Lieferengpässe

Wegen 80 Cent Porto: Arzt lässt Apotheker hängen

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Berlin -

Lieferengpässe stellen Apotheken vor immer größere Herausforderungen. Da gilt es für alle an der Versorgung Beteiligten umso mehr, im Sinne der Patienten zusammenzustehen. Das gelingt aber nicht überall, wie der Dortmunder Apotheker Michael Mantell feststellen musste. Ein Arzt ließ ihn einfach hängen.

Die Patientin hatte zwei Rezepte vorgelegt. Doch beide verordneten Präparate waren nicht lieferfähig. Bei Levomepromazin war nur die Einheit mit 50 mg Wirkstoff verfügbar, der Arzt hatte aber 100 mg aufgeschrieben. Bei Chlorprothixen verhielt es sich genau umgekehrt. Verordnet war jeweils die N3 mit 100 Stück. Die Patientin wurde in der Apotheke ausführlich beraten, dass sie von dem einen Mittel zwei Tabletten statt einer einnehmen und bei dem anderen Mittel die Tablette teilen müsse.

Allerdings benötigte Mantell jetzt noch ein neues Rezept über eine 50er-Packung Chlorprothixen mit 100 mg Wirkstoff und zwei Einheiten der N2 von Levomepromazin mit 50 mg Wirkstoff. Doch das gestaltete sich als schwieriger als erwartet: Die Sprechstundenhilfe teilte dem Apotheker am Telefon mit, dass die Patientin keine Freiumschläge in der Praxis hinterlegt habe und man die Rezepte daher nicht schicken könne.

Mantell wies die Mitarbeiterin der Praxis darauf hin, dass es sich bei der Patientin um eine betreute Person handele und jetzt extra ein Betreuer losgeschickt werden müsse, um die Rezepte in der Dortmunder Innenstadt abzuholen. Und ob es jetzt hier tatsächlich um die 80 Cent Porto gehen würde. Ja, das würde man grundsätzlich so handhaben, bekam er zur Antwort. Und da die Praxis in der kommenden Woche in Urlaub gehe, könne auch niemand neue Briefmarken besorgen.

Also kam der Betreuer in die Apotheke und holte sich von Mantell einen Zettel ab. Darauf hatte der Apotheker die benötigten Arzneimittel notiert und 80 Cent aufgeklebt. Allein der Einsatz des Betreuers koste das System mindestens 30 Euro, weiß der Apotheker aus Gesprächen mit Sozialarbeitern.

Über die fehlende Hilfsbereitschaft in der Praxis ärgert er sich sehr: „Wenn ich meine Kunden so behandeln würde, wäre ich aber ganz alleine hier.“ Gerade in der aktuellen Lage würde er sich mehr Kollegialität wünschen: „Es ist doch eine schwierige Situation mit den Lieferengpässen, da müssten doch alle zusammenarbeiten. Stattdessen herrscht da teilweise blanker Egoismus.“ Zwar zählen Neurologen nicht zu den bestverdienenden Ärzten, bei einem durchschnittlichen Jahreseinkommen von 155.000 Euro sollten 80 Cent für eine Patientin aber drin sein.

In der neurologischen Praxis sind die Probleme mit den Lieferengpässen durchaus bekannt. Es riefen immer wieder Apotheken an, berichtet eine Sprechstundenhilfe. Über die Briefumschläge wollte sie nicht reden. „Wir kriegen das alles sehr gut hin, das klappt alles“, so die Wahrnehmung in der Praxis.

Den Wahnsinn auf die Spitze getrieben hatte schon vor einiger Zeit eine Praxis in Nordrhein-Westfalen: Nach einer Portoerhöhung schickte sie die von der Apotheke überlassenen vorfrankierten Umschläge zurück. Mit der Bitte, die acht leeren Briefumschläge nachzufrankieren, kamen sie in einem größeren Umschlag in der Apotheke an. Portokosten: 1,45 Euro.

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