Studienmängel

Neue BfArM-Liste: Zulassungsstopp für elf Generika

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Berlin -

Apotheken dürfen ab Donnerstag elf Generika nicht mehr abgeben. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat eine Liste mit Medikamenten veröffentlicht, deren Zulassung ruhen wird. Gründe sind schwere Mängel in der Durchführung von relevanten Studien und Manipulation von Probandenproben.

Die Arzneimittelkommission der Deutschen Apotheker (AMK) hat Apotheken über den Zulassungsstopp informiert. Hintergrund sind schwere Mängel bei Zulassungsstudien des indischen Zulassungsdienstleisters Semler Research Center (SRC). Die Europäische Arzneimittelagentur (EMA) hatte bereits Ende Juli eine Liste mit Produkten veröffentlicht, bei denen Zweifel über die Daten zur Marktzulassung bestanden.

Vorausgegangen war eine Untersuchung der Bioäquivalenzstudien des Zulassungsdienstleisters Semler in Bangalore durch die EMA. Laut der Arzneimittelbehörde bestanden Zweifel am Qualitätsmanagementsystem von Semler. Daher sei auch die Verlässlichkeit der für die EU-Marktzulassung relevanten Daten zweifelhaft. Die Behörde empfahl, dass Arzneimittel, deren Zulassung ausschließlich auf Semler-Studien beruht, nicht mehr verwendet werden sollen.

Das BfArM hat für insgesamt elf Arzneimittel das Ruhen der Zulassung ab dem 11. August für zunächst ein Jahr angeordnet. Hexal und die Konzerntochter 1A Pharma sind zahlenmäßig am stärksten betroffen. Knapp die Hälfte der Arzneimittel stammt von diesen Herstellern.

Konkret sind dies Malacomp und Malacomp Hexal junior und Saquinavir (Filmtabletten mit 500 mg) von Hexal sowie Atovaquon/Proguanilhydrochlorid von 1A Pharma in den Stärken 62,5 mg/25 mg und 250 mg/100 mg (Filmtabletten). Dieselbe Kombination wird in beiden Stärken auch vom Konkurrenten Ratiopharm aus dem Verkehr genommen. Ferner vom Ruhen der Zulassung betroffen sind Celecoxib von Glenmark (Hartkapseln mit 100 und 200 mg), Eprosartan von Aristo (Filmtabletten mit 600 mg) und Pregabalin-Hormosan (Hartkapseln mit 25 mg).

Das BfArM weist darauf hin, dass die Liste nur bei Änderungen aktualisiert wird. Veränderungen erklärten sich durch die laufend erfolgende Auswertung neu bekannt gewordener Sachverhalte und Informationen, etwa die positive Bewertung neu eingereichter Studien zur Bioäquivalenz.

Laut BfArM-Bescheid „wurde nachträglich bekannt, dass zum Zeitpunkt der Erteilung der Zulassungen für die genannten Arzneimittel der Versagungsgrund […] vorgelegen hat und die Zulassung somit nicht erteilt hätte werden dürfen. Denn die Arzneimittel sind – wie sich nunmehr herausgestellt hat – nicht nach dem jeweils gesicherten Stand der wissenschaftlichen Erkenntnis ausreichend geprüft worden.“

Eine mangelhafte Prüfung liege insbesondere dann vor, wenn die in den Arzneimittelprüfrichtlinien geforderten Prüfungen zwar durch entsprechende Unterlagen nachgewiesen, aber inhaltlich nicht korrekt vorgenommen worden seien, so die Behörde.

„Dabei kommt es nicht darauf an, ob die bei den Prüfungen erzielten Ergebnisse eine angemessene Qualität, Sicherheit oder Wirksamkeit des Arzneimittels belegen. Vielmehr ist entscheidend, ob die tatsächliche Durchführung prüfrichtlinienkonform abgelaufen ist.“

Dies sei bezogen auf den klinischen Teil der für die betroffenen Präparate vorgelegten Bioäquivalenzstudien nicht der Fall. Die betreffenden Studien wurden laut Bescheid von der Firma Semler Research Center (SRC) in zwei Niederlassungen im indischen Bangalore durchgeführt. „Bei diesen Studien kam es insgesamt zu erheblichen Verstößen gegen die gute klinische Praxis (GCP)“, die tatsächliche Durchführung sei als nicht ordnungsmäßig im Sinne des Arzneimittelgesetzes zu betrachten.

