Fettleibigkeit und Diabetes

Foodwatch attackiert Coca-Cola-Strategie

, Uhr aktualisiert am 04.04.2018 16:43 Uhr
Berlin -

„Man nimmt viele Kalorien auf, ohne gesättigt zu werden. Das ist die Gefahr.“ Oliver Huizinga, Autor des Coca-Cola-Reports von Foodwatch, erklärt, warum aus seiner Sicht Limonaden mit viel Zucker besonders zum Dickmacher geeignet sind, mehr jedenfalls als eine Pizza oder ein Tortenstück. Der Energielieferant ist in der Flüssigkeit unsichtbar aufgelöst.

Rund 60 Prozent der sogenannten Erfrischungsgetränke in Deutschland sind nach der Foodwatch-Studie überzuckert, sie enthalten mehr als vier Stücke Würfelzucker pro Viertelliter-Glas. Es gebe ausreichend Belege für einen Zusammenhang zwischen Übergewicht und Zuckergetränken, sagt Huizinga, der für die Verbraucherorganisation den kritischen Bericht zusammengestellt hat. Inzwischen gelte jeder zehnte Jugendliche als fettleibig und sogar jeder vierte Erwachsene.

Foodwatch verlangt von Coca-Cola und den anderen Produzenten deutlich niedrigere Zuckeranteile in ihren Softdrinks. Damit das wirklich so kommt, müsse die Bundesregierung eine Herstellerabgabe für überzuckerte Getränke einführen.

Coca Cola sieht sich zu Unrecht an den Pranger gestellt. Der US-Konzern, Weltmarktführer bei Softdrinks, bestreitet nicht nur, dass man seine Produkte für eine Zunahme von Fettleibigkeit und Diabetes verantwortlich machen könne. Er wehrt sich auch gegen den Vorwurf, man ziehe sich Kinder und Jugendliche über Fernseh- und Internet-Werbung als Konsumenten heran.

Schrittweise sei Coca-Cola schon seit Jahren dabei, mit neuen Rezepten weniger Zucker für seine Limonaden zu verwenden, sagt der Manager Patrick Kammerer. Alle klassischen Sorten würden schon lange auch in zuckerfreien Varianten angeboten. Im Zeitraum 2015 bis 2020 soll der Zuckergehalt im Durchschnitt um 10 Prozent gesenkt werden. Kritikern ist das viel zu wenig, dauert das viel zu lange. Zuletzt enthielten in Deutschland 65 Prozent der Getränke aus dem Hause Coca-Cola Zucker, 19 Prozent der Softdrinks waren zuckerfrei und 11 Prozent sind Wasser und 5 Prozent fielen unter sonstige Getränke.

Auf der Tagesordnung steht das große Ziel einer gesünderen Ernährung nicht nur für Kinder seit langem. Viele Instrumente sind aber umkämpft. Eine höhere Mehrwertsteuer für stark gezuckerte Getränke und etwa auch Fertigpizzen fordert zum Beispiel eine Allianz aus Wissenschafts- und Medizinverbänden – im Gegenzug sollte die Mehrwertsteuer auf Obst und Gemüse wegfallen.

Nach einer Zuckerabgabe mag aber zumindest kein Regierungspolitiker laut rufen. Die neue Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) stellt fest, es klinge „einfach und verlockend, eine zusätzliche Steuer für Fertigprodukte in unserem Land zu erheben“. Wenn der Zuckergehalt in manchen Produkten sinke, gelte das aber nicht automatisch für den Gesamtkaloriengehalt. Gebraucht werde eine „Gesamtstrategie zur Reduzierung von Fett, Zucker und Salz“. Ähnlich hört sich die Argumentation bei Coca-Cola an: Man dürfe sich nicht nur auf einen Inhaltsstoff konzentrieren. „Es braucht vielmehr den Willen zu gemeinschaftlichen Lösungen.“

Für Foodwatch sind das nur Ausflüchte. „Zuckergetränke sind die neuen Zigaretten“, sagt Hoizinga. Die Hersteller versuchten ähnlich wie viele Jahre die Tabakindustrie, die Gefahren zu verharmlosen, die von ihren Produkten ausgingen. Die Zigarettendreher seien damit letztlich nicht durchgekommen. Länder wie Frankreich, Belgien, Mexiko, etliche US-Bundesstaaten und jetzt Großbritannien erheben schon Sondersteuern- oder -abgaben auf Zucker in Softdrinks.

In Deutschland gab es schon einmal einen Anlauf für die von Klöckner skizzierte „nationale Strategie“ für weniger Salz, Zucker und Fett in Fertigprodukten. Ihrem Vorgänger Christian Schmidt (CSU) schlug damals eine Wutwelle aus der Branche entgegen. Manche große Hersteller haben indes schon eigene Initiativen gestartet. Der Spitzenverband der Lebensmittelwirtschaft (BLL) warnt vor Eingriffen in die Rezepturen als „Herzstück“ der Unternehmen.

Diskutiert werden auch zusätzlich Angaben auf der Packung. Verbraucherschützer trommeln für eine Ampel-Kennzeichnung in Rot, Gelb und Grün für einen hohen, mittleren oder niedrigen Gehalt an Zucker, Salz und Fett. Das soll Klarheit auf einen Blick schaffen. Die Lebensmittelbranche hält nichts davon und verweist auf die schon vorgeschriebenen Tabellen auf der Packung mit Angaben pro 100 Gramm. Das sei die objektivste Lösung. Einige Konzerne machen sich aber für ein europäisches Ampel-Modell stark. Im Koalitionsvertrag haben Union und SPD vage vereinbart, Nährwertkennzeichnungen weiterzuentwickeln, indem der Gehalt „gegebenenfalls vereinfacht visualisiert“ wird.

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