger ist um eine angebrochene Packung Valsartan 1A Pharma entfacht, die eine Patientin auf Anraten des Internisten in der Apotheke kostenfrei umtauschen sollte. Daraufhin wollte sich Wighardt beim Hersteller um die Konditionen erkundigen und fragte telefonisch nach. Das Ergebnis überraschte ihn, denn es folgte eine „für Patienten und Apotheken unfreundliche Anweisung“, wie der Apotheker sagt: „Privatpatienten bekommen die Tabletten umgetauscht oder eine Gutschrift, die Packung soll über den Großhandel retourniert werden. Kassenpatienten sollen hingegen ein neues Rezept bringen und sich anschließend selbst um die Rückerstattung der geleisteten Zuzahlung kümmern. Nach Vorlage einer Quittung, versteht sich.“

In der Theorie mag das funktionieren und einen Sinn ergeben. Die Praxis sieht jedoch anders aus. Denn es handelt sich um eine Bewohnerin eines Pflegeheimes, für die das Vorgehen eine große Herausforderung darstellt. „Wie kann eine verantwortungsbewusste Firma so reagieren“, fragt Wighardt, der klarstellt: „Belastete Medikamente müssen sofort und unter allen Umständen aus dem Verkehr gezogen werden.“

Den schwarzen Peter hat ohnehin die Apotheke. „Wir Apotheker stehen ganz schön bescheiden da. Erst geben wir die belasteten Arzneimittel ab und dann nehmen wir sie nicht zurück.“ Der Patient unterscheide nicht, Apotheken tragen für sie eine Mitschuld am Skandal, so Wighardt. „Aus Sicht der Patienten haben wir vergiftetes Zeug verkauft.“

 

Einen Rückruf auf Patientenebene gab es im Fall Valsartan nicht. Die belasteten Arzneimittel wurden nur auf Apothekenebene zurückgerufen. Dies bestätigt auch Hexal. „Der Rückruf erfolgte vorsorglich und in Absprache mit den zuständigen Behörden auf Apothekenebene, das heißt Apotheken erhalten Informationen von den Zulassungsinhabern darüber, welche Arzneimittelchargen zurückgerufen werden. Diese Chargen werden dann über ein geregeltes Verfahren an uns zurückgeschickt.“ So weit so gut, der Konzern gibt jedoch zu bedenken: „Individuelle Produkte sind bei einem Rückruf auf Apothekenebene nicht umfasst.“

Im geschilderten Fall geht der Hersteller von einem Missverständnis aus. Denn Arzneimittel könnten generell nicht ohne gültige Verordnung ausgetauscht werden. Eine solche Empfehlung würde von Hexal keinesfalls ausgesprochen. „Es gibt da selbstverständlich keinen Unterschied zwischen privat oder gesetzlich versicherten Patienten, und es wird natürlich auch nichts Gegenteiliges von uns gegenüber Apotheken kommuniziert.“

Einen Unterschied gebe es jedoch in der Frage der Rückerstattung. „Privatpatienten kaufen Arzneimittel in der Apotheke auf eigene Rechnung und haben daher eine direkte vertragliche Beziehung mit der Apotheke, in der sie das Präparat erworben haben. Erstattet eine Apotheke einem Privatpatienten die Kosten für eine – auch angebrochene – Packung der vom Rückruf betroffenen Präparate, dann kann diese Apotheke sich an ihren Großhändler wenden, von dem sie dieses Präparat bezogen hat. Dieser kann dann wiederum mit dem Hersteller in Kontakt treten. Gesetzlich versicherte Patienten haben dagegen keine direkte vertragliche Beziehung mit der Apotheke, denn die Kosten gegenüber der Apotheke für die Präparate übernimmt die gesetzliche Krankenkasse.“

 

Zwar werde vom Patienten eine Zuzahlung geleistet, diese werde jedoch von der Apotheke an die Kasse weitergegeben. „Daher kann weder von der Apotheke noch vom Hersteller eine Erstattung der Zuzahlung an Patienten erfolgen. Dies entspricht auch den Patientenhinweisen des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM), wonach Versicherte sich mit der Frage der Zuzahlung an ihre Krankenkasse wenden sollten, um abzuklären, ob die Zuzahlung rückerstattet wird und welche Unterlagen vorzulegen sind.“

Das Telefonat zwischen Apotheker und Hersteller blieb jedoch erfolglos. Ein Verhalten, das Wighardt nicht tolerieren kann. Am Ende wendete sich dennoch allen zum Guten, denn die Patientin musste ohnehin auf eine andere Stärke umgestellt werden. In diesem Zuge wurde auch eine neue Verordnung ausgestellt.

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