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Rent a Lauti

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Berlin -

Heute kann man beinahe alles mieten – vom schicken Stadtflitzer über den Büroarbeitsplatz bis hin zur Leihoma. Keine schlechte Idee, dachte sich ein pfiffiger Landapotheker. Weil bei ihm ständig Personalnot herrscht, meldete er sich im Willy-Brand-Haus. Er hatte gelesen, dass die Sozialdemokraten ihre Spitzenpolitiker ausleihen.

Ob er sich den Professor Lauterbach für seine Apotheke ausleihen könne, der sei doch immerhin Arzt, fragte der Apotheker bei der freundlichen Genossin am Empfang. Nur 7000 Euro zahlen könne er leider beim besten Willen nicht: Schließlich sitze er in seiner Apotheke manchmal stundenlang herum und müsse – vor allem in der Nacht – auf Patienten warten, die derweil im Internet bestellten. Aber 8,51 Euro pro Stunde sollten es doch auch tun: Das sei immerhin mehr, als er für die Abgabe eines Arzneimittels erhalte – und liege 1 Cent über dem von der SPD durchgesetzten Mindestlohn. Da könne der Herr Lauterbach doch sicher nicht so kategorisch Nein sagen wie zum Rx-Versandverbot.

Konnte er. Beziehungsweise wurde der Apotheker gar nicht erst durchgestellt. „Derzeit nicht verfügbar“, zitierte die Empfangsdame in bestem Bibliotheksjargon aus dem Terminkalender. Auch bei Andrea, Sigmar, Heiko und den anderen sehe es schlecht aus. „Sie wissen ja, dieser Frontal-Aufprall.“

Ja, der Apotheker wusste Bescheid. Pünktlich zur erneuten Kanzlerkandidatur von Angela Merkel waren die sauberen Sozialdemokraten plötzlich in Erklärungsnot geraten. Hatten für schlappe 3000 bis 7000 Euro ihre Spitzenpolitiker für einen netten Lunch vermietet. Und die versteckte Kamera der Reporter von „Frontal 21“ nicht bemerkt.

Nicht nur Lobbykontrolleure, sondern auch die Apotheker waren außer sich. Hatten sie doch auf einer Sponsorenwand im Beitrag das Logo von DocMorris entdeckt. Passte hier eins zum anderen? Nein zum Versandverbot. Ja zum „kleinen Pflänzchen“. Ja zum Sponsoring. Auf Twitter zog Lauterbach prompt eine rote Linie zwischen sich und die Luxus-Miet-Sozis: „SPD Gespräche Sponsoring (sofort einstellen!) auch DocMorris u Abda. Nie dabei, an k d Gespräche, damit d klar ist.“

Immerhin: Aus dem unumstößlichen Nein von Lauterbach ist bei den SPD-regierten Ländern eine Enthaltung zum Antrag aus Bayern geworden. So fordert der Bundesrat von Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe ein schnelles Rx-Versandverbot. Ein wichtiger Etappensieg auf einer vermutlich noch beschwerlich werdenden Reise. Schön auch, dass sich die Bundesärztekammer doch noch zu einer Solidaritätsadresse bequemt hat.

Unterstützung für die politische Arbeit leisten die Apotheker in den Ländern: In NRW gab es gleich mehrere Treffen mit den Sozialdemokraten. Und in Schleswig-Holstein werden zusätzlich zu den ABDA-Karabinern noch Hase und Igel auf die Reise geschickt. „Ick bin all door“, soll auf den Plakaten zu lesen sein, auf Hochdeutsch: „Ich bin schon da“. „Ich bin noch da“ würde es aus Sicht vieler Apotheker besser treffen.

Aber noch gibt es keinen Grund, die Flinte ins Korn zu werfen und in Agonie zu verfallen. Dass die deutschen Versandapotheken mit einer Abwanderung ins Ausland drohen, dürfte erstens nicht so ernst zu nehmen sein und zweitens den Druck für eine politische Lösung erhöhen. Als „Anwalt des kleinen Mannes“ kann sich DocMorris jedenfalls schlecht verkaufen, wenn selbst die eigenen Kollegen gegen ungleich lange Spieße sind.

Überhaupt: DocMorris. Keine Rezepturen, kein Notdienst, das ist ja bekannt. Dass man Heerlen aber auch bei Lieferengpässen die Segel streicht, ist eine neue Dimension. Jedenfalls musste eine Apotheke aus Sachsen einspringen, weil Metoprolol die Versandapotheke in die Knie zwang und diese das Rezept nach drei Wochen (!) an den Patienten zurückschickte. Spätestens wenn der nächste Poststreik droht oder DHL weitere Problemkieze streicht, werden sich die Boni-Jäger an die Apotheke um die Ecke erinnern.

Mit unbequemen Kunden will auch die Shop-Apotheke offenbar nichts zu tun haben. Aufgepumpt mit Geld und Selbstbewusstsein lautet die Devise: Keine zu hohen Rabatte für Bestandskunden, verstärkte Fokussierung auf Produkte mit höheren Margen. Wer ein „Category Killer“ à la Zalando werden will, hat jedenfalls in Deutschland nichts zu verschenken, wenn er im Ausland wachsen will. Mit Unterstützung seitens der OTC-Hersteller ist allemal zu rechnen.

Rosinen picken aber nicht nur die Versandapotheken: dm & Co. verkaufen weiterhin ausgewählte Apothekenmarken; Eucerin hