Übernahme

Bewerber aus der Familie bevorzugt

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Berlin -

Fröhlicher Familienbetrieb im bayerischen Schongau: Weil der Kollege aus der Nachbarschaft in Ruhestand ging, übernahm Apotheker Klaus Flitsch die alteingesessene Kreuz-Apotheke. Personalprobleme hat er keine, er setzt auf die Profis in seiner Familie.

Die Liebe zur Pharmazie hat er an seine Tochter Johanna Flitsch-Hirschvogel (34) weitergegeben. Schwiegersohn Markus Waldvogel – mit seiner zweiten Tochter verheiratet (keine Apothekerin, sie ist psychologische Psychotherapeutin) – leitet die Kreuz-Apotheke. In beiden Betrieben arbeiten insgesamt 17 Mitarbeiter.

„Hundert Meter von uns entfernt ist der Betreiber der Kreuz-Apotheke in Ruhestand gegangen“, erzählt Flitsch. Er ergriff die Chance. Flitsch ist jetzt 63, an Rente denkt er noch lange nicht. Mögen andere den Garten genießen, er baut lieber an seinem Lebenswerk weiter. „Wir lernen von den alten Hasen, beide Seiten profitieren“, sagt Tochter Johanna.

Ihren Vater als Rentner kann sie sich nicht vorstellen. „Seit ich denken kann, bin ich in der Apotheke, ich bin damit groß geworden. Schon als Kind habe ich Regale abgestaubt, später Tee abgefüllt und in der Schulzeit habe ich mir mit Botendienst ein Taschengeld verdient. Für mich war immer klar, dass ich Pharmazie studieren will. Apothekerin ist mein Traumjob.“

Die beiden bislang konkurrierenden Apotheken haben allerbeste Innenstadtlage und konnten so über die Jahrzehnte trotz der räumlichen Nähe gut nebeneinander wirtschaften. Und so lief auch die Übergabe freundschaftlich und harmonisch. In der Altstadt von Schongau gibt es jetzt drei Apotheken, in ganz Schongau weitere drei. „Wir haben eine sehr gute Lauflage.“

Die Vorteile der Übernahme beschreibt Flitsch so: „Sie festigt unsere strategische Position. Wir können zum Beispiel bezüglich Warenbestellung und Personal Synergieeffekte nutzen.“ Seit zehn Jahren gehört ein Kosmetik-Versand zum Unternehmen. Auch er liegt in bewährten Familien-Händen, wurde von Flitschs Sohn entwickelt und betreut. Für den Chef ist der Unternehmenszweig auch ein Schritt in die Zukunft. Man muss gewappnet sein, falls der Online-Handel noch weiter zunimmt, wovon angesichts internationaler Zahlen auszugehen ist. „Der Versand war uns von Anfang an wichtig”, sagt Flitsch. „Durch den Onlineshop können wir viel anbieten, haben ein riesiges Angebot. Neben dem Tagesgeschäft beliefern der Apotheker und sein Team auch Altenheime.

Das Geheimnis des Familienunternehmens: „Man kann sich hundertprozentig aufeinander verlassen. Außerdem kann man viele Dinge ohne Vorbehalte besprechen.” Er schätzt seine Mitarbeiter, gesteht ihnen aber selbstverständlich mehr Planungssicherheit im Arbeitsleben als den Familienmitgliedern zu: „Viele Mitarbeiter haben Familie und Kinder, Dienst ist Dienst und Freizeit ist Freizeit.” Aber wenn es mal brennt, springen die Familienmitglieder ein, ohne zu murren.

Jeder hat seine Bereiche. „Meine Tochter ist unter anderem hervorragend in Kosmetik, dafür sind wir Männer nicht prädestiniert”, so der Senior-Chef. „Jeder hat seine Stärken, wir ergänzen uns.” Seine Frau ist die „gute Seele” hinter den Kulissen und erfahren im Erschließen neuer kaufmännischer Geschäftsgebiete.

Eine zusätzlich in Teilzeit angestellte Apothekerin sichert den Dienstplan in der neuen Apotheke ab. Die Dienstzeiten sind für alle flexibel, so ist Schwiegersohn Markus ambitionierter Eishockeyspieler. Ein Sport, den man nicht einfach nebenbei betreiben kann. „Ich spiele seit 27 Jahren“, sagt er. Training ist dreimal die Woche, am Wochenende stehen immer zwei Spiele an.

Allzu viel Spezialisierung ist in einer Apotheke wie in Schongau, einer Kleinstadt mit rund 12.000 Einwohnern, aus Flitschs Sicht nicht unbedingt ratsam: „Wir wollen die Apotheke sein, in die man geht. Die erste Wahl. Der Kunde muss immer auf allen Gebieten gut beraten werden, das müssen alle Mitarbeiter gut beherrschen.” Das ist die Pflicht. Die Kür sind die regelmäßigen Weiterbildungen.

Seinen Beruf würde der Apotheker jederzeit wieder erlernen. Er empfiehlt ihn trotz vieler Umstrukturierungen auch jungen Menschen. „Es ändert sich vieles, in fast allen Berufen, und es wird sich noch viel mehr ändern.“ Das allein wäre kein Grund, einen Beruf, für den man sich interessiert, nicht zu wählen. „In zehn Jahren werden die Apotheken anders aussehen, wie, das hängt von ihrer Lage ab. Für ältere Leute wird zum Beispiel die Beratung immer wichtiger.“

Liest er Berichte über Amazon, dann schlucke er manchmal. „Man darf sich nichts vormachen, die Bedrohung aus dem Internet ist real.“ Man müsse eben dagegenhalten. „Wir bieten unseren Kunden vor Ort die Möglichkeit der sofortigen Beratung. Wir führen eine Kundenkarte, wissen sofort, das was Patient in der Vergangenheit eingenommen hat. Wir wissen es auch, wenn der Arzt mal nicht da ist. Unsere Kunden bestellen online wie die Weltmeister, erzählen es uns aber natürlich nicht. Aber wir kennen die Zahlen.“ Flitsch hält tapfer mit Sonderangeboten dagegen.

Auch Tochter Johanna ist stets idealistisch: „Mein Vater ist ein unverbesserlicher Optimist und ich bin ihm ähnlich. Bei uns in der Apotheke ging es eigentlich immer aufwärts.“ Und die Erfolgskurve wird mit dem Neuerwerb aufrechterhalten. Einen Wunsch hat Flitsch: „Ein bisschen mehr Freizeit wäre schön.“ Den Gedanken daran streicht er sogleich wieder: „Derzeit ist wirklich nicht der ideale Zeitpunkt.” Außerdem wäre der Rest der Familie dagegen: Alte Hasen können nicht einfach die Freizeit genießen, alte Hasen werden geschätzt und gebraucht.

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