Gen-Babys

Schutz vor Aids erhöht Risiko für andere Leiden

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Berlin -

Im vergangenen Jahr schockierte der chinesische Wissenschaftler He Jiankui weltweit mit der Behauptung, zwei Babys per Gentechnik gegen Aids geschützt zu haben. Nun zeigen sich andere gesundheitliche Risiken durch die Genveränderung.

Eine genetische Veränderung, die unempfindlich gegen den Aids-Erreger HIV macht, erhöht das Sterberisiko durch andere Krankheiten: Menschen mit der Genveränderung haben eine um 21 Prozent verminderte Chance, das Alter von 76 Jahren zu erreichen, wie US-Forscher im Fachjournal „Nature Medicine“ berichten. Bekanntheit erlangte diese Mutation vor einem halben Jahr, als der chinesische Biotechnologe He Jiankui verkündete, es seien zwei Mädchen geboren worden, deren Erbgut er entsprechend verändert habe.

Der Aids-Erreger HIV nutzt ein Zellprotein Eiweiß, das vom Gen CCR5 codiert wird, um Zellen des Immunsystems anzugreifen. He gab an, die Zwillingsschwestern Nana und Lulu vor Aids schützen zu wollen, indem er den genetischen Code für CCR5 mit Hilfe der Genschere Crispr/Cas9 aus deren Erbgut entfernte. Das CCR5-Protein ist zwar das wichtigste, aber nicht das einzige Einfallstor für das Virus. Die Verkündigung löste eine weltweite Welle des Protestes aus. Experten bezweifelten den medizinischen Nutzen der Versuche und verwiesen auf Risiken für die beiden Mädchen und ihre Nachkommen. Einige Forscher warfen He in Hongkong vor, mit seinen „intransparenten“ Versuchen den Ruf der gesamten Genom-Forschung gefährdet zu haben. Der Forscher hatte offenbar weder die chinesischen Behörden noch seine Universität in der Stadt Shenzhen über seine Experimente informiert.

He verteidigte sein Vorgehen in einem weiteren Video. Er betonte, er habe zuvor erfolgreich Versuche an Mäusen und Affen durchführt. Bei den menschlichen Embryonen hatte er nach eigenen Angaben den sogenannten CCR5-Rezeptor von Zellen deaktiviert – das Haupteinfallstor für das HI-Virus. „Millionen Menschen“ könne geholfen werden, wenn die Technologie schneller verfügbar gemacht werde, argumentierte He. Ihm gehe es nicht um die Schaffung von Designer-Babys, sondern um Heilung von Krankheiten.

Ob die Mutation nicht doch Auswirkungen auf die Gesundheit von Menschen hat, untersuchten Xinzhu Wei und Rasmus Nielsen von der University of California in Berkeley mittels der britischen Gen-Datenbank „UK Biobank“. Darin ist von mehr als 400.000 Menschen im Alter von 40 bis 78 Jahren verzeichnet, welche Genvarianten von CCR5 sie tragen: 1. zweimal die Mutation Delta 32, 2. Delta 32 und intaktes CCR5 sowie 3. zweimal intaktes CCR5. Durch zwei voneinander unabhängige statistische Analysen gelangten die Forscher zu folgendem Ergebnis: Menschen mit der zweifach vorhandenen Delta-32-Mutation haben eine um 21 Prozent geringere Wahrscheinlichkeit, 76 Jahre alt zu werden, als solche, die keine oder nur eine Delta-32-Mutation geerbt hatten. „Hier ist ein funktionelles Protein, von dem wir wissen, dass es im Organismus eine Wirkung hat“, wird Nielsen in einer Mitteilung seiner Universität zitiert. Das Protein sei in fast allen Menschen und den meisten Tieren zu finden. „Daher ist es wahrscheinlich, dass eine Mutation, die das Protein zerstört, im Durchschnitt nicht gut für sie ist.“

Wissenschaftliche Untersuchungen ergaben, dass die Delta-32-Mutation zwar möglicherweise auch Schutz gegen Krankheitserreger wie Pocken und einige andere Viren bietet. Andererseits ist die Sterblichkeitsrate bei einer Grippe-Infektion einer früheren Studie zufolge um das Vierfache erhöht. Wei und Nielsen distanzieren sich von Hes Forschung: „Ich denke, es gibt eine Menge Dinge, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt über die Funktionen der Gene unbekannt sind“, sagt Wei. „Die Crispr-Technologie ist viel zu gefährlich, um sie derzeit für die Keimbahnbearbeitung zu verwenden.“

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) verurteilte die Genmanipulation. „Der Mensch soll nicht Gott spielen. So etwas ist mit unseren Werten nicht vereinbar. Punkt“, sagte Spahn der „Neuen Osnabrücker Zeitung“. Er forderte die Europäer dazu auf, massiv in ethisch verantwortungsvolle Forschung und Entwicklung zu investieren. Es gehe darum, „dem Tun der Chinesen eine ethische Forschung entgegen zu setzen, die auf Basis unserer Werte dieselben oder bessere Ergebnisse erzielt“. He wurde mittlerweile von seiner Universität im südchinesischen Shenzhen entlassen, weitere Forschung wurde ihm untersagt. Zudem hatten 122 chinesische Wissenschaftler Hes Experiment in einem offenen Brief als „verrückt“ verurteilt.

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