Afrika

Burundi: Vom Straßenkid zur PTA

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Berlin -

Ausbildung als Mittel gegen Hoffnungslosigkeit: Burundi wurde in langen Jahren vom Bürgerkrieg gebeutelt, Wirtschaft und Gesundheitssystem liegen am Boden. Gemeinsam mit der gebürtigen Deutschen Verena Stamm hat der Verein Burundikids vor Ort eine qualifizierte Ausbildung für PTA geschaffen.

Ein romantischer Zufall ließ Verena Stamm alle Zelte abbrechen: Die Krankenschwester aus Wiesbaden lernte einen Chemiestudenten aus Burundi kennen und lieben. Und folgte ihm 1972 in seine Heimat. Dort freilich durchlebte sie seitdem turbulente Zeiten.

Im politisch instabilen Land gab es immer wieder bewaffnete Konflikte zwischen den Bevölkerungsgruppen der Hutu und der Tutsi. Im Jahr 1993 wurde der den Hutu angehörige Präsident Melchior Ndadaye ermordet. Als Folge kam es zu zahlreichen Massakern an Tutsi. Nach Schätzungen kamen dabei bis 200.000 Menschen ums Leben. Die vom United States Institute of Peace eingerichtete internationale Untersuchungskommission sprach vom Genozid. Im Nachbarland Ruanda kamen 1994 in beinahe 100 Tagen mindestens 500.000 Menschen ums Leben, auch hier überwiegend Tutsi.

Über zehn Jahre dauerte der Bürgerkrieg im ostafrikanischen Land. Die politische Situation ist auch heute noch fragil. Die Wirtschaft liegt am Boden, die Infrastruktur ist weitgehend zerstört. 59 Prozent der Bevölkerung lebt unter der Armutsgrenze. Auf dem aktuellen „Welthunger-Index“ liegt Burundi an erster Stelle. Anders als Ruanda erhält das Land kaum internationale Hilfe, obwohl die Folgen von Gewalt, Flucht und Vertreibung auch hier täglich spürbar sind. Armutsbedingte Krankheiten wie Tuberkulose oder in zunehmenden Maße auch HIV und Aids grassieren.

Verena Stamm beschloss, das Heft in die Hand zu nehmen. Im August 1999 gründete sie die Fondation Stamm. Auf ihre Initiative entstanden die ersten beiden Heime für 50 Straßen- und Waisenkinder. Heute betreut die Stiftung zehn Projekte im ganzen Land. Durch einen Zufall wurde Martina Wziontek auf ihre Arbeit aufmerksam. Die Kölnerin begleitete 2002 die Fotografin Ursula Meissner auf eine Fotoreportage über Kindersoldaten, Kriegs- und Aidswaisen. Beeindruckt von Stamms Engagement beschloss Wziontek, dem ostafrikanischen Staat von Deutschland aus unter die Arme zu greifen. Ein Jahr später gründete sie Burundikids.

Der gemeinnützige Verein entwickelt seitdem im engen Schulterschluss mit der Fondation Stamm weitere Projekte. Finanziert werden sie aus Spenden und Eigenmitteln, aber auch mit öffentlichen Mitteln etwa von Stiftungen oder dem Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung.

Für die Kommunikation des Vereins ist Philipp Ziser zuständig. Im Auftrag von Burundikids arbeitete er selbst von 2006 bis 2015 als Freiwilliger im 11-Millionen-Einwohner-Staat. „Ursprünglich plante ich meinen Aufenthalt nur für ein Jahr. Ich sah das Elend vor Ort, erlebte aber auch sehr viel positives“, erzählt er. „Ich hab gesehen, was ich als Einzelperson dazu beitragen kann, damit es anderen besser geht. Weil ich es grob fahrlässig gefunden hätte, das nicht zu tun, bin ich geblieben.“

Schon kurz nach seiner Gründung machte sich Burundikids an die Planung und den Bau der Ecole Polyvalente Carolus Magnus (EPCM). Sie liegt etwa 15 Kilometer nördlich von der Hauptstadt Bujumbura entfernt. „Das Bildungssystem in Burundi ist generell sehr schwach, es gibt viel zu wenig Lehrer“, sagt Ziser. Gerade die Hälfte der Kinder schließe die Grundschule ab. Die EPCM nahm 2006 ihren Schulbetrieb auf. Nach Angaben des Trägers besuchen derzeit 900 Schüler den Unterricht, sie müssen dafür zu einem großen Teil weite Wege zurücklegen.

Die Lehranstalt vereint Kindergarten, Grundschule und ein lokales Äquivalent der gymnasialen Oberstufe. Auch Berufsabschlüsse lassen sich hier erwerben. Burundikids finanziert den laufenden Betrieb, das Lehrmaterial und das Gehalt der Lehrkräfte und des sonstigen Personals.

„Die EPCM ist bis heute die einzige Schule, die eine PTA-Ausbildung anbieten kann“, so Ziser. „Es gibt Apotheken im Land, aber aufgrund des langen Bürgerkriegs ist an eine geordnete Arbeit kaum zu denken. Pharmazie kann man in Burundi nicht studieren. Die Betriebe werden häufig von nicht qualifiziertem Personal geführt.“

Für die angehenden PTA wurde ein eigenes Gebäude samt Labor eingerichtet. Auf Basis des deutschen Lehrplans entwickelte der Verein gemeinsam mit dem Gesundheitsministerium von Burundi eine Ausbildungsordnung. Dabei wurden die Gegebenheiten vor Ort berücksichtigt.

Anders als in Deutschland dauert die Ausbildung hier vier statt drei Jahre. „Der Abschluss ist einem Fachabitur vergleichbar“, erläutert Ziser. „Die Auszubildenden erhalten Zugang zu weitergehenden Inhalten wie etwa zu Standards in der Medikamentenherstellung. Dazu absolvieren sie sehr viele Praktika. Ihr Abschluss eröffnet ihnen auch die Hochschulreife.“

Die erste PTA-Klasse ging 2008 an den Start. Jedes Jahr folgt eine neue. „Wir nehmen maximal 40 Jugendliche pro Klasse auf“, so Ziser. Viele der Schüler hätten zuvor auf der Straße gelebt. Einer Benachteiligung von Frauen und Mädchen werde von vornherein ein Riegel vorgeschoben. „Wir fördern Mädchen besonders, etwa durch Stipendien. Und wir achten darauf, dass die Ausbildungsplätze paritätisch nach Geschlechtern vergeben werden.“

Eine Garantie, dass die gleichmäßige Verteilung bis zum Ende so bleibt, sei das freilich nicht. „Die Ausbildung ist sehr fordernd. Etwa 40 Prozent der Teilnehmer schaffen das erste Jahr nicht. Wer dann noch dabei ist, hält bis zum Ende der vier Jahre durch.“

Die Lehrkräfte seien sehr erfahren, betont Ziser. „Manche haben in Burundi studiert, als das noch möglich war. Andere mussten ins europäische, asiatische oder afrikanische Ausland, zum Beispiel nach Indien, Kenia oder Mosambik ausweichen.“

Seit 2012 sind mehr als 150 fertig ausgebildete PTA auf den Arbeitsmarkt gelangt. Arbeitslos sei kein Absolvent geblieben, berichtet Ziser. „Wer von den Jugendlichen eine Stelle gesucht hat, hat auch eine bekommen.“ Auch wenn es schwer sei, einen Erfolg zu messen, habe der Apothekerverband schon eines gemeldet: „Die neuen qualifizierten PTA haben definitiv schon für mehr Qualität im Gesundheitswesen gesorgt.“

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