Mystery Shopper

Testkäufer: „Wurde schon aus Apotheken geschmissen“

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Berlin -

Ralph Beck ist Apotheker in geheimer Mission. Der Pharmazeut, der seinen richtigen Namen nicht veröffentlichen will, hat bereits in mehr als eintausend Apotheken die Beratungsqualität getestet. Er ist für die Apothekerkammer Westfalen-Lippe als falscher Kunde unterwegs.  

Als 2003 der damalige Kammerpräsident Hans-Günter Friese angesichts eines WDR-Apothekentests die Beratungsqualität prüfen ließ, war Apotheker Beck einer von drei ersten Testern. „Wir haben damals ohne Kriterien in Apotheken an der A14 nur nach einem Schmerzmittel gefragt“, erinnert er sich. Der Test sei „sehr frustrierend“ gewesen. „Von Beratung keine Spur.“

Pro Tag besucht Beck bis zu 18 Apotheken – je nach Entfernung. Bevor die Bundesapothekerkammer (BAK) ein Szenario festgelegt hat, seien eigene Kriterien genutzt worden. Jetzt greife das immer gleiche standardisierte Konzept. Als falscher Kunde beginnt er mit einer gezielten Produktanfrage oder einer Symptombeschreibung. Dann muss das Apothekenpersonal aktiv werden.

Der Test endet erst, wenn Beck ein Produkt gekauft und die Apotheke verlassen hat. „Bevor ich bezahle, frage ich unter Umständen noch einmal, ob ich irgendetwas beachten muss.“ Dieser „Rettungsanker“ werde jedoch nur selten genutzt. „Wer beraten will, macht es ohnehin vorher.“ Nachdem er draußen den Bewertungsbogen ausgefüllt hat, betritt er die Offizin wieder, gibt sich zu erkennen und fragt für die anstehende Auswertung nach dem Inhaber. Bisher sei er nur sehr selten vorab als Testkäufer erkannt worden.

Manchmal seien vier bis fünf Mitarbeiter bei dem Gespräch dabei. „Da muss man schon aufpassen, dass man den Getesteten nicht blöd dastehen lässt“, so Beck. Fällt das Urteil schlecht aus, würden Angestellte ihre mangelhafte Beratung mitunter abstreiten, hin und wieder fließen sogar Tränen. „Manchmal bleibt mir nichts anderes übrig, als denjenigen dann in den Arm zu nehmen“, sagt der Apotheker.

Die Reaktion des Chefs ist nicht immer positiv: Beck wurde nach eigenen Angaben bereits der Offizin verwiesen. „Ich wurde schon aus Apotheken geschmissen und mir wurde mit dem Hausrecht gedroht“, sagt er. In diesen Situationen versuche er, ruhig zu bleiben und sein Gegenüber wieder einzufangen: „Die getestete Apotheke und die Kammer haben nichts davon, wenn kein Fachprüfergespräch stattfindet.“ Einer seiner 18 Fachprüf-Kollegen sei einmal sogar „körperlich rausgedrängt“ worden. Die Rückmeldungen seien zu 90 Prozent positiv. „Man wird nicht mehr als Kontrollinstanz gesehen.“

Beck bewertet die Beratung im besten Fall als „umfassend“. Dafür müsse beispielsweise immer nach einer Begleitmedikation und Vorerkrankungen gefragt werden. Zudem müsse auf die Grenzen der Selbstmedikation verwiesen werden. Zweiter Rang: Eine „angemessene“ Beratung sei gerade noch ausreichend. Wer vom Kunden etwa keine Begleitumstände und Ursachen wissen will und die Eigendiagnose nicht hinterfragt, erhält das Urteil „verbesserungsfähig“. Schulnoten werden in Westfalen-Lippe nicht vergeben. Das sei unsinnig, so Beck. Vielleicht habe der Kollege zuvor bei drei Kunden sehr gut beraten.

Für den Tester ist das anschließende Gespräch besonders wichtig. „Wenn die Auswertung nicht unmittelbar nach dem Besuch wäre, würde ich es nicht machen“, sagt Beck. Die Aussprache mit den Apothekenmitarbeitern bereite im Freude. „Meine Verbesserungsvorschläge werden größtenteils angenommen.“ Zudem lerne er selbst aus den Besuchen in anderen Apotheken. In Kommunikationsstrategien sei er für seinen „Nebenjob“ nicht geschult worden. Wichtig sei, sich selbst nicht in den Vordergrund zu drängen und nicht oberlehrerhaft zu wirken.

Die Beratung habe sich in den vergangenen Jahren insgesamt deutlich verbessert, so Beck. „Zu Beginn kam es vor, dass lediglich nach dem Produkt gegriffen und das Geld verlangt wurde, obwohl drei Approbierte ohne Kunden in der Apotheke standen.“ Solche Situationen gebe es heute nicht mehr. „Die Lücken werden deutlich weniger.“ Ein gutes Beratungsgespräch sei auch eine Frage der Struktur und könne je nach Fall auch in zwei Minuten erledigt sein.

Nachteile sieht Beck etwa bei banalen Beschwerden, die ungefährlicher in der Indikation sind. Apothekenangestellte neigten dann dazu, den Kunden zu schnell abzuarbeiten. Auch beim Nachwuchs gibt es Verbesserungsbedarf: Ein Pharmaziepraktikant habe ihm einmal fünf verschiedene Produkte vorgelegt und war hochmotiviert. Leider habe er nicht konkret gefragt, wo das Problem liegt. „Apothekenmitarbeiter müssen aufpassen, dass sie Kunden nicht vorschnell in eine Schublade stecken“, rät Beck. PTA und Apotheker sollten erst einmal stehen bleiben und zuhören, bevor sie Produkte ins Spiel brächten.

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