Mediaagenturen

MWO: Biebl übernimmt von Kern

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Berlin -

Ob TV, Print oder Online: Wer in Deutschland Werbung schaltet, setzt häufig auf Mediaagenturen. Weil im Pharmabereich spezielle Regeln gelten, wagen sich nur wenige Dienstleister ins Feld. Beim Platzhirsch MW Office aus Ismaning steht jetzt ein Generationswechsel an: Der langjährige Geschäftsführer Werner Kern räumt seinen Schreibtisch – und macht Platz für eine Kollegin, die frischen Wind mitbringen soll.

MW Office war 1971 durch den Werbekaufmann Gunter Schulz gegründet worden, 1991 kam Kern an Bord. Schulz hatte den damaligen Marketingchef von Medice abgeworben und zum Kompagnon gemacht, um das Wachstum der Agentur voranzutreiben. 1997 verkaufte Schulz seine Anteile an die britische Großagentur Aegis, die seit März 2013 zum japanischen Werbekonzern Dentsu gehört. 2003 schied er aus der Geschäftsführung aus.

Irgendwann im kommenden Jahr wird auch Kern seinen Posten abgeben – und sich auch als Gesellschafter zurückziehen. Schon vor 18 Jahren hatte sich Aegis eine Option für die 25 Prozent gesichert, die Kern und seiner Familie gehören. Danach will der 62-Jährige dem Unternehmen noch einige Jahre als Berater zur Verfügung stehen.

Ab Januar will Kern seine Nachfolgerin einarbeiten. Andrea Biebl hatte als Marketingleiterin für Sixt arbeitet, bevor sie vor 15 Jahren zu Aegis kam. Seit 2007 ist sie in der Geschäftsführung der MWO-Schwester Vizeum, die neben Kunden aus anderen Branchen auch die OTC-Sparte von Merck betreut. Bereits Ende Oktober hatte Vizeum-Chefin Katja Anette Brandt mit Karin Libowitzky eine weitere Geschäftsführerin ernannt.

Bei MWO teilen sich Kern und Biebl vorerst die Aufgaben: Er will sich um das bestehende Geschäft und sein bisheriges Netzwerk kümmern, sie soll die – zunehmend auf internationaler Ebene vergebenen – OTC-Etats an Land ziehen und das digitale Geschäft aufbauen. Hier hatte sich MWO zwar vor einem Jahr mit Ihno Fokken Verstärkung geholt. Doch bislang hat der ehemalige Online-Vertriebschef von Springer keinen großen Eindruck hinterlassen.

Kern räumt zwar ein, dass Biebl neue Impulse mitbringen soll. Er findet aber nicht, dass MWO den digitalen Wandel bislang verschlafen hat: „Wir sind in diesem Bereich nicht rückständig, sondern als Vorreiter viel weiter als andere Agenturen.“ Er sieht aber auch die Medien in der Pflicht, online eine höhere Reichweite zu entwickeln. „Alleine können es die Agenturen nicht schaffen.“

Dass auch in Sachen POS-Marketing die schon vor Jahren gesetzten Ziele nicht erreicht wurden, hat laut Kern mit den Strukturen auf der Herstellerseite zu tun: Während die Agenturen mit den Marketingverantwortlichen und Einkäufern sprächen, sei für die Präsenz in der Apotheke der Vertrieb zuständig. Diesen Bereich will Kern ab Januar zu seinem ganz persönlichen Schwerpunkt machen.

MWO muss aber nicht nur den Rückstand zu Konkurrenten wie Wefra aus Neu-Isenburg oder den Jägern von Röckersbühl in Sachen Digital- und POS-Kampagnen aufholen. Ein ehemaliger Mitarbeiter berichtet, dass seit Jahren Personalwechsel und Umstrukturierungen die Handlungsfähigkeit zusätzlich einschränken. Auch die in der Branche geführte Debatte über intransparente Vergütungsmodelle der Agenturen zulasten der Kunden sei an MWO nicht spurlos vorübergegangen.

MWO ist im Pharmabereich mit weitem Abstand die Nummer 1 unter den Mediaagenturen. Bei Fachverlagen und im Bereich der Rx-Werbung hat die Agentur einen Marktanteil von mehr als 70 Prozent. Auch OTC-Etats werden in München betreut, hier steht MWO jedoch in Konkurrenz zu anderen Agenturen, sodass der Marktanteil bei unter 10 Prozent liegt. Betrachtet man nur den Fachbereich, hat MWO auch hier die Nase mit Abstand vorn.

Rund 150 Millionen Euro werden pro Jahr von MWO aus den Kassen der Hersteller an Verlage und TV-Sender verteilt. 90 Prozent entfallen auf die seit Jahren bekannten Medialeistungen: klassische Anzeigen, die durch Sonderproduktionen und Nachdrucke ergänzt werden. Der Rest verteilt sich auf Anzeigen in der Arzt-EDV und PR. Die Möglichkeiten für Werbung in der Praxissoftware sind wegen der gesetzlichen Vorgaben zuletzt allerdings schwieriger geworden.

Auch in Zukunft soll MWO als Pharmazentrale der Gruppe in München bleiben. Mit 80 Mitarbeitern und Erlösen von rund 10 Millionen Euro gehört der Bereich zu den kleineren Sparten innerhalb der Gruppe. Zu Dentsu Aegis gehören neben MWO und Vizeum auch Carat, Dentsu, iProspect, Isobar, mcgarrybowen und Posterscope. Die Deutschlandzentrale befindet sich in Wiesbaden, weitere Standorte gibt es unter anderem in Hamburg, Düsseldorf und Augsburg. Insgesamt arbeiten hierzulande mehr als 1000 Angestellte für die Gruppe.

Dentsu Aegis hatte in den vergangenen Jahren mehrfach mit Negativschlagzeilen zu kämpfen. Im Sommer 2005 wurde der langjährige Deutschlandchef Alexander Ruzicka per anonymer Strafanzeige aus dem Firmenumfeld kalt gestellt und vier Jahre später vom Landgericht Wiesbaden wegen Veruntreuung von Millionenbeträgen zu elf Jahren Haft verurteilt.

Sein Nachfolger Andreas Bölte, der als ehemaliger Finanzchef maßgeblich an dem Prozess gegen Ruzicka beteiligt war, wurde im vergangenen Jahr überraschend vor die Tür gesetzt – wegen der angeblichen privaten Nutzung von Dienstwagen, Diensthandy und Dienstpersonal. Bölte klagte, im August einigte sich das Unternehmen mit seinem ehemaligen Chef per Vergleich.

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