Nutzenbewertung

Soolantra: Galderma blufft, G-BA will sehen

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Berlin -

Das Landessozialgericht Berlin-Brandenburg hat die Klage von Galderma gegen die Nutzenbewertung des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) zu Soolantra (Ivermectin) abgewiesen. Auch eine Revision wird nicht zugelassen. Der Hersteller wollte die Änderung der Anlage XII der Arzneimittelrichtlinie (AM-RL) zur Nutzenbewertung von Ivermectin unwirksam machen. Im vorliegenden Fall geht es um ein fehlendes Nutzendossier, die Frage ob Ivermectin ein neuer Wirkstoff ist und einen spürbaren Preisnachlass.

Der G-BA hatte in seinem Beschluss vom 27. November 2015 über einen Zusatznutzen von Soolantra entschieden. Das Arzneimittel ist zur topischen Behandlung von entzündlichen Läsionen der (papulopustulösen) Rosacea bei Erwachsenen indiziert. Der Wirkstoff besitzt einen dualen Wirkmechanismus und sowohl antientzündliche als auch antiparasitäre Eigenschaften. Laut G-BA ist ein Zusatznutzen gegenüber der zweckmäßigen Vergleichstherapie nicht belegt. Soolantra ist nicht nachweislich besser als die orale Gabe von Azelainsäure oder Doxycyclin beziehungsweise die topische Anwendung von Metronidazol. Der G-BA begründet seine Entscheidung mit dem fehlenden Nutzendossier. Dieses hatte der Hersteller nicht eingereicht.

In der mündlichen Anhörung erklärt Galderma das Problem. Die Nestlé-Tochter hatte Ivermectin nicht als neuen Wirkstoff im Sinne von § 35a Sozialgesetzbuch (SGB V) angesehen. Schließlich ist Ivermectin bereits seit 1999 in Frankreich und 2003 in den Niederlanden zur Scabies-Behandlung zugelassen. Das Arzneimittel Stromectol wurde auch nach Deutschland importiert. Im Mai 2015 wurde Galderma zur Einreichung eines Nutzendossiers aufgefordert, doch in der mündlichen Anhörung am 5. Oktober 2015 saß Galderma noch immer ohne Nutzendossier da. Denn der Konzern war nach wie vor von der Bekanntheit von Ivermectin überzeugt.

Der G-BA hatte den Hersteller im Mai 2015 noch einmal darauf hingewiesen, dass der Wirkstoff nach § 35a als neu einzustufen ist, weil dieser erstmalig in Deutschland zugelassen wurde. Galderma verwies in der mündlichen Anhörung auf § 2 Arzneimittelnutzenverordnung (AMNutzenV): Demnach ist ein Wirkstoff neu, wenn seine Wirkungen bei seiner erstmaligen Zulassung nicht allgemein bekannt sind. „Die Frage muss also vielmehr lauten: Wie kann ein Wirkstoff, wenn er doch jeden Tag in Deutschland verwendet wird, nicht bekannt sein? All das möchte ich vorweg erwähnen, damit nicht der Eindruck entsteht, wir hätten uns etwas ersparen wollen“, so Alexander Stolskij (damals Galderma, heute Gilead).

Galderma verwies in der Klage auf schwerwiegende irreparable wirtschaftliche Nachteile, weil man als Unternehmen gezwungen sei, aufgrund des nicht belegten Zusatznutzens in den Verhandlungen um den Erstattungspreis mit dem GKV-Spitzenverband Rabatte zu gewähren. Die Folgen sind weitreichend, gibt Galderma zu bedenken. Andere europäische Länder würden die für den deutschen Markt festgelegten Preise referenzieren, somit könne auch in anderen Ländern ein geringerer Preis erzielt werden. Aufgrund der „irreparablen Nachteile“ sei der Erlass eines sogenannten „Hängebeschlusses“ zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes unerlässlich. Ohne diesen Beschluss sei Galderma bis zum 25. Dezember 2015 gezwungen, über ein Opt-out – die Marktrücknahme – zu entscheiden. Der Senat hatte den Erlass einer Zwischenverfügung abgelehnt.

So kam es am 10. Mai 2016 doch zu einer Einigung nach § 130b SGB V zwischen Galderma und dem GKV-Spitzenverband im Erstattungspreis. Im Hauptsacheverfahren wollte Galderma klären, ob es sich bei Soolantra um Arzneimittel handele, dass überhaupt dem Nutzenbewertungsverfahren unterliege. Im Klartext gilt es die Frage zu klären, ob es sich bei Ivermectin um einen neuen Wirkstoff handele. Denn der G-BA sei ausschließlich befugt, den Nutzen erstattungsfähiger Arzneimittel mit neuen Wirkstoffen zu bewerten. Der Wirkstoff wurde jedoch 1999 bereits zugelassen, außerdem bestehe kein Unterlagenschutz mehr. Aufgrund der Nutzenbewertung des G-BA habe Galderma mit dem GKV-Spitzenverband um einen Erstattungspreis verhandeln müssen. „Ein gezieltes Nichtverhandeln hätte zu einem Schiedsverfahren geführt, dessen Ausgang weniger kalkulierbar gewesen wäre und erfahrungsgemäß zu höheren Preisabschlägen geführt hätte, als eine Verhandlung zwischen den Vertragspartnern“, ist im Urteil zu lesen.

Ein Wegfall der Erstattungsbetragsvereinbarung hätte zur Folge, dass Soolantra zum ursprünglich festgelegten Herstellerabgabepreis verordnungsfähig ist. Zudem könne Galderma etwaige Schadensersatzansprüche gegen den G-BA stellen, weil Soolantra rechtswidrig einer Nutzenbewertung unterzogen wurde. Das Gericht hat die Klage jedoch abgewiesen. Diese sei unzulässig, „weil es § 35a Absatz 8 SGB V ausdrücklich ausschließt, gegen einen Nutzenbewertungsbeschluss des Beklagten direkt vorzugehen“. Zudem handele es sich um ein erstattungsfähiges Arzneimittel mit einem neuen Wirkstoff. Der Hersteller hätte zudem freiwillig entschieden, kein Schiedsverfahren zu führen.

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