Videoüberwachung

Hier filmt der Inhaber sein Team heimlich

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Berlin -

In einer Apotheke in Nordrhein-Westfalen ist ein Streit um verdeckte Video-Kameras eskaliert: Vier Mitarbeiter haben gekündigt und ihren ehemaligen Chef verklagt. Am Ende verständigte man sich auf ein Schmerzensgeld – aber die Sache ist noch nicht ausgestanden.

Dem Team in der Filialapotheke waren zwei neue Rauchmelder in den Arbeitsräumen hinter der Offizin aufgefallen. Diese waren offenbar nach Dienstschluss dort angebracht worden. Nicht nur die Anordnung machte einen PKA stutzig, die Geräte hätten auch nicht wie übliche Rauchmelder ausgesehen. Er stieg auf eine Leiter und entdeckte hinter der Abdeckung Kameralinsen. Eine Recherche ergab, dass es sich um versteckte Videokameras handelte – und dass die Rauchmelder keine Funktion haben.

Die Filialleitung war zu dieser Zeit nicht in der Apotheke, trotzdem konfrontierte das Team noch am gleichen Tag den Inhaber. Der habe den Sachverhalt zunächst vehement bestritten und angegeben, mit den neuen Rauchmeldern lediglich eine Brandschutzverordnung umgesetzt zu haben, berichtet der PKA.

Später habe er behauptet, es handele sich um eine „Thermolinse“, die Rauch erkenne und bei der Feuerwehr aufgeschaltet sei. Davon sei er aber später abgerückt. Schließlich habe er die Existenz der Kameras bestätigt, diese würden aber nur außerhalb der Geschäftszeiten aufzeichnen. Damit habe sich das Team zufrieden gegeben, zur Sicherheit die Kameralinsen aber mit schwarzem Papier zugeklebt.

Das war im März vergangenen Jahres. Im Juni kam es dann zum zweiten Vorfall. Die Filialleiterin kam morgens in die Apotheke und hatte sofort das Gefühl, das etwas nicht stimmt. Der Wagen mit den Arzneimitteln zum Einräumen stand nicht an der gewohnten Stelle und es war auffallend sauber: Der Boden war offensichtlich an einer Stelle gesaugt worden, die Putzfrau aber um Urlaub. „Und dass der Chef abends kommt und staubsaugt – das gibt es nicht“, so die Apothekerin. Sie stieg auf die Leiter und entdeckte die neuen Kameras über den Arbeitsplätzen im Backoffice.

Die Mini-Kameras waren hinter winzigen Bohrlöchern in der Zwischendecke versteckt. Das Team entdeckte später die gesamte Verkabelung inklusive eines Receivers, an dem die Kameras angeschlossen waren. Die Löcher wurden mit Klebeband abgedeckt und der Inhaber zu einem Gespräch mit dem Team gebeten.

Dass die Offizin zum Schutz vor Diebstahl videoüberwacht wurde, was dem Team bekannt. Doch wozu die Arbeitsplätze in den hinteren Räumen gefilmt werden sollten, war der Filialleiterin nicht klar. Es sei nie etwas weggekommen worden in der Apotheke und die Zahlen der Filiale hätten immer gestimmt, berichtet sie.

Etwa eine Woche später sei der Chef in der Apotheke erschienen – im Nachtdienst und in Begleitung: Mit von der Partie war der Geschäftsführer der Sicherheitsfirma, die die Kameras installiert hatte; ein Bekannter des Apothekers. Angeblich wollten sie einen Receiver austauschen, sprachen die Filialleiterin dann aber auf das Klebeband über der Kameralinse an.

Die dann folgende Situation beschreibt die Filialleiterin als sehr unangenehm. Sie habe nicht allein mit den beiden Herren sprechen wollen, sondern wie verabredet mit dem ganzen Team. Der Apothekeninhaber sei freundlich geblieben, doch der Chef der Sicherheitsfirma habe sie sehr bedrängt. Er habe von einer geplanten Straftat gesprochen und von Manipulationen der EDV-Anlage. Schließlich habe er gedroht, er könne auch gleich die Polizei rufen. „Als ich sagte, damit hätte ich kein Problem, hieß es plötzlich, ich stehe gar nicht unter Verdacht“, berichtet sie.

Das Gespräch im Team fand am Abend des nächsten Tages statt, der Chef der Sicherheitsfirma war wiederum mit dabei. Dieser habe einzelne Mitarbeiter bedrängt, Manipulationen am EDV-System zuzugeben. Das Gespräch musste schließlich vorzeitig abgebrochen werden.

Zu diesem Zeitpunkt waren einzelne Mitarbeiter schon krank geschrieben. Als eine Woche nach dem Treffen auch noch der Vorwurf erhoben wurde, es seien Arzneimittel weggekommen, verabschiedete sich auch die Filialleiterin. Insgesamt vier Mitarbeiter hätten die Apotheke verlassen und rechtliche Schritte gegen den Inhaber eingeleitet. Mitte Dezember traf man sich vor Gericht. Schließlich einigten sich die Beteiligten auf einen Vergleich: 600 Euro sollte jeder ehemalige Mitarbeiter als Schmerzensgeld erhalten.

Drei von ihnen sind schnell in den Apotheken eines Konkurrenten am selben Ort untergekommen. Der sieht sich seitdem mit wettbewerbsrechtlichen Angriffen des „Video-Apothekers“ konfrontiert. Und von dem Schmerzensgeld hätten sie auch noch nichts gesehen, berichten mehrere Betroffene. Der Inhaber war bislang nicht zu sprechen.

Datenschutzrechtlich unterliegt schon eine offizielle Videoüberwachung strengen Vorgaben. Nur in absoluten Ausnahmen ist eine verdeckte Überwachung des Arbeitsplatzes überhaupt zulässig. Diese muss stets anlassbezogen sein und ist nur als letztes Mittel zur Aufklärung einer Straftat zulässig. Der Verdacht muss laut Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts in Bezug auf eine konkrete strafbare Handlung gegen einen zumindest räumlich oder funktional abgrenzbaren Kreis von Arbeitnehmern bestehen – sich allerdings nicht zwangsläufig schon auf einen konkreten Mitarbeiter beschränken.

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