BMG-Datenaffäre

Staatsanwalt „unsensibel“, aber „zumutbar“

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Berlin -

„Unsensibel, unglücklich, unangemessen“: Im Prozess um den vermeintlichen Datenskandal im Bundesgesundheitsministerium (BMG) wird noch vor Verlesung der Anklage über das Gebahren der Staatsanwaltschaft diskutiert. Das Landgericht Berlin wies zwar einen Antrag der Verteidigung ab, Staatsanwalt Roland Hennicke vom Verfahren auszuschließen. Allerdings wird zur Stunde geprüft, ob er selbst als Zeuge aussagen muss.

Das Verfahren gegen Christoph H., ehemaliger IT-Mitarbeiter des BMG, sowie Thomas Bellartz, heute Herausgeber von APOTHEKE ADHOC, sollte eigentlich schon am 4. Januar beginnen. Doch noch vor Verlesung der Anklage hatte die Verteidigung die Besetzung des Gerichts gerügt – der Prozessauftakt wurde daraufhin um eine Woche verschoben.

Das hatte Hennicke nicht daran gehindert, vor dem Sitzungssaal der Presse öffentlich Rede und Antwort zu stehen. Knapp 15 Minuten dauerte der Auftritt, mit dem sich der Staatsanwalt aus Sicht von Bellartz’ Anwalt Professor Dr. Carsten Wegner strafbar gemacht hat. Denn vor Verlesung der Anklageschrift ist es unzulässig, konkret über Vorwürfe der Anklage und Details aus den Ermittlungen zu sprechen.

Wegner hatte daher beantragt, Hennicke als Vertreter der Staatsanwaltschaft abzuziehen und überdies Strafantrag und Strafanzeige gestellt. Der Leitende Oberstaatsanwalt sah keinen Grund, Hennicke vom Sitzungsdienst zu entbinden. Es gebe keine Anhaltspunkte für ein pflichtwidriges Verhalten, seine Ablösung komme nicht in Betracht. Bezüglich der Strafanzeige und des Strafantrags werde das Erforderliche veranlasst, teilte der Oberstaatsanwalt mit.

Die Richter bezeichneten den Auftritt Hennickes als „unglücklich“ – vor allem angesichts der Tatsache, dass es im Vorfeld eine umfassende Berichterstattung gegeben habe. „Vorschnell“ seien die Äußerungen gewesen und „unangemessen“. Hennicke habe fehlende Sensibilität gezeigt. Für eine Abberufung vom Verfahren reiche der Vorfall aber nicht aus; die Richter wiesen den Antrag zurück.

Jetzt wird allerdings geprüft, ob Hennicke als Zeuge aussagen muss – genauso wie Gerichtssprecherin Lisa Jani. Wegner meint, eindeutige Anzeichen dafür zu haben, dass – unabhängig von den Aussagen des Staatsanwalts – die komplette Anklage an Pressevertreter weitergegeben worden ist. Da das Gericht auf Nachfrage erklärt hat, selbst keine Unterlagen weitergegeben zu haben, verkleinert sich Wegner zufolge der Kreis der Verdächtigen. Er hat daher beantragt, Hennicke sowie Gerichtssprecherin als Zeugen laden zu lassen. Außerdem will er das Filmmaterial des RBB mit den Aussagen von Hennicke als Beweismaterial im Prozess hinzuziehen lassen.

Die Besetzungsrüge des Gerichts wies die Kammer bereits ab. Die Verteidiger hatten moniert, dass die Sache zwischen verschiedenen Kammern des Landgerichts hin und her verschoben wurde. Auch mit der Besetzung der Ergänzungsschöffen waren die Anwälte nicht einverstanden. Eine von ihnen arbeitet bei der Kassenärztlichen Vereinigung, und die sei vom BMG abhängig. Ein anderer Ersatzschöffe hatte sich aufgrund terminlicher Verpflichtungen von der Teilnahme am Verfahren befreien lassen. Nach der Prüfung kamen die Richter aber zu dem Ergebnis, dass sie im Verfahren zuständig sind. Auch mit den Ersatzschöffen erklärten sie sich zufrieden.

Im Prozess sind bislang 17 Verhandlungstage angesetzt, 27 Zeugen sind geladen. Der 44-jährige ehemalige Mitarbeiter eines externen IT-Dienstleisters des BMG soll laut den Ermittlungen von 2009 bis 2012 Postfächer mit E-Mails ausgespäht und die Daten an Bellartz weiterverkauft haben. Dafür soll er laut Staatsanwaltschaft insgesamt 26.550 Euro erhalten haben.

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