Die US-Arzneimittelbehörde FDA hatte im September und Oktober 2015 Inspektionen an den Semler-Standorten durchgeführt, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) im Januar sowie im Dezember 2015. Die Inspektionsbefunde haben laut BfArM „eine Vielzahl von Verstößen gegen die gute klinische Praxis und begründeten Zweifel an der Verlässlichkeit der dort durchgeführten Bioäquivalenzstudien“ ergeben,

Konkret führte die Inspektion demnach zu folgenden Ergebnissen:
- Kritische Mängel in der Studiendurchführung, inklusive der Manipulation von Probandenproben
- Systematische, nicht GCP-konforme Studiendurchführung im klinischen und bioanalytischen Teil der Studie, die nicht einer einzelnen Person zugeordnet werden können
- Kritische Mängel im Qualitätsmanagementsystem im Semler Research Center.

Die Schwere und Systematik der gefundenen Mängel führte laut BfArM zu der Schlussfolgerung, dass auch alle anderen in dieser Einrichtung im betroffenen Zeitraum durchgeführten Bioäquivalenzstudien nicht als Grundlage für einen Zulassungsantrag akzeptiert werden können. Daher seien sämtliche von der Firma Semler Research Center (SRC) in Indien durchgeführten klinischen Studien nicht zum Nachweis der Wirksamkeit und Unbedenklichkeit bzw. der Bioäquivalenz geeignet.

Laut dem BfArM-Bescheid sind die die zum Nachweis der Bioäquivalenz eingereichten Unterlagen der Firma Semler aufgrund der dargelegten Mängel zudem „als unrichtig und unvollständig anzusehen“. Auch darauf könne die Anordnung der Behörde gestützt werden. Ziel der Maßnahme sei es, im Interesse einer ordnungsgemäßen Arzneimittelversorgung für die Sicherheit im Verkehr mit Arzneimitteln, insbesondere für die Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit der Arzneimittel zu sorgen. „Ohne Nachweis der Bioäquivalenz können die betroffenen Arzneimittel nicht als sicher angesehen werden. Daher ist auch ihre weitere Verkehrsfähigkeit, insbesondere unter dem Gesichtspunkt der Patientensicherheit, nicht vertretbar.“

Grundsätzlich besteht laut BfArM die Möglichkeit, den Nachweis der Bioäquivalenz „nachzuholen“, also durch Vorlage anderer geeigneter Studien zu führen. Daher sei eine Rücknahme der Zulassungen vorerst nicht erforderlich, sondern wird die Anordnung des befristeten Ruhens als das gegenüber der Rücknahme mildere Mittel für ausreichend erachtet.

Das BfArM weist darauf hin, dass Arzneimittel, deren Zulassung ruht, nicht in Verkehr gebracht werden dürfen. Verstöße gegen seien mit Strafe oder Ordnungsgeld belegt. Die Hersteller können innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe Widerspruch gegen den Bescheid erheben.

Der Rückruf könnte alle EU-Mitgliedstaaten betreffen – aber in unterschiedlicher Intensität. Deutschland lag laut EMA zunächst mit 44 betroffenen Arzneimitteln nach Anzahl an der Spitze, gefolgt von Frankreich (28), Großbritannien (24) und den Niederlanden (23). Die Hersteller können aber einen Zulassungsstopp verhindern, wenn sie sich auf andere Studien berufen können.

Medikamente, deren Zulassung ruht, dürfen nicht in den Verkehr gebracht werden. Laut Dr. Andreas Kiefer, Präsident der Bundesapothekerkammer (BAK), setzen Apotheken Rückrufe und die Folgen des Ruhens von Zulassungen auf Basis behördlicher Anordnungen unverzüglich im laufenden Tagesgeschäft um. Betroffene Arzneimittel würden nicht mehr an Patienten abgegeben.

Patienten, die entsprechende Medikamente bereits zu Hause hätten, sollten mit dem verordnenden Arzt Rücksprache halten, rät Kiefer. „Wenn das vom Arzt verordnete Medikament nicht mehr verfügbar ist, werden Patienten mit einem alternativen Präparat versorgt. Dies ist mit einem zusätzlichen Beratungsaufwand verbunden, den die Apotheken im Rahmen ihres gesellschaftlichen Auftrags ohne zusätzliche Honorierung übernehmen.“

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