Am Ende doch gefasst

Polizei verpasst Rezeptfälscher um zehn Sekunden

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Berlin -

Aufmerksame Mitarbeiter der Hindenburg-Apotheke im schwäbischen Buchloe haben einen Rezeptfälscher enttarnt und unverzüglich die Polizei informiert. Die leistete erstklassige Arbeit – zuerst verpasste sie den Täter zwar um zehn Sekunden, dann aber jagte sie ihn gleich mit mehreren Streifenwagen.

Der Täter war in der Apotheke kein Unbekannter: „Es war ein junger Mann, der schon vor rund vier Wochen da war und Tilidin-Tabletten verlangte“, erzählt Apotheker Josef Krutel. Beim ersten Versuch war der Täter mit einem gefälschten, handschriftlich ausgestellten Rezept erfolgreich. „Bei handschriftlichen Rezepten schauen wir immer genauer hin. Es war keine ortsansässige Ärztin, aber wir haben anschließend recherchiert und es gibt sie tatsächlich.“ Allerdings war das Rezept nicht von ihr ausgestellt. „Wir haben den Vorfall damals der Polizei gemeldet, sie haben die Bilder der Überwachungskamera geprüft, aber den Täter nicht gefunden.“

Nun versuchte der Rezeptfälscher neuerlich sein Glück. Wieder wollte er Tilidin, wieder legte er ein handschriftlich ausgestelltes Rezept vor. Die Apothekenmitarbeiter erkannten ihn, ließen sich vorerst aber nichts anmerken. „Wir haben ihm gesagt, dass wir das Medikament hinten holen müssen“, sagt Krutel, „das Rezept haben wir sofort eingetütet und die Polizei informiert.“ Der Täter wurde unterdessen misstrauisch und türmte aus der Offizin.

„Die Polizei kam zehn Sekunden zu spät“, erzählt Krutel. Sofort wurde eine Großfahndung nach dem Mann eingeleitet, mehrere Streifen waren dabei im Einsatz. Einem aufmerksamen Polizisten ist es zu verdanken, dass der Täter kurz nach seiner Flucht festgenommen werden konnte: Er hatte vorher die Überwachungsvideos der Apotheke angesehen und anschließend den Rezeptfälscher – in Bauarbeiterkleidung – auf einer Baustelle wiedererkannt. Dort wurde er festgenommen.

In Sachen Rezeptfälschung rät der Apotheker zur Devise „Augen auf!“ Er sagt: „Wenn wir ein Rezept von einem uns nicht bekannten Arzt bekommen, dazu handschriftlich ausgestellt, ist immer gewisse Vorsicht geboten.“ Rezeptfälschungen sind inzwischen so nah am Original, dass sie nur schwer als Manipulation zu erkennen sind. Auch wenn bei bestimmten Arzneistoffen die Alarmglocken läuten, kann im Alltag eine Fälschung durchgehen. Erkennt das Rechenzentrum diese oder äußert einen Fälschungsverdacht, hat die Apotheke den schwarzen Peter und bleibt auf den Kosten sitzen. Eine Versicherung gibt es nicht.

Rezeptfälschungen sind kein Kavaliersdelikt, es handelt sich um Urkundenfälschung. Den Tätern droht laut Strafgesetzbuch (StGB) eine Freiheitsstrafe von bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe, in besonders schweren Fällen kann eine Haftstrafe bis zu zehn Jahren verhängt werden. Für Apotheker gilt bei der Rezeptbelieferung eine Prüfpflicht. Verordnungen müssen wie Banknoten im Rahmen der Sorgfaltspflicht geprüft werden.

Erkennt der Apotheker die Fälschung nicht oder hätte diese erkennen müssen, verliert er seien Vergütungsanspruch. Denn eigentlich hätte das Rezept nicht beliefert werden dürfen. Laut Arzneiliefervertrag Hessen § 3 Absatz 9 beispielsweise verlieren Apotheker den Anspruch auf Vergütung. „Die Krankenkassen sind nicht verpflichtet, Lieferungen aufgrund gefälschter Verordnungen zu bezahlen, wenn die Fälschung bei Wahrnehmung der erforderlichen Sorgfalt erkennbar war. Liegen Anhaltspunkte vor, die den Verdacht einer Fälschung begründen oder ergeben sich sonstige Bedenken, ist die Apotheke verpflichtet, das Mittel vorerst nicht abzugeben und den Arzt zu informieren.“ Allerdings werden die erforderliche Sorgfalt oder die Erkennbarkeiten nicht genauer definiert. Das es keine näheren Bestimmungen gibt, hat die Apotheke das Nachsehen, wenn die Kasse oder das Rechenzentrum den Verdacht einer Fälschung haben und die Verordnung mit dieser Begründung retaxieren. Im Zweifel hilft nur noch die Klage gegen die Retaxation.

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