Pflichtmitgliedschaft

Pfleger wollen Kammergesetz kippen

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Berlin -

In Hannover verhandelt das Verwaltungsgericht am Mittwoch drei Verfahren aus dem Kammerrecht, die bundesweite Bedeutung erlangen könnten. Die Kläger sehen ihre Pflicht zur Mitgliedschaft in der Kammer als verfassungswidrig an. Würde ihnen das Gericht Recht geben, könnte die Kammermitgliedschaft auch in anderen Branchen infrage gestellt werden.

Die Pflegekammer Niedersachsen gibt es seit noch nicht einmal zwei Jahren: Sie wurde Anfang 2017 errichtet, kurz nach Inkrafttreten des Kammergesetzes über die Heilberufe in der Pflege (PflegeKG). Seitdem ist in Niedersachsen jeder zur Mitgliedschaft in der Kammer verpflichtet, der die Erlaubnis hat, die Berufsbezeichnung Altenpfleger, Gesundheits- und Krankenpfleger sowie Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger zu führen und diesen Beruf in Niedersachsen ausübt.

Drei Unternehmen wollen sich damit nicht abfinden. Im ersten Verfahren will die Geschäftsführerin eines Seniorenpflegeheimes in der Region Hannover die Feststellung erwirken, dass sie kein Kammermitglied ist. Sie ist ausgebildete Krankenschwester und übt in dem von ihr geführten Pflegeheim zugleich die Funktion einer stellvertretenden Pflegedienstleiterin aus.

Ihr Argument dafür, dass Pflegekammergesetz verfassungswidrig ist: Es verletze ihre Handlungsfreiheit, die sich aus Artikel 2, Absatz 1 des Grundgesetzes ergibt. Darin heißt es wörtlich: „Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.“ An der Pflegekammer lässt sie erwartungsgemäß kein gutes Haar: Sie erfülle weder legitime öffentliche Aufgaben noch sei mit deren Errichtung der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit gewahrt.

Kläger im zweiten Verfahren ist ein international tätiges Unternehmen zur Herstellung und zum Vertrieb von Medizinprodukten mit Sitz in Rheinland-Pfalz. Es beschäftigt mehrere Außendienstmitarbeiter, die eine Pflegerausbildung haben und deshalb entsprechend des Pflegekammergesetzes zur Kammermitgliedschaft verpflichtet sind. Ein vorläufiges Organ der Pflegekammer hatte dem Unternehmen deshalb einen Aufforderungsbescheid zugeschickt: Es solle der Kammer seine Mitarbeiter mitteilen, die nach dem Pflegekammergesetz die Erlaubnis haben, die Berufsbezeichnung als Pfleger zu führen. Gegen diesen Bescheid wehrt sich das Unternehmen nun vor Gericht.

Im dritten Fall klagt eine Fallmanagerin eines niedersächsischen Krankenhauses. Sie ist zur Kammermitgliedschaft verpflichtet, weil sie ebenfalls eine Ausbildung als Gesundheits- und Krankenpflegerin hat. Das will sie nicht akzeptieren: Sie übe keinen Pflegeberuf aus, sondern leiste reine Verwaltungsarbeit. Deshalb sehe sie nicht ein, warum sie Kammermitglied sein muss. Die siebte Kammer des Verwaltungsgericht widmet sich den Fällen morgen ab 9 Uhr.

Auch für Apotheker und Ärzte dürften die Fälle von Interesse sein, schließlich kommt aus den beiden Berufsständen ebenfalls regelmäßig Widerstand gegen die Kammerpflicht. Für Apotheker gilt die grundsätzlich sogar doppelt: für ihre Berufskammer sowie die Industrie- und Handelskammer. Erst im August dieses Jahres hatte das Bundesverwaltungsgericht im Fall einer Tierärztin entschieden, die sich dagegen wehren wollte, dass sie aufgrund ihrer Tätigkeit sowohl in der Bayerischen als auch in der Thüringischen Tierärztekammer Mitglied sein muss, unterlag jedoch vor Gericht.

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