Erster Coronavirus-Fall in Deutschland

Sensibilisieren, aber keine Panik verbreiten

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Berlin -

Die erste Infektion mit dem neurartigen Coronvirus in Deutschland ist bekannt. Das bayerische Gesundheitsministerium infomierte heute in einer Pressekonferenz über die aktuelle Lage. Noch heute soll eine Hotline für die Bevölkerung eingerichtet werden, um Fragen zu klären.

Seit gestern Abend ist der erste Fall in Deutschland bekannt: Bei dem Infizierten handelt es sich um einen 33-jährigen Mann aus dem Landkreis Landsberg in Bayern. Derzeit befindet er sich isoliert in einem Krankenhaus. Infiziert hatte sich der Mann bei einem beruflichen Meeting des Automobilzulieferers Webasto im Landkreis Starnberg, bei dem in kleineren Gruppen zusammen gearbeitet wurde. Am 21. Januar hatte das Meeting stattgefunden, an dem auch eine Mitarbeiterin aus China teilgenommen hatte. Sie selbst stammt aus Shanghai, hatte aber vor ihrer Einreise nach Deutschland Besuch von ihren Eltern aus der Region Wuhan.

Bei ihrer Einreise zeigte die Frau keinerlei Symptome, erst auf Ihrem Rückflug am 23. Januar hatte sie sich grippig gefühlt. Ein anschließender Test viel entsprechend positiv aus. Der Mann aus Landsberg hatte sich am Wochenende ebenfalls krank gefühlt, jedoch sei es ihm am Montag wieder besser gegangen, sodass er auf der Arbeit erschienen sei. Nach der Information über die Erkrankung der Chinesin begab er sich jedoch in ärztliche Behandlung.

Die Überwachung des Mannes sei sinnvoll, da man hierzulande recht wenig Erfahrung mit dem Coronavirus habe, erklärte Dr. Andreas Zapf, Leiter des Bayerischen Landesamtes für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit (LGL). Wie der behandelnde Arzt jedoch mitteilte, sei der Patient außer Lebensgefahr und die Symptome weitestgehend abgeklungen – wie lange er noch isoliert bleibt, ist noch unklar. Die Inbetriebnahme einer besonderen Isolierstation sei derzeit jedoch nicht geplant.

Derzeit werden die engsten Kontaktpersonen der beiden Infizierten aus beruflichem und familiärem Umfeld – insgesamt etwa 40 – genauer überprüft. Neben einer häuslichen Isolation sei vor allem eine Überwachung notwendig – eine Testung der einzelnen Personen sei jedoch nicht sinnvoll, wie Dr. Martin Hoch, Leiter der Taskforce Infektiologie, mitteilte. Innerhalb von vier bis fünf Stunden könnte allerdings bei einem Verdachtsfall mittlerweile eine Diagnose per Test erfolgen. Der genaue Aufenthalt der Chinesin in Deutschland soll noch heute verfolgt werden. Mit dem Bund werde derzeit zudem über eventuell notwendige Maßnahmen, wie beispielsweise einer Fiebermessung am Flughafen beratschlagt, erklärte Staatsministerin Melanie Huml. Die Schließung von Einrichtungen sei derzeit jedoch nicht in Sicht, erklärte Zapf.

Bisher habe keine der Kontaktpersonen Symptome, eine weitere Infektion sei jedoch nicht auszuschließen, erklärte Zapf. Man gehe derzeit von einer Inkubationszeit von etwa 14 Tagen aus, da sich der Deutsche während der symptomfreien Phase angesteckt hatte. Es sei wichtig, mögliche Fälle zeitnah zu ermitteln – das sei bisher sehr gut gelungen, erklärte Hoch.Wie lange eine Infektion andauere, könne noch nicht mit Sicherheit gesagt werden. Die Lage werde zwar ernstgenommen, jedoch sei es wichtig „das richtige Maß zu treffen“ erklärte Zapf. Man müsse zwar Sensibilisieren, jedoch keine Panik verbreiten. Nach derzeitiger Einschätzung bestünde nur ein „moderates Risiko“ für Deutschland.

„An den Flughäfen sind derzeit die bewährten Alarmpläne in Kraft“, erklärte Hoch. Bisher sei dort jedoch kein Fall aufgetreten. Passagiere, die aus China anreisen, würden mithilfe eines Plakates über die Meldung bei eventuell auftretenden Symptomen informiert werden. Aus Wuhan würden derzeit keine Ankünfte an deutschen Flughäfen eintreffen. Von Reisen in die Region wird derzeit abgeraten, auch geschäftliche Termine sollten demnach per Telefon oder Videochat gehalten werden. Das Risiko einer Ansteckung sei bei kurzfristigem Kontakt sehr gering, erklärte Zapf. Ein Face-to-face- Kontakt von etwa 15 Minuten stelle nach derzeitigen Erkenntnissen das wahrscheinlichste Risiko einer Tröpfcheninfektion dar. Die Schutzmaßnahmen seien die gleichen, wie bei der Influenza: Regelmäßiges Händewaschen und Lüften, sowie Desinfektion und Abstand halten sei sinnvoll – der Einsatz von Mundschutz hingegen nicht.

Dennoch kommt es in den Apotheken und Drogeriemärkten derzeit zu Lieferschwierigkeiten bei Atemschutzmasken. Laut Aussagen des Bundesverbandes des pharmazeutischen Großhandels ist die aktuelle Liefersituation angespannt. „In den einzelnen Niederlassungen kann es aber zu regionalen Unterschiede kommen“, betont ein Sprecher des Verbandes. Im Moment könne man keine valide Aussage tätigen. Die einzelnen Großhändler, darunter Noweda und Phoenix, verschaffen sich heute ein konkreteres Bild über die Liefersituation und beziehen im Laufe des Tages Stellung. Laut Aussagen von Phoenix ist die Bestellmenge in dieser Woche zehnmal höher als noch in der Vergangenen. Die Großhändler hätten nicht mit einem solchen Bestellaufkommen gerechnet, da keine Behörde das Tragen eines Mundschutzes explizit empfehlen würde.

Auf Anfrage teilte die Charité mit, dass auf Basis der derzeitigen Ausbruchslage nicht mit einem großen Ausbruch der Infektion in Deutschland zu rechnen ist. Die Charité verweist darauf, dass das Krankenhaus allgemein gut aufgestellt sei, um Infektionskrankheiten zu behandeln – es gäbe eine Isolierstation auf der die Patienten versorgt werden könnten. „Der Umgang mit den Patienten hinsichtlich Isolationsmaßnahmen wäre vergleichbar mit Patienten, die an einer resistenten Tuberkulose erkrankt sind“, teilt eine Sprecherin der Charité mit.

Das Auswärtige Amt teilt mit: Bisher sind Fälle hauptsächlich in China aufgetreten. Zudem wurde 2019-nCoV in Thailand, Japan, Südkorea, Taiwan, Macau, Hongkong, Singapur, Vietnam den USA, Kanada, Malaysia, Nepal, Frankreich, Australien und Deutschland diagnostiziert. Die Letalitätsberechnung schwankt derzeit (ca. 2 bis 4 Prozent), wobei bei einer ersten Untersuchung 72 Prozent der Todesfälle älter als 40 Jahre waren. Zwei Drittel der Erkrankten waren männlich. Bei 40Prozent lag eine Vorerkrankung vor.

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