Positionspapier

MVDA kontert ABDA: Rx-Versand notwendig

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Berlin -

Seit dem EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 beharrt die ABDA auf dem Rx-Versandverbot als einziger Antwort auf die Gewährung von Rx-Boni durch ausländische Versandapotheken und mahnt die Apothekerschaft zur Geschlossenheit. Jetzt schert der Marketingverein Deutscher Apotheker (MVDA) aus. Im Gegensatz zur ABDA hält der MVDA den Rx-Versand zur Sicherung der flächendeckenden Versorgung für notwendig. Der MVDA will aber DocMorris und Co. vom Rx-Versand ausschließen und nur für Vor-Ort-Apotheken zulassen. Außerdem sollen Rx-Boni verboten werden.

Kürzlich erst hatte DAV-Chef Fritz Becker betont, dass der Rx-Versandhandel für die flächendeckende Versorgung nicht gebraucht wird. Dem Widerspricht der MVDA. „Der MVDA hält es für realistisch, dass auf mittlere Sicht Szenarien zu erwarten sind, die eine Versorgung von Patienten kombiniert mit einer Zustellung via Versand erforderlich machen können“, heißt es im aktuellen Positionspapier der politischen Vertretung von 3200 Apotheken.

Ausdrücklich könne eine Lösung allerdings nicht in einem unregulierten Rx-Versandhandel oder einem Dispensierrecht für Ärzte liegen. Eine ausschließliche Belieferung ohne weitere Beratungs- und Serviceleistungen ersetze nicht die Versorgung durch eine Apotheke vor Ort. „Der MVDA fordert deshalb, den Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel in der aktuell unreglementierten Form nicht zuzulassen“, so das Papier.

„Regional tätigen Apotheken, die die ganze Palette an gesetzlich übertragenen Gemeinwohlpflichten rund um die Lieferung des Arzneimittels erfüllen, kann und sollte allerdings der Arzneimittelversand als ergänzender Belieferungsweg innerhalb des Versorgungsumkreises der jeweiligen Apotheke zum Wohl des Patienten erlaubt werden“, so der MVDA. Als zu erfüllende Gemeinwohlpflichten definiert der MVDA: gesetzliche Beratungspflicht, Bereitstellung von Individualrezepturen, BTM-Versorgung, Kühlkettenartikel, Notfalldepotbereithaltung, 10 Tage Arzneimittel-Vor-Ort-Depot zur Versorgung im Krisenfall, Notdienst, Kontrahierungszwang, Erreichbarkeit während allgemeiner Öffnungszeiten und Pflege des Medikationsplans.

„Ein entsprechend flankierender Rx-Versand muss aus Sicht des MVDA auf einen regional angepassten Umkreis von etwa 25 Kilometern begrenzt werden“, zieht das Positionspapier einen engen Radius. Auf diese Weise sei die flächendeckende Versorgung auch in strukturschwachen Gebieten sichergestellt, ohne die persönlichen Betreuungsangebote vor Ort in ihrer Existenz zu gefährden. Den MVDA leitet bei seinen Vorschlägen die Überzeugung, dass ein Systembruch vermieden werden müsse. Die Weiterentwicklung des bestehenden und bewährten Arzneimittelversorgungssystems nach deutschem Recht und deutschen Standards habe auch in Zukunft den Maßstab zur Weiterentwicklung und Digitalisierung des Gesundheitssystems darzustellen.

Darüber hinaus fordert der MVDA ein Verbot von Boni auf verschreibungspflichtige Arzneimittel, denn Boni führten zu einem reinen Preiswettbewerb zulasten der pharmazeutischen Versorgungsqualität. Derzeit würden viele Leistungen als Teil der pharmazeutischen Betreungs- und Dienstleistungspalette nicht extra vergütet. Rabatte wie sie jetzt vom Versandhandel als reines Instrument des Verdrängungswettbewerbs eingesetzt würden, führten nur zu einer „Beschleunigung der ökonomischen Krise“ gerade bei Landapotheken. Besonders ausländische Versender arbeiteten nach völlig anderen wirtschaftlichen und juristischen Vorgaben. Bei einem Weiter-so sei bereits mittelfristig mit monopol- oder zumindest oligopolartigen Strukturen zu rechnen, die die Gewinnmaximierung zum Ziel hätten.

