BMG-Datenaffäre

Wie gegenständlich ist das Nichts?

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Berlin -

Im Verfahren um den mutmaßlichen Datendiebstahl aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) ging es heute erneut um die für die Verteidigung zentrale Frage, was den Angeklagten eigentlich genau zur Last gelegt wird. Doch die Staatsanwaltschaft hält es nicht für nötig, konkrete E-Mails oder sonstige Daten zu benennen, um am Tatvorwurf des Ausspähens festzuhalten.

Der Angeklagte H., ein ehemaliger IT-Mitarbeiter des BMG, soll nicht für die Öffentlichkeit bestimmte Dokumente kopiert und dann an den damaligen ABDA-Sprecher und heutigen Herausgeber von APOTHEKE ADHOC verkauft haben. Allerdings haben die Ermittler des Landeskriminalamtes weder geheime Dokumente bei Bellartz gefunden, noch ist eine Übergabe von Daten irgendwie dokumentiert – trotz Beschattung von H.

Dessen Verteidigerin Diana Nadeborn will erneut einen IT-Fachmann aus dem BMG als Zeugen laden. Es geht unter anderem um das Programm Hexamail, das auf H.'s Computer installiert war und laut den Ermittlern zum Datendiebstahl benutzt worden sein soll. Nadeborn zufolge hatte H. nur eine Testversion installiert und war kein registrierter Nutzer von Hexamail. Das Programm sei daher „gänzlich ungeeignet“ für die im Tatvorwurf genannten Handlungen. Das spielt dem Staatsanwalt zufolge aber keine Rolle, da das Programm nur eine Möglichkeit sei, die Daten zu stehlen.

Genau darum geht es aber der Verteidigung: Was soll auf welche Art gestohlen worden sein, wann an wen übergeben und wie später verwertet? Laut § 42 Abs. 2 Nr. 1 BDSG in der neuen Fassung seit Ende Mai macht sich strafbar, „wer personenbezogene Daten, die nicht allgemein zugänglich sind, ohne hierzu berechtigt zu sein, verarbeitet […] und hierbei gegen Entgelt oder in der Absicht handelt, sich oder einen anderen zu bereichern oder einen anderen zu schädigen“. Die Verarbeitung war früher definiert als „Speichern, Verändern, Übermitteln, Sperren und Löschen personenbezogener Daten.“

Bellartz’ Anwalt Professor Dr. Carsten Wegner und sein Kollege Dr. Lenard Wengenroth wollen jetzt vom Gericht wissen, um welche personenbezogenen Daten in Form von E-Mails es im Verfahren gehen soll. Denn der leitende Ermittler des Landeskriminalamtes (LKA) habe dies für keinen der 40 angeklagten Fälle tun können. Auch auf den bei Bellartz sichergestellten Datenträgern seien eben keine E-Mails aus dem BMG gefunden worden.

Die Verteidigung fragt sich, welche Vorwürfe gegen Bellartz dann noch im Raum stehen sollen. Denn aus den Ermittlungsakten gehe selbst hervor, dass es keine Hinweise auf eine Person bei der ABDA gebe, welche die vermeintlich gestohlenen Daten ausgewertet haben soll. Es gebe auch keine Hinweise, dass Bellartz seinerseits irgendwelche Daten verkauft und sich damit im strafrechtlichen Sinne bereichert habe. Die Ermittler haben laut Verteidigung auch kein einziges Treffen zwischen Bellartz und dem angeklagten IT-Administrator des BMG dokumentiert – und dass, obwohl dieser über drei Monate observiert wurde.

Die Verteidigung äußerte erneut den Verdacht, dass auf Seiten der Ermittler bewusst Daten gelöscht und Akten unvollständig geführt seien. Denn es sei wenig glaubhaft, dass der Cybercrimeberater des LKA das eigene Backupsystem nicht gekannt habe, wodurch erneut Daten aus den Ermittlungsakten unwiederbringlich gelöscht wurden.

Explizit aus den Akten gehalten wurde etwa das parallele Ermittlungsverfahren gegen die ABDA, das aber ergebnislos eingestellt wurde. Trotzdem werde in der Anklage suggeriert, dass die vermeintlich gestohlenen Daten dort ausgewertet worden seien. Die Staatsanwaltschaft habe auch gegenüber der Presse von einem beschuldigten Apothekenlobbyisten gesprochen.

Staatsanwalt Dr. Holger Brocke monierte die „gewohnt unseriösen Verzerrungen, fast schon Verschwörungstheorien“ Wegners. Auf den Einwand beider Verteidiger, man streite hier seit Wochen über ein „gegenständliches Nichts“, verwies er nur auf § 25 Strafgesetzbuch (StGB), das die Täterschaft regelt: „Als Täter wird bestraft, wer die Straftat selbst oder durch einen anderen begeht. Begehen mehrere die Straftat gemeinschaftlich, so wird jeder als Täter bestraft (Mittäter)“, heißt es dort. Die Verteidigung habe keinen Anspruch, vor einem etwaigen Urteilsspruch zu erfahren, wie das Gericht die Beweislage würdigt.

Die Verteidigung beantragte zudem, den eigentlichen Sitzungsvertreter der Staatsanwaltschaft Roland Hennicke zu befragen, Brocke ist nur dessen Urlaubsvertretung. In einem möglichen Revisionsverfahren vor dem Bundesgerichtshof (BGH) sei Wegner zufolge so zu belegen, dass die Hauptverhandlung vor dem Landgericht „aufgrund zahlreicher Herrn Staatsanwalt Hennicke unbekannter Umstände“ nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei.

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