Pille danach

Frauenärzte: „Fehlalarm“ aus den eigenen Reihen

, Uhr
Berlin -

Unberechtigte Vermutungen: Die Deutsche Gesellschaft für psychosomatische Frauenheilkunde und Geburtshilfe (DGPFG) wehrt sich gegen die Äußerungen des Berufsverbandes der Frauenärzte (bvf). Der geschilderte Zusammenhang zwischen dem OTC-Switch der „Pille danach“ und der Zahl der Schwangerschaftsabbrüche sei ein „ärgerlicher und diskriminierender Fehlalarm“.

Die DGPFG hält schon den Ausgangspunkt der Pressemitteilung des bvf für „fragwürdig“. Denn die Kollegen hätten nur die absolute Zahl zu Schwangerschaftsabbrüchen veröffentlicht. Auch wenn diese 2017 etwas angestiegen sei, bleibe insgesamt kontinuierlich ein leichter Abwärtstrend zu beobachten. Denn: „Bezogen auf die Zahl der Frauen im gebärfähigen Alter zeigt sich ein Rückgang von 59 Abbrüchen pro 10.000 Frauen im Jahr 2012 auf 58/10.000 im Jahr 2017“. Das habe der bvf „anscheinend nicht realisiert“.

Der schwarze Peter liege auch nicht bei den Apotheken. Im Gegenteil, die Vizepräsidentin der DGPFG, Dr. Claudia Schumann, verteidigt die Apotheker und sieht ihre frauenärztlichen Kollegen noch mehr in der Pflicht. Apotheker kämen erst in zweiter Instanz zum Zuge. „Sie haben sich nach der Aufgabe nicht gedrängt, sie aber mit großem Engagement übernommen, was die gerade erst überarbeitete Handlungsanweisung der Bundesapothekerkammer belegt. Es entbehrt jeder sachlichen Grundlage, dieser Berufsgruppe zumindest unterschwellig eine Schuld daran zuzuschieben, dass weiterhin viele Frauen einen Abbruch vornehmen lassen.“

Schumann sieht Frauenärzte nach dem Switch nach wie vor als erste Instanz und noch mehr in der Pflicht, präventiv zu beraten, so dass Paare nach einer Verhütungspanne schnell handeln können. Die DGPFG fordert „Beratung statt Bevormundung“. „Statt Diskriminierung und Abwertung geht es mehr denn je um eine kluge Kooperation für Beratung mit dem Ziel, Frauen ebenso wie Männer zu guten Entscheidungen zu befähigen.“

Warum aber werden dennoch in Zeiten von Pille & Co. so viele Frauen ungewollt schwanger? Auf diese Frage hat auch die DGPFG keine klare Antwort. Die Ursachen seien individuell und verschieden. Dazu zählen beispielsweise Probleme beim Umgang mit Kondomen, Unwissen, finanzielle Probleme oder die Verwendung einer Verhütungs-App statt der Pille. Eine weitere Ursache liefern auch die Beratungsstellen, denn auffällig viele geflüchtete Frauen werden ungewollt schwanger – exakte Zahlen fehlen jedoch. Belegt sei hingegen, dass Frauen aus Nachbarstaaten wie beispielsweise Polen, in denen ein Abort verboten ist, den Eingriff in Deutschland vornehmen lassen. „Beide Gruppen tragen dazu bei, dass die Zahl der Schwangerschaftsabbrüche nicht schneller sinkt“, schreibt die DGPFG.

Auslöser der Diskussion war die Äußerung von bvf-Präsident Dr. Christian Albring: „Der niederschwellige Zugang zu den Arzneimitteln für die Notfallverhütung geht dadurch mit einem niederschwelligen Zugang zu einer grundsätzlich fehlerhaften Beratung einher, die eine hohe Gefahr ungewollter Schwangerschaften birgt.“ Die überarbeitete Fassung der Handlungsempfehlung habe „erneut grobe Fehler“. Apotheker könnten mit den Unterlagen der ABDA nicht richtig beraten, findet der BVF, die Pharmazeuten an der Basis treffe demnach keine Schuld.

Die ABDA konterte prompt: „Die pauschal-plakative Behauptung, dass Apotheker nicht zuverlässig zur ‚Pille danach‘ beraten würden, entbehrt ebenfalls jeder Grundlage“, so die ABDA. „In unzähligen Fortbildungsveranstaltungen wurden die Apothekerinnen und Apotheker qualitätsgesichert geschult. Basis dafür ist eine Handlungsempfehlung der BAK. An deren Erstellung und Aktualisierung waren unter anderem das Bundesgesundheitsministerium (BMG), Pro Familia und Gynäkologenverbände beteiligt. Auch der BVF war eingebunden. Das BMG hatte in Abstimmung mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) zu allen Aktualisierungswünschen, auch des BVF, abschließend Stellung genommen. Diese Fassung wurde aktuell von der BAK veröffentlicht.“

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Marburger Bund punktet bei Tarifverhandlungen
Unikliniken: 10 Prozent mehr bei reduzierter Stundenzahl
Geld für Ärzte und Medizinstudenten
Kassen kritisieren „Ausgabensteigerungsgesetz“

APOTHEKE ADHOC Debatte