Anja Alchemilla

Die (un-)praktischen Probleme mit dem neuen Rahmenvertrag

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Berlin -

Anja Alchemilla ist extra eine halbe Stunde eher in ihre Filiale gekommen. Es ist Montag der 1. Juli, und damit nicht nur der Beginn eines neuen Quartals und Umschau-Tages, sondern auch der erste Tag an dem der neue Rahmenvertrag mit den Gesetzlichen Krankenkassen gültig ist. Die Apothekerin ist gespannt, wieviel sich jetzt ändern wird, denn trotz mehrerer von ihr gelesener Texte, einer Teambesprechung und eines Webinars der Apothekerkammer fühlt sie sich noch unsicher.

Vor der Öffnung der Apotheke bearbeitet sie zuerst eine Bestellung über „Call-my-Apo“, der Bestell-Plattform über die bereits einige Kunden ihre Rezepte vorab einscannen und schicken. „Die perfekte Übung für die neue Softwareführung im Kassenprogramm“ denkt sie und legt los. Alles ist noch etwas ungewohnt, aber es scheint alles zu funktionieren. Zwei, drei unbekannte Dialoge poppen auf und Anja muss erst einmal ein paar Sekunden suchen um den „aut-idem“ Button zu finden. Sie ist aber beruhigt, dass das Programm intuitiv bedienbar zu sein scheint. Sollte es doch so einfach sein mit dem neuen Rahmenvertrag?

Als ihre Kolleginnen eintreffen, ist Anja entspannt. „Das schaffen wir, ich bin da ganz zuversichtlich. Im Grunde kann man jetzt weniger Fehler machen als zuvor, weil einfach genauer abgefragt wird“ teilt sie den Mitarbeiterinnen mit, die die Lichter anknipsen und die Türen öffnen. Zunächst scheint alles glatt zu laufen, bis sie von Sonja gefragt wird, wie man jetzt eigentlich sehen kann, welche Firma der Kunde bisher erhalten hat. „Da waren früher doch Markierungen, die sind jetzt weg. Oder übersehe ich da irgendwas?“ Anja schaut sich das neue Bild auf dem Monitor an und sucht ebenfalls nach irgendeinem Hinweis, doch da ist nichts zu finden.

„Das ist ja blöd! Soll ich jetzt also vorher jedes Mal nachsehen was der Kunde bisher hatte, mir das merken oder rausschreiben, und dann schauen, ob die Firma in der Auswahl auch auftaucht? Das dauert doch ewig!“ Anja stimmt der Kollegin zu, und versucht bei ihrem Softwarehaus anzurufen. Doch da ist schon am frühen Morgen kein Durchkommen mehr. Offenbar haben auch andere bereits Fehler gefunden. Daher schreibt die Apothekerin eine Mail, schildert das Problem und wartet auf eine Antwort. Scheint also doch nicht alles so problemlos zu funktionieren.

Sie sieht beide Kolleginnen am Telefon warten und geht zu den Kunden nach vorne. Schnell bekommt sie mit, worum es geht. Ein Arzt hat einen Reimport verordnet, der nicht lieferbar ist. Da damit ein Preisanker gesetzt wurde muss mit der Praxis Rücksprache gehalten werden, ob er durch die Abgabe des Originals überschritten werden darf. Die MFA am anderen Ende der Leitung versteht die Problematik überhaupt nicht „Und was wollen sie jetzt hören? Wenn der verordnete Import nicht lieferbar ist, dann müssen sie doch austauschen, das geht doch gar nicht anders. Warum rufen sie denn dann noch an?“ Es dauert eine kleine Weile, ihr die Bestimmungen des neuen Rahmenvertrags zu erklären während der Kunde wartet.

Da klingelt das Telefon. Eine Studienkollegin von Anja ist in der anderen Leitung. „Du, ich habe da mal eine Frage: Müssen wir jetzt auch bei den Insulinen austauschen? Unsere Software sagt, dass Actrapid Flexpen gegen Humulin getauscht werden muss. Das ist doch ein Fehler, oder?“ Anja spielt den Fall auf ihrer Kasse nach, denn sie hat eine andere Software. „Nein, da kann ich dich beruhigen. Hier wird uns nichts von Austausch angezeigt.“ Die Studienkollegin atmet auf. „Einerseits ist das gut, andererseits ist das schon wieder ein Fehler im System. Ich habe heute früh schon mehrfach versucht dort anzurufen, aber da geht keiner ans Telefon. Die sind wohl überlastet.“ Die Apothekerin stimmt ihr zu. Offenbar ist es überall das Gleiche.

Wieder wird sie nach vorne gerufen. Die PTA Sonja ist genervt und steht noch immer mit demselben Kunden im HV, den Anja eben schon gesehen hat, als die PTA mit der Arztpraxis telefoniert hat. „Jetzt habe ich das mit dem Reimport geklärt, nun lässt die Kasse mich das Original nicht auswählen. Der Button ist einfach ausgegraut. Außerdem habe ich gerade gemerkt, dass die Zuzahlungen zum Teil nicht stimmen. Herr Meier ist doch im AOK Hausarztmodell und muss eigentlich für seine Novaminsulfon nichts zuzahlen. Hier stehen aber fünf Euro in der Kasse!“ Der Kunde bekommt seine Medikamente erst einmal mit, und die Rezepte, die aus diversen Gründen nicht bedruckbar sind, landen in einer separaten Kiste. Vielleicht funktioniert ja alles nach dem nächsten Update? Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt.

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