Kommentar

Vorzugskunden: Versender zeigen wahres Gesicht

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Berlin -

Der Versandhandel gehört zur Versorgung, findet Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). In Wirklichkeit gefährdet der Versandhandel die Versorgung – nicht nur weil er Apotheken die finanzielle Grundlage entzieht, sondern weil er nach Spielregeln funktioniert, die jeglichem heilberuflichen Anspruch diametral entgegen stehen. Oder würde Spahn es auch Apotheken erlauben, eine VIP-Kasse für Besserverdiener einzurichten?

Selbst die größten Befürworter von Versandapotheken würden nicht auf die verwegene Idee verfallen, Patienten in dringenden Fällen auf ihr Päckchen warten zu lassen. Eine „Ergänzung“ wird das zarte Pflänzchen liebevoll genannt, das freilich – wie bei Rosen üblich – trotz seines lieblichen Aussehens mit allerlei Dornen gespickt ist.

Wohin die Reise aber gehen könnte, zeigt aktuell der Fall Aponeo. Beim Berliner Versender können Kunden unter verschiedenen Lieferoptionen wählen: Der Standardversand mit DHL kostet 3,95 Euro, die Expressvariante mit Lieferung am nächsten Morgen kann für 14,95 Euro gebucht werden. Die Abendzustellung innerhalb eines Zeitfensters von zwei Stunden macht 6,95 Euro. Für denselben Preis gibt es innerhalb von Berlin sogar eine Same-Day-Delivery.

Nun könnte man argumentieren, dass unterschiedliche Versandkosten in einem logistikgetriebenen Gewerbe dazu gehören. Amazons Prime Now ist erst der Anfang. Und man kann ein Stückweit sogar verstehen, dass der Aufwand einen höheren Preis rechtfertigt. Genau das ist ja das Alleinstellungsmerkmal der Apotheke um die Ecke, dass man seine Medikamente in der Regel auch ohne den Versandkostenkalkulator zu bemühen sofort mitnehmen kann.

Doch im Fall von Aponeo zeigt der Versandhandel sein wahres Gesicht. Neuerdings wird nämlich die schnelle Bearbeitung von Bestellungen extra abgerechnet. Wer einen Tag weniger auf sein Päckchen warten will, kann eine sogenannte Order-Priority dazu buchen: 1,99 Euro kostet die „bevorzugte Bestellabwicklung“, derzeit liegt der Angebotspreis bei 99 Cent.

Die Idee könnte den Verantwortlichen bei Aponeo am Flughafen gekommen sein. Hier gibt es nicht nur Business und Economy, sondern auch Fast Lanes und Priority Boarding. Wer das nötige Kleingeld hat, muss an der Sicherheitskontrolle nicht warten, darf vor allen anderen einsteigen und bekommt an Bord mit großer Geste ein kleines Brötchen dazu. Reiseklassen lautet der Fachbegriff hier. Zwei-Klassen-Medizin wäre das Pendant à la Aponeo.

Im Einzelhandel ist noch niemand auf die Idee verfallen, zwei Kassen einzurichten, von denen eine für Kunden mit größerer Zahlungsbereitschaft reserviert hat. Auch wettbewerbsrechtlich wäre ein plötzlicher Aufschlag für die sofortige Mitnahme der gewünschten Ware wohl nicht durchzusetzen. In der Apotheke kommt die (Selbst-)Verpflichtung dazu, die gesundheitliche Notlage von Menschen nicht auszunutzen.

All dies gilt im Versandhandel offensichtlich nicht. Eine Steigerung, ebenfalls von großen Airlines abgekupfert, gäbe es noch: Mit Überbuchungen lässt sich die Auslastung prima steigern. Das Risiko, dass ein Fluggast wirklich einmal nicht mitgenommen werden kann, lässt sich absichern. Im hiesigen Fall lautet die Lösung: Gehen Sie doch bitte in Ihre Apotheke vor Ort.

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