ApoRetrO – der satirische Wochenrückblick

Bayer verzweifelt: Mit Glyphosat gegen Schöllkraut

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Berlin -

So handelt ein verantwortungsvoller Konzern: Weil sich plötzlich herausgestellt hat, dass Schöllkraut lebertoxisch wirkt, wird Bayer nicht nur vor seinem Hausschnaps Iberogast warnen, sondern das Problem bei der Wurzel packen: Die weltweiten Bestände des verdammten Krauts sollen vernichtet werden. Gottlob hat Bayer seit der Monsanto-Übernahme das passende Mittelchen selbst im Giftschrank. Die Umsätze werden vom Edel-Averna zu Roundup verschoben und das Pflanzengift damit selbst rehabilitiert.

Nach zehn Jahren gibt Bayer dem zuletzt rapide wachsenden Druck des Bundesinstituts für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) nach und ergänzt den Warnhinweis im Beipackzettel von Iberogast. Die Leverkusener haben längst ein Rezept für einen Ersatzlikör im Schrank, schöllkrautfrei und unberührt von Warnhinweisen.

Nur: Wenn Bayer die unscheinbaren gelben Blümchen nicht mehr selbst erntet, soll es auch niemand anderes tun! Das Kraut muss weg. Und das ist technisch überhaupt kein Problem, seit Bayer jenes sympathische kleine Familienunternehmen übernommen hat, das sich auf die Stärkung und Vernichtung von allerlei Grünzeug spezialisiert hat.

Weil der Iberogast-Fall das Zeug hat, Bayer in der öffentlichen Wahrnehmung nachhaltig zu schaden, wurde kurzfristig sogar über eine Namensänderung nachgedacht. Gerade gegenüber Apothekern könne man das Image wieder aufbessern, wenn man das gewohnte Kreuz durch den durchweg positiv konnotierten Namen Monsanto ersetzen würde. Doch am Ende fand sich keine eindeutige Mehrheit für die Vorschläge „Baysanto“, „Monsabay“ oder die spielerisch zweideutig Variante „Moneyer“.

Liebe Bayer Leverkusen-Fans: Das war ein Scherz. Es wird weiter Iberogast geben. Und Schöllkraut auch. Und die einzige echte Namensänderung, die mir einfällt, ist Medphano Silberpuder statt Fissan. Also, liebe Börsenaufsicht, kein Grund zur Aufregung. Darauf einen Kamillentee.

In Wirklichkeit liegt der Fall ernst. Wie ernst, ist noch nicht in Detail bekannt. Aber die neu bekannt gewordenen Fälle von Nebenwirkungen in Zusammenhang mit Iberogast waren ernst genug, damit das BfArM ernst macht. Bayer wurde der Sofortvollzug im laufenden Gerichtsverfahren angedroht. Die Leverkusener mussten endlich einsehen, dass sie um die Warnhinweise nicht mehr herumkommen.

Die öffentliche Schelte von der grünen Abgeordneten Kordula Schulz-Asche gab es gratis dazu. Den plakativen Vorwurf, erst ein Todesfall habe Bayer zum Einlenken bewogen, weist der Konzern zwar von sich, aber wer zehn Jahre lang eine behördliche Aufforderung wortreich ignoriert, hat nach dem erzwungenen Rückzug argumentativ nicht mehr viel zu gewinnen. Gegenüber den Anwendern rechtfertigen müssen sich die Apotheken, die sich genau überlegen werden, was sie in den kommenden Tagen aktiv empfehlen und sich nebenbei fragen, was sie mit ihren Lagerbeständen machen.

Ein schönes Gesprächsthema für einen ereignislosen Notdienst am Wochenende bietet der Fall fraglos. Und da dachten die Apotheker gerade, die Valsartan-Debatten (oder Valsartan-Retouren-Debatten) wären halbwegs ausgestanden und sie könnten sich in der Nacht wieder dem gewohnten Wahnsinn zuwenden, wenn ein Kunde Ibuprofen gegen Paracetamol umtauschen und das dann retournieren will, weil es das am nächsten Tag online billiger gibt. „Ich bin doch kein Hampelmann“, fasst Kollege Rainer Vogelmaier seinen Dienst und die Ablehnung des letzten Sonderwunsches zusammen.

Ab Oktober gibt es dann überdies am Apothekerstammtisch ein neues Thema: Aufkleberretax. Die Anzahl der kreativen Vollabsetzungsvarianten der Kassen bewegt sich ungefähr auf dem Niveau der Stellenanzeigen einer mittelgroßen Kammer. In Berlin wurde jetzt die Rekordzahl von 150 gesuchten PTA erreicht. Und das, obwohl es immer weniger Apotheken gibt, die Personal benötigen: 19.591 Apotheken sind der neue Tiefstand, der vermutlich zur Stunde schon nicht mehr aktuell ist. Heute dürften es rechnerisch noch 19.524 sein und am Montag wieder mindestens eine weniger.

Das Apothekensterben ist leider kein Mittel gegen den Fachkräftemangel. Denn die Patienten wollen trotzdem versorgt werden, sodass der Bedarf an Approbierten und PTA in den anderen Apotheken steigt. Denn anders als manche Gutachter denken, bringen neue Kunden nicht nur mehr Umsatz, sondern verursachen auch mehr Arbeit. Wahnsinnig komplizierte Rechnung. Noch komplexer war das Werk von 2hm, das nun ein Jahr im Keller gereift ist und in der Vorweihnachtszeit im Wirtschaftsausschuss dekantiert werden soll. Der Gesundheitsausschuss muss, will, soll oder darf sich nicht damit befassen – je nach Sichtweise.

Dass Fachkräfte auch im Handwerk fehlen, ist bekannt. Aber nur wenige Apotheker bekamen das so unmittelbar zu spüren wie Erol Gülsen aus Moers. Am Ende hat er mit seiner Familie den Umbau seiner Apotheke in weiten Teilen selbst organisiert und trotzdem das vom Vorgänger unabsichtlich hinterlassene Bargeld zurückerstattet. Jetzt fühlt er sich urlaubsreif. Ja, der Job kann mitunter so anstrengend sein, dass eine Kollegin sogar den Einbruch während ihres Nachtdienstes verschlief.

Als sehr ausgeschlafen zeigen sich mal wieder die großen Versender. Die planen etwas gemeinsam. Die Spekulationen reichen von Technik-Austausch über die gemeinsame Vermarktung ihrer Zahlen bis hin zu einer Plattform in Koproduktion.

Zusammensitzen werden ab morgen auch die Pharmazieräte. Sie basteln an einheitlichen Regeln für die Revision. Apotheken in Schleswig-Holstein besucht zum Beispiel Grit Spading. Sie ist hart, aber herzlich. So, und wenn Sie sich am Wochenende noch mit irgendwem streiten wollen, wählen Sie Homöopathie als Gesprächsthema. Kollege Hollstein streitet sich schon mal warm. Ich bin raus. Hochpotentes Wochenende!

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