Bayern

Ärztekammer-Vize: „Heilpraktiker ohne Existenzberechtigung”

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München -

Der Heilpraktikerberuf wird immer beliebter, vor allem in Bayern. Sorgen macht den Heilpraktikern aber, dass es auch immer lautere Rufe gibt, den Beruf stark einzuschränken oder ganz abzuschaffen.

Der Vizepräsident der Bayerischen Landesärztekammer, Andreas Botzlar, hat keinen Zweifel: „Wenn man es genau nimmt, gibt es für Heilpraktiker keine wirkliche Existenzberechtigung.” Er hat kein Verständnis dafür, dass es einen Gesundheitsberuf mit einem großen Handlungsspielraum gibt, ohne dass für diesen Beruf eine geregelte Ausbildung vorgeschrieben wäre. Heilpraktiker müssen zwar eine Prüfung beim Gesundheitsamt ablegen, bevor sie Diagnosen stellen oder Infusionen legen können. Voraussetzung für eine Anmeldung zur Prüfung ist aber nur das Mindestalter von 25 Jahren und ein Hauptschulabschluss.

Etliche Gesundheitspolitiker wollen die jetzigen Regeln ändern, die bis ins Jahr 1936 zurückreichen. Union und SPD haben in ihrem Koalitionsvertrag festgelegt, sie wollten „das Spektrum der heilpraktischen Behandlung überprüfen”. Als Grund nennen die Koalitionspartner die Patientensicherheit. Die hält auch eine Gruppe von Wissenschaftlern verschiedener Fachrichtungen namens Münsteraner Kreis für gefährdet, wenn sich an den Regeln für den Heilpraktikerberuf nichts ändert. Christian Weymayr, der zum Münsteraner Kreis gehört, hält es für eine „große Gefahr”, dass Patienten, die zu Heilpraktikern gehen, „auf sinnvolle Therapien verzichten”.

Aller Kritik zum Trotz erlebt der Heilpraktikerberuf aber geradezu einen Boom, gerade in Bayern. Nach Daten des Landesgesundheitsamtes hat sich die Zahl der Heilpraktikerinnen und Heilpraktiker im Freistaat in den vergangenen 15 Jahren mehr als verdoppelt, auf zuletzt 23.283. Damit liegt ihre Zahl mehr als doppelt so hoch wie die der Hausärzte. Bundesweit gibt es keine genauen Zahlen, Berufsverbände gehen von 60.000 Beschäftigten in Heilpraktiker-Praxen aus. Private Schulen werben für eine Ausbildung in einem „Traumberuf”.

 

Die Berufsverbände sehen sich auch durch den Zuspruch vieler Patienten bestätigt. Nach einer Umfrage des Bunds Deutscher Heilpraktiker aus dem Jahr 2017 gehen jeden Tag rund 128.000 Deutsche in eine Heilpraktikerpraxis. Viele private Krankenversicherer übernehmen die Behandlungshonorare. Bei einem Großteil der Beamten beteiligt sich auch die staatliche Beihilfe an den Kosten. Und auch einige gesetzliche Krankenkassen erstatten Heilpraktikerrechnungen, obwohl das im Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung eigentlich nicht vorgesehen ist.

Der Vorsitzende des Heilpraktikerverbandes Bayern, Wolfgang Hegge, weist die Warnungen vor einer Gefährdung der Patientensicherheit zurück. Seiner Ansicht nach bemühen sich die Berufsverbände um möglichst hohe Qualität. So betreibt sein Verband in München eine eigene Schule, die eine dreijährige Ausbildung mit 3000 Stunden anbietet. Kostenpunkt: rund 12.000 Euro. Anders als bei anderen Instituten würden Lehrpläne der Josef-Angerer-Schule vom bayerischen Kultusministerium kontrolliert, betont Hegge: „Das ist auch ein Qualitätskriterium der Ausbildung.”

Kritiker des Heilpraktikerberufs wie Weymayr vom Münsteraner Kreis halten es aber für abwegig, von Qualität zu reden, wenn Methoden wie die Iris-Diagnostik auf dem Stundenplan stehen, bei der aus der Netzhaut von Patienten Rückschlüsse auf die Gesundheit gezogen werden. Weymayr kritisiert, die deutsche Gesundheitspolitik messe mit zweierlei Maß. Auf der einen Seite werde in der gesetzlichen Krankenversicherung bei Medikamenten und Therapien berechtigterweise immer stärker auf Wirksamkeitsnachweise gepocht, gleichzeitig werde der Alternativmedizin in solchen Fragen aber großer Spielraum gelassen. „Kein Wirtschaftspolitiker dürfte eine Wahrsagerin beschäftigen, um Entscheidungen zu treffen. Im Gesundheitswesen dürfen das Politiker aber schon”, ärgert sich Weymayr.

Und Botzlar von der Landesärztekammer findet, Deutschland könnte sich beim Thema Heilpraktiker durchaus an Österreich orientieren: „Da ist das Kurpfuscherei und strafbar.” Er erwartet aber keine einschneidenden Änderungen durch die Gesundheitspolitik. Denn die Angebote von Heilpraktikern seien bei vielen Patienten beliebt. „Und die Patienten sind ja auch Wähler, mit denen es sich Politiker nicht unbedingt verscherzen wollen”, sagt Botzlar.

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml (CSU) will sich allerdings nicht vorwerfen lassen, die Politik rede einzelnen Interessengruppen nach dem Mund. Die Vereinbarung des Koalitionsvertrages, wonach der Rechtsrahmen des Heilpraktikerberufs auf den Prüfstand kommen soll, werde umgesetzt, sagt sie. Aber sie ergänzt auch: „Ich erlebe viele Heilpraktiker, die sehr verantwortungsvoll mit ihrem Beruf umgehen.”

Der Vorsitzende des Heilpraktikerverbandes Bayern, Wolfang Hegge, ist durch solche Aussagen der Gesundheitsministerin nur zum Teil beruhigt. „Der Druck hat zugenommen”, sagt er. Aber auch er ist sicher, dass die Heilpraktiker von ihren Patienten verteidigt werden. Er halte es da mit einem Kollegen, der ihm schon vor langer Zeit einen Rat mitgegeben habe, erzählt Hegge: „Sie müssen sich keine Sorgen machen, es bestimmen letztlich die Füße des Patienten.”

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