Insolvenzverwalter sucht Vermögenswerte

Pfusch-Apotheker: Gläubiger fordern 92 Millionen Euro

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Berlin -

Die Gläubiger des wegen Betrugs und zehntausendfachen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz verurteilten Apothekers Peter Stadtmann werden vermutlich auf den Großteil ihres Geldes verzichten müssen: Den Forderungen von 92 Millionen Euro stehen bislang nur Vermögenswerte von rund 2 Millionen Euro gegenüber. Einer Anwältin von Opfern und Hinterbliebenen zufolge könnte sich die Summe jedoch noch erhöhen – doch Stadtmann scheint zu mauern.

„Der Insolvenzverwalter sagt, dass er so einen Fall auch noch nicht gesehen hat“, sagt Rechtsanwältin Sabrina Diehl aus Herne. Diehl vertritt 23 der 30 Betroffenen, darunter Opfer und Hinterbliebene. Auch 50 Krankenkassen haben bisher Forderungen angemeldet. Gestern hatte die Gläubigerversammlung Klaus Siemon in seinem Amt bestätigt. Dem Düsseldorfer Insolvenzverwalter zufolge belaufen sich die gesamten Vermögenswerte auf rund 20 Millionen Euro, von denen aber rund 18 Millionen mit Sicherungsrechten belastet sind, die beispielsweise vom Landgericht Essen verhängt worden.

Bisher handele sich es aber noch „um grob geschätzte Zahlen“, so Diehl. Sie gehe davon aus, dass sich die verfügbare Summe noch erhöhen wird. „Da ist noch Musik drin“, sagt sie. „Siemon wird da sicherlich noch Vermögenswerte finden, beispielsweise bei den Bildern und bei der Prüfung der Rückübertragungen von Stadtmann an seine Mutter.“ Zuletzt habe Stadtmann fast 6 Millionen Euro Umsatz im Jahr gemacht, sie denke deshalb, dass es da mit Sicherheit noch etwas zu holen gibt. Auch Siemon gehe davon aus, „dass das noch nicht das Ende der Fahnenstange ist“. Er habe sich bereits an Schweizer Banken gewandt, um herauszufinden, ob Stadtmann dort noch Konten hat.

Allerdings ist wohl von Stadtmann keinerlei Unterstützung zu erwarten. Siemon sei kürzlich selbst bei ihm im Gefängnis gewesen und mit schlechten Nachrichten zurückgekommen. „Er hat den Eindruck, da herrscht keinerlei Einsicht und dass er bei der Aufstellung der Vermögenswerte nicht nur nicht mitwirkt, sondern sogar aktiv versucht, Siemon Steine in den Weg zu legen.“ Was aus den Forderungen wird, ist also noch vollkommen offen. Diehl sagt, sie hoffe auf eine außergerichtliche Einigung und wenn die nicht zustande komme, müsse ein Gericht entscheiden. Sie sei aber zuversichtlich, mit Siemon einen guten Kompromiss finden zu können: „Ich habe das Gefühl, der Kollege geht da mit gutem Augenmaß ran.“

Die Eröffnung des Insolvenzverfahrens hatte den ersten Termin des Schmerzensgeldprozesses gegen ihn platzen lassen. Eine ehemalige Krebspatientin, die Zytostatika aus der damals von ihm betriebenen Alten Apotheke in Bottrop bezogen hatte, hatte Stadtmann auf 15.000 Euro Schmerzensgeld verklagt. Das Verfahren hätte am 21. Juni beginnen sollen. Auch fünf weitere Schmerzensgeldverfahren werden durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens unterbrochen. Die Betroffenen müssen ihre Forderungen nun beim Insolvenzverwalter anmelden, der dann prüft, ob sie berechtigt sind.

„Die Gläubiger werden aufgefordert, dem Insolvenzverwalter unverzüglich mitzuteilen, welche Sicherungsrechte sie an beweglichen Sachen oder an Rechten des Schuldners in Anspruch nehmen“, teilte das Amtsgericht Essen mit. „Wer Verpflichtungen gegenüber dem Schuldner hat, wird aufgefordert, nicht mehr an diesen zu leisten, sondern nur noch an den Insolvenzverwalter.“ Insgesamt gab es laut Insolvenzverwalter Siemon 133 Anmeldungen.

Stadtmann war vergangenen Sommer vom Essener Landgericht in einem der größten Medizinskandale der Nachkriegszeit verurteilt worden, weil er über einen Zeitraum von mindestens fünf Jahren Zytostatika zu niedrig dosiert haben soll, um sich, wie es in der Urteilsbegründung heißt, „selbst ein Luxusleben zu finanzieren und sich in seiner Heimatstadt als Gönner und Wohltäter aufzuspielen“. Verurteilt wurde er zu zwölf Jahren Haft wegen Betrugs in 59 Fällen und vorsätzlichen Verstoßes gegen das Arzneimittelgesetz (AMG) in rund 14.500 Fällen. Außerdem erhielt er ein lebenslanges Berufsverbot. Der Fall geht jetzt zum Bundesgerichtshof (BGH), nachdem Revision eingelegt wurde.

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