Sildenafil in „Sultan’s Paste“

Warnung und Rückruf: Keine Reaktion bei Amazon und Ebay

, Uhr
Berlin -

Ein Lebensmittelgroßhändler im westfälischen Gronau hat ein Aphrodisiakum mit dem Viagra-Wirkstoff Sildenafil offenbar bundesweit an Einzelhändler verkauft. Das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit hat eine Lebensmittelwarnung für das Produkt „Sultan’s Paste“ veröffentlicht, der Großhandel daraufhin einen Rückruf gestartet. Auf Amazon und Ebay gibt es die Potenzpaste allerdings noch zu kaufen.

Der Großmarkt Nergiz, der hauptsächlich türkische Supermärkte beliefert, hatte das Produkt im Sortiment und hat seine Kunden in einem Rundschreiben über den Rückruf informiert. „Aufgrund des enthaltenen Wirkstoffs Sildenafil ist das Produkt nur mit einer Zulassung nach Arzneimittelgesetz verkehrsfähig. Sildenafil-haltige Arzneimittel dürfen nur gegen Rezept abgegeben werden“, heißt es darin 1:1 aus der Warnung des Bundesamts zitiert.

„Für Sildenafil finden sich eine Vielzahl von Gegenanzeigen und Nebenwirkungen in der Fachinformation, darunter neben Kopfschmerzen, Schwindel, Sehstörungen und Tachykardien auch plötzlicher Herztod, Herzinfarkt, Schlaganfall und Krampfanfälle“, so der Rückruf. Besonders brisant ist, dass der Wirkstoff ist auf dem Nahrungsergänzungsmittel nicht deklariert und das mögliche Risiko damit für den Anwender nicht erkennbar ist.

Die Potenzpaste wird vom türkischen Unternehmen Dora Life hergestellt und nach Deutschland importiert. Dem regionalen Nachrichtenportal Idowa zufolge wurde sie in Bayern, Berlin, Hamburg, Hessen, Niedersachsen und Nordrhein-Westfalen verkauft. Wie sie in den deutschen Handel gelangte und der nicht deklarierte Sildenafilgehalt auffiel, gab der Großhändler nicht bekannt. Auf Anfrage war er für ein Statement nicht zu erreichen. Laut Verpackung ist die Paste explizit für den Gebrauch durch Mann und Frau gleichermaßen gedacht – von Sildenafil ist in den Inhaltsangaben allerdings tatsächlich keine Rede. Stattdessen beinhaltet die Paste eine lange Liste pflanzlicher Inhaltsstoffe, unter anderem Tribulus Terrestris, Ginseng, Honigsirup, Zimt, Ferula-Wurzel, Ingwer, Kurkuma, Johannisbrotbaum, Schwarzkümmel, Kardamom, Koriander, Süßholz, Fenchel, Kubeben, Thymian, Galgant und Kokosnuss.

In der Zusammensetzung ähnelt die „Sultan’s Paste“ damit sehr der sogenannten Mesir-Paste: Dabei handelt es sich um eine Zubereitung aus 41 verschiedenen Gewürzen und Heilpflanzen mit Honig, der gesundheitsfördernde Wirkung zugeschrieben wird. Unter anderem soll sie die Konzentrationsfähigkeit erhöhen sowie gegen Atemprobleme, Rheuma, Kopf-, Rücken- und Lendenschmerzen helfen. Sie wird traditionell im Frühjahr zubereitet und soll auf Sultan Selim I. zurückgehen, der damit im 16. Jahrhundert seine kranke Frau behandelt haben soll – daher wohl auch der Name „Sultan's Paste“. Weder damals noch heute enthielt die Paste aber Sildenafil.

Auf der Verpackung ist bereits angedeutet, dass die Paste nicht ganz ungefährlich ist. So wird gewarnt, dass schwangere und stillende Frauen die Paste nicht einnehmen sollen. Auch für Herzkranke, Diabetiker und Patienten mit Bluthochdruck sei sie nicht geeignet. Vor der Anwendung solle man seinen Arzt oder Apotheker fragen. Allerdings wird explizit erwähnt, dass es sich nicht um ein Medikament, sondern ein Nahrungsergänzungsmittel handele.

Trotz des Rückrufs und der Warnung war die dubiose Paste am Freitagabend jedoch weiterhin erhältlich: Amazon und Ebay haben sie weiterhin verkauft. Bei Amazon ist eine 230-Gramm-Packung für 33,89 Euro erhältlich. Eine Dreierpackung kann für 99 Euro über den Amazon Market Place beim Händler „Orientworld-Lebensmittel“ gekauft werden. Bei Ebay ist der Preis etwas höher: Hier kostet das 230-Gramm-Glas 39,99 Euro.

Newsletter
Das Wichtigste des Tages direkt in Ihr Postfach. Kostenlos!

Hinweis zum Newsletter & Datenschutz

Mehr zum Thema
Pegasys und Peginterferon
Berlin: Rezeptfälscher auf Tour
Mehr aus Ressort
Pierre-Fabre-Spendenaktion
Model Toni Garrn dankt Apothekenteams
Inhaber muss seinen Betrieb schließen
Real-Apotheker: „Ich kann kein Jahr warten“

APOTHEKE ADHOC Debatte