Nach Ansicht des MVDA hat die Realität das „tradierte Idealbild“ vom abgeschirmten „Biotop Apothekenmarkt“ längst überholt. Ein Rückfall in „alte Zeiten“ sei undenkbar geworden. Der Systemwandel beruhe nicht auf den von der Politik verhängten Sparmaßnahmen, sondern sei Teil eines strukturellen Wandels des gesamten Gesundheitssystems, der sich mit wachsender Dynamik fortsetzen werde.

Die Sozialsysteme geraten nach Ansicht des MVDA in absehbarer Zeit unter finanziellen Druck. Die flächendeckende Versorgung werde zur größten Herausforderung des gesamten Gesundheitsmarktes und der demografische Wandel führe auch in den Apotheken zu personellen Engpässen und verschärfe den Fachkräftemangel. Daraus resultierten zwangsläufig Veränderungen für den Versorgungsalltag der Apotheken.

Notwendig für die Weiterentwicklung des Apothekenmarktes sei ein „gesunder, qualitätsorientierter Wettbewerb“. Dabei müsse das Arzneimittel als „besonderes Gut“ erhalten bleiben. Eine vollständige Liberalisierung des Marktes lehnt der MVDA ab. Der Einstieg von Hedgefonds und anderen Kapitalgesellschaften gefährde die Patientenversorgung. Es gelte den Wettbewerb im Apothekenmarkt nach den Kriterien der Versorgungsqualität und -effizienz auszurichten.

Nach Überzeugung des MVDA kann der notwendige niederschwellige Zugang zu Versorgungsangeboten nur in der Verzahnung von digitaler und persönlicher Betreuung gewährleistet werden. Dazu will der MVDA Versorgungskonzepte entwickeln, die den Bedarf immobiler Menschen an Arznei- und Hilfsmitteln „rund um die Uhr“ und in persönlicher Betreuung abbilden. Auch bei der Steigerung der Arzneimitteltherapiesicherheit (AMTS) komme den Apotheken angesichts der steigenden Zahl multimorbider Patienten eine wachsende Bedeutung zu. „Gerade beim Medikationsplan sollten die Apotheker nach den ersten Erfahrungen eine hauptverantwortliche Rolle übernehmen“, fordert der MVDA.

Die Apotheken sollten laut MVDA zudem an den „Schnittstellen“ der medizinischen Versorgung als zentrale „Versorgungsdrehscheibe“ mit ihren vier Millionen täglichen Patientenkontakten eine stärker „verklammernde Rolle“ einnehmen. Apotheken könnten Pflegekräfte beim Arzneimanagement entlasten oder das Monitoring von Chroniker übernehmen.

Sorgen bereitet dem MVDA der Apothekennachwuchs. Die Kompetenz der verschiedenen pharmazeutischen Berufsgruppen werde geschwächt, weil die notwendigen berufsrechtlichen Anpassungen trotz der dramatischen Fortschritte in den Berufsanforderungen seit Jahrzehnten brachlägen, kritisiert der MVDA. Das führe bei PTA zu Abwanderungen aus dem eigentlichen Betätigungsfeld. Der MVDA schlägt daher vor, den PTA-Beruf aufzuwerten und PTA begrenzte Vertretungsmöglichkeiten des Apotheker einzuräumen. Nach zehn Berufsjahren könne eine „Super-PTA“ als Ersatz für Pharmazieingenieure und Vorexaminierte tätig werden.

Die Vorschläge sollen dazu dienen, dass Apotheker auch in Zukunft eine „der zentralen Berufsgruppen in unserer Gesellschaft bleiben“, schreibt der MVDA in seinem Positionspapier: „Sie sind Dreh- und Angelpunkt zwischen der medizinischen Versorgung und der unmittelbaren niederschwelligen Patientenbetreuung.“ Um diese grundlegende Funktion der Apotheken zu erhalten, plädiert der MVDA für die Beibehaltung des packungsbezogenen Apothekenhonorars. Eine Entkoppelung von Ware und Dienstleistung sei falsch. Es wäre vielmehr naheliegend, den Apothekern zusätzliche Leistungen zu übertragen und zu honorieren.

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