Boni-Verbot, Honorar-Plus, Impfungen und Botendienst

Spahns Apothekengesetz

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Berlin -

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seinen Entwurf für ein „Gesetz zur Stärkung der Vor-Ort-Apotheken“ vorgelegt. Der Referentenentwurf aus seinem Haus sieht unter anderem ein Rx-Boni-Verbot, ein Honorarplus von 205 Millionen Euro sowie ein Verbot von Arzneimittel-Abgabeautomaten ohne Apotheke vor. Außerdem soll es Modellprojekte für Grippeschutzimpfungen in der Apotheke geben und besondere Rezepte für eine Dauermedikation bei Chronikern. Für den Botendienst und den Versandhandel sollen außerdem Temperaturkontrollen für bestimmte Arzneimittel verpflichtend werden.

Das Bundesgesundheitsministerium (BMG) will die von der ABDA als Alternative zum Rx-Versandverbot geforderte Gleichpreisigkeit über das Sozialgesetzbuch regeln. Damit sollen auch ausländische Versandapotheken gezwungen werden, sich an die deutsche Arzneimittelpreisverordnung (AMPreisV) zu halten. Verstöße gegen den Rahmenvertrag sollen mit Vertragsstrafen von bis zu 50.000 Euro oder einem maximal zweijährigen Ausschluss von der Versorgung sanktioniert werden.

Explizit nennt der Entwurf das EuGH-Urteil vom 19. Oktober 2016 als Problemstellung, die mit dem Gesetz behoben werden soll. In der Folge hatte die EU-Kommission auch ein Vertragslverletzungsverfahren gegen Deutschland aufgegriffen, um eine gesetzliche Klarstellung der Preisbindungsfrage zu erzwingen. Die liefert das BMG jetzt und verweist dabei darauf, dass die Ausgestaltung des nationalen Sozialversicherungssystems eindeutig dem jeweiligen Mitgliedstaat obliege. Ziel des BMG: „Mit dem Gesetzentwurf soll die flächendeckende Arzneimittelversorgung der Bevölkerung durch ortsnahe Apotheken gestärkt werden.“

Damit die Krankenkassen das Boni-Verbot nicht untergraben können, soll ihnen das neue Gesetz die „Zuweisung von Verordnungen an bestimmte Apotheken“ explizit verbieten. Dasselbe gilt für Vertragsärzte. Privatversicherte dürfen nach aktueller Rechtsprechung die gewährten Rx-Boni von Versandapotheken ohnehin nicht behalten, sondern sich von ihrer Versicherung nur den Betrag erstatten lassen, den sie tatsächlich gezahlt haben.

Die Apotheken sollen außerdem mehr Honorar bekommen. Die von Spahn vorgesehenen Mehrausgaben der Kassen in Höhe 205 Millionen Euro sollen sich wie folgt verteilen:

  • Für zusätzliche pharmazeutische Dienstleistungen sind insgesamt 150 Millionen Euro eingeplant. Hierfür soll es einen eigenen Zuschlag von 20 Cent auf das Packungshonorar geben. Der Deutsche Apothekerverband (DAV) und der GKV-Spitzenverband sollen die möglichen Leistungen definieren, beispielhaft vom BMG genannt werden die Medikationsanalyse, AMTS und Erfassung definierter Gesundheitsparameter sowie pharmazeutische Betreuung spezifischer Patientengruppen. Für die Verteilung der zusätzlichen Mittel soll der DAV selbst zuständig sein.
  • Für Notdienste sollen circa 40 Millionen Euro mehr gezahlt werden. Dazu soll der Betrag, der für jedes zu Lasten der Kassen verordnete Rx-Arzneimittel in den Nacht- und Notdienstfonds (NNF) fließt, von 16 auf 21 Cent erhöht werden. Demnach soll jeder Notdienst künftig mit rund 350 Euro vergütet werden.
  • Die BtM-Vergütung soll um 15 Millionen Euro erhöht werden. Konkret wird der Betrag im Einzelfall von 2,91 auf 4,26 Euro erhöht. Damit will das BMG dem „verhältnismäßig höheren Dokumentationsaufwand bei der Abgabe von BtM Rechnung“ tragen.

Der Botendienst der Apotheken soll vom Einzelfall zum regelhaften Angebot werden. „Dabei sind die Arzneimittel für jeden Empfänger getrennt zu verpacken und jeweils mit dessen Namen und Anschrift zu versehen“, so die Voraussetzung. Die Beratung im Botendienst ist auch ohne unmittelbaren persönlichen Kontakt – mittels Telekommunikation – möglich, die Apotheken sollen dieses Angebot explizit ausbauen können. Allerdings wird nach den Plänen des BMG künftig die Temperaturkontrolle bei besonders temperaturempfindlichen Arzneimitteln als verpflichtende Maßnahme bei der Auslieferung vorgeschrieben.

Arzneimittel-Abgabeautomaten ohne Anbindung an eine öffentliche Apotheke will Minister Spahn nicht. Neu in die Apothekenbetriebsordnung (ApBetrO) eingefügt werden soll folgender Passus: „Eine Bereitstellung und Abgabe von Arzneimitteln mittels automatisierter Ausgabestation ist unzulässig, soweit die Ausgabestation nicht unmittelbar mit den Apothekenbetriebsräumen verbunden ist und nicht ausschließlich der Abholung von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln dient, die zuvor bei der Apotheke bestellt wurden und zu denen eine Beratung bereits stattgefunden hat. Die Beratung kann auch im Wege der Telekommunikation aus der Apotheke erfolgen.“ Zur Begründung heißt es: „Automatische Ausgabestationen verwischen Grenze zwischen der Versorgung durch Präsenzapotheken und dem Versandhandel.“

Intensiv wurde im Vorfeld auch darüber diskutiert, ob Apothekern Aufgaben aus dem ärztlichen Bereich übertragen werden sollen. Das sieht der Entwurf jetzt vor. Zur Verbesserung der Impfquote können Krankenkassen nach den Plänen des BMG künftig mit Apothekern Verträge über Modellprojekte zur Durchführung von Grippeschutzimpfungen vereinbaren. Die Laufzeit der Projekte ist zunächst auf fünf Jahre begrenzt. Soweit das Berufsrecht der Apotheker dem nicht entgegensteht, können sie dann Impfung in der Apotheke durchführen. Die Sicherheit der Patienten soll durch ärztliche Schulungen der Impfenden sichergestellt werden.

Bei der Ausstellung von Folgerezepten hat das BMG einen Mittelweg eingeschlagen: Für chronisch Kranke soll es eine Art Dauerrezept geben. Auf diese Verordnungen können bis zu drei Mal ein Arzneimittel abgegeben werden. Die Regelung soll zur Entlastung der Praxen dienen. Ob allerdings die Voraussetzungen für diese Form der Verschreibung vorliegen, entscheidet der behandelnde Arzt.

Minister Spahn wird sein „Apothekenstärkungsgesetz“ jetzt ins Kabinett einbringen und einen womöglich angepassten Entwurf dann auf die parlamentarische Reise schicken. Das Gesetz tritt zwei Tage nach Verkündung in Kraft.

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