Lieferengpässe

Beschwerde bei Spahn: AstraZeneca liefert Verpackungsmüll

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Berlin -

Immer wieder gibt es Ärger über kurzfristige Lieferengpässe. Die Hersteller schieben häufig die Schuld auf den Großhandel, der Großhandel dementiert prompt Exporte ins Ausland – und die Apotheker schauen in die Röhre. Jetzt hat Apotheker Gunnar Müller an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) geschrieben und sich über das „zynische und arrogante“ Spiel beschwert. Mehr noch: Müller ärgert sich über den „ökologischen Wahnsinn“ der Ersatzlieferung über Pharma Mall.

Weil Forxiga 10mg bei Phoenix und Noweda kürzlich nicht lieferbar war und die beiden Marktführer im Arzneimittelgroßhandel auch keinen Liefertermin nennen konnten, bestellte Müller aus der Detmolder Sonnen-Apotheke wieder einmal über Pharma Mall das defekte Arzneimittel. Die Lieferung kam prompt am nächsten Tag. Aber Müller wunderte sich über die Schuhkartongröße der Verpackung: „Die liefern zu viel Luft.“ In die Verpackung hätten statt der bestellten einen Forxiga-Packung locker zehn Stück gepasst, so Müller. Wie üblich wurde der Leerraum im Karton mit Kunststoff-Luftpolstern aufgefüllt. Nach Angaben von Pharma Mall ist für die Lieferung der jeweilige Hersteller verantwortlich. Pharma Mall selbst leitet die Bestellung weiter und ist für die Logistik nicht zuständig.

„Wenn mein Großhandel liefert, gibt es so etwas nicht“, schimpft Müller über den ökologischen Kollateralschaden der Bestellung über Pharma Mall. Mit 102,45 Euro muss Müller bei Pharma Mall für die Packung zudem mehr bezahlen als bei einem seiner Großhändler. Die räumen dem Apotheker einen Rabatt ein. Daher wittert Müller hinter der Häufung von zeitweisen Lieferunfähigkeiten patentgeschützter Arzneimittel System: „Die Hersteller wollen sich darüber die Großhandelsmarge einstreichen.“

Solche Vermutungen weist Hersteller AstraZeneca wie auch in diesem Fall stets mit beinahe wortgleichen Erklärungen zurück: „Der Großhandel wird von AstraZeneca wöchentlich bedarfsgerecht mit Ware beliefert“, so eine Sprecherin. Mit Pharma Mall stelle AstraZeneca einen „Notfallkanal“ bereit, über den in den entsprechenden Notfällen bestellt werden könne. AstraZeneca habe kein wirtschaftliches Interesse an einer Ausweitung des Direktgeschäfts, es diene vielmehr der Sicherung der Patientenversorgung, beteuert das Unternehmen.

„AstraZeneca hat keine andere Erklärung für die aktuelle Situation, als dass einige der Großhändler und/oder Apotheker die Ware in erheblichem Ausmaß in andere europäische Länder exportieren. Aufgrund der teils sehr attraktiven Margen besteht dazu ein großer Anreiz“, so die Sprecherin weiter. Dies ist allerdings eine „verallgemeinernde Annahme“, da AstraZeneca als pharmazeutisches Unternehmen nicht die Möglichkeit habe, den Großhandel beziehungsweise einzelne Großhändler oder Apotheken zu kontrollieren. „Diese Aufgabe kommt den Landesbehörden beziehungsweise der Politik zu. Aus Sicht von AstraZeneca wird alles getan, um den deutschen Markt auch weiterhin patientenbedarfsgerecht zu beliefern“, endet die Stellungnahme.

Müller machte seinem Ärger jetzt in einer Mail an Bundesgesundheitsminister Spahn (CDU) Luft: „Sehr geehrter Herr Minister Spahn, offensichtlich herrscht immer noch Unklarheit über die Definition des Begriffes „Lieferfähigkeit". Laut Auffassung von AstraZeneca sei Forxiga, ein orales Antidiabetikum derzeit lieferbar, „auch wenn meine beiden Großhändler (Noweda und Phoenix) mir aktuell mitteilen, dass sie keinerlei Ware haben und mir auch keinen Liefertermin seitens des Herstellers benennen können, so dass ich gezwungen wurde, direkt beim Hersteller eine Packung über Pharma Mall zu bestellen.“

Offenbar genüge es in Deutschland, wenn man als Hersteller über Pharma Mall aktuell fünf Packungen liefern könne, um seine vermeintliche Lieferfähigkeit vorweisen zu können. „Ich halte diese Haltung unter anderem der Firma AstraZeneca für zynisch und arrogant und für nicht hinnehmbar, sowohl für uns Apotheken - aber auch für den pharmazeutischen Großhandel.“ Diese Schein-Lieferfähigkeit sorge für einen erheblichen Mehraufwand durch Rückfragen und die damit verbundenen Telefonate sowie für Bestellung, Warenvereinnahmung, Rechnungsbearbeitung, „einmal abgesehen vom Transportaufwand, dem Verpackungsmüll und den Verzögerungen für die Patienten – und das alles für eine Packung!“ Müller bittet Spahn daher um „tatkräftige Unterstützung, diesem unsäglichen Treiben endlich ein Ende zu bereiten“.

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