EU-Versandapotheke

Ex-Mitarbeiter: Hilfe für geprellte Versandkunden

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Berlin -

Nachdem der EU-Versandapotheke in Cottbus die Versanderlaubnis behördlich entzogen wurde, hängen tausende Kunden in der Luft. Sie haben ihre Arzneimittel bezahlt, aber noch keine Ware bekommen. Jetzt haben ehemalige Angestellte der EU-Versandapotheke einen Hilfeservice für Geschädigte eingerichtet – ein vermutlich einmaliger Vorgang.

Die Internetseiten der EU-Versandapotheke beziehungsweise Berlinda Versandapotheke sind bereits seit dem 22. Februar nicht mehr zu erreichen. Die Aufsichtsbehörde hatte Inhaberin Dr. Bettina Habicht die Versanderlaubnis entzogen. Habicht hatte im Rahmen einer Betriebsversammlung am 28. Februar alle Mitarbeiter des Versandgeschäfts beurlaubt. Diese etwa 55 Beschäftigten waren bei Equa Consulting angestellt. Beim Amtsgericht Cottbus wurden erste Schritte zur Eröffnung eines Insolvenzverfahrens eingeleitet.

Alle Domains der Versandapotheke sind tot, der Anbieter wurde auch aus dem DIMDI-Register gestrichen. Doch unter www.euva-berlinda.de ist nach Angaben der Domaininhaber eine Gruppe langjähriger, ehemaliger Mitarbeiter versammelt, die in den vergangenen beiden Jahren auf Grund gravierender Meinungsverschiedenheiten mit der Geschäftsleitung der Versandapotheke aus dem Unternehmen ausgeschieden seien. Betreiberin der Seite ist die Target Print AG aus der Schweiz.

Die namentlich nicht genannten Ex-Mitarbeiter wenden sich an ehemalige Kunden. Leider seien mit dem Entzug der Versanderlaubnis die Befürchtungen eingetreten. „Das bedeutet für Sie, dass Ihre bestellten und im Voraus bezahlten Medikamente mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nicht mehr ausgeliefert werden“, heißt es. Trotzdem will das Team potentiell Geschädigten bei der Rückerstattung berechtigter Forderungen unterstützen. E-Mails an [email protected] würden innerhalb von 24 Stunden beantwortet, heißt es.

Unmittelbar erhalten Kunden der EU-Versandapotheke allgemeine Tipps, um ihr Geld vielleicht doch noch zurückzuholen. Da die Zahloption Rechnung schon vor Monaten gestrichen wurde, mussten die Kunden zuletzt per Paypal, Kreditkarte oder Lastschrift bezahlen. An die jeweiligen Institute sollten sie sich möglichst schnell wenden, um gegebenenfalls noch eine Rückbuchung zu erreichen, so der Tipp. Zudem werden E-Mailadressen für Beschwerden verteilt, vom Landesgesundheitsamt, der Apothekerkammer, Verbraucherschutz und -zentrale sowie sogar ein Kontakt zur Staatsanwaltschaft Cottbus. Die ermittelt gegen Habicht wegen des Verdachts auf Betrug und Untreue.

Von Teilnehmern heißt es, es handele sich „um eine Verzweiflunglungsaktion ehemaliger Mitarbeiter“. Denn leider habe sich Habicht ihrer Verantwortung für die Kunden entzogen: „Weder ein Servicetelefon, noch eine E-Mailbeantwortung findet statt“, so der Vorwurf. Die Resonanz der Kunden auf die Hilfeaktion sei sehr gut, heißt es. „Wir haben bisher knapp 600 E-Mails bearbeitet. Die Kunden sind überaus dankbar, für unsere Hilfe“, berichtet eine Aktivistin.

Was sie mit der Aktion erreichen können, bleibt abzuwarten. Für die Apotheke am Telering in Cottbus will Habicht dem Vernehmen nach keine Insolvenz anmelden – trotz angeblich offener Rechnungen in sechsstelliger Höhe. Doch Habicht und ihr Ehemann Sven Schumacher haben beim Amtsgericht Cottbus Antrag auf Insolvenz für die Equa Consulting gestellt.

Laut einem Beschluss des Gerichts wird in der Vorprüfung des Insolvenzverfahrens ein Sachverständigengutachten eingeholt. Ein hierzu bestellter Fachanwalt für Insolvenzrecht aus Berlin soll Belege dafür liefern, dass Habicht zahlungsunfähig oder überschuldet ist und ob eine kostendeckende Masse vorhanden ist. Das Gericht wünscht ein schriftliches Gutachten zur Aufklärung des Sachverhalts.

Laut § 5 Insolvenzordnung muss das zuständige Gericht von Amts wegen alle Umstände ermitteln, die für das Insolvenzverfahren von Bedeutung sind. Zu diesem Zweck können Zeugen und Sachverständige vernommen werden. Der Sachverständige darf auch bei Dritten Auskünfte über die Vermögensverhältnisse der Schuldnerin einholen. Diese muss Einsicht in die Bücher und Geschäftspapiere gewähren und auf Verlangen des Sachverständigen sogar herausgeben.

Im Auftrag des Großhändlers Phoenix hatten sich zuletzt Anwälte bei potenziellen Kaufinteressenten der EU-Versandapotheke gemeldet. Demnach hat Habicht schon 2013 eine Kaufpreisabtretung unterschrieben. Und Phoenix hat offene Forderungen in Höhe von 5,4 Millionen Euro. Die Nichtbeachtung der Abtretung könne zu einer doppelten Inanspruchnahme auf Kaufpreiszahlung führen, so die Warnung der Anwälte.

Der Großhändler streitet wegen der Forderungen auch noch vor Gericht mit Habicht, die selbst Gegenforderungen in Höhe von inzwischen 6,1 Millionen Euro erhebt. Das Landgericht Cottbus will am 17. April erneut in der Sache verhandeln.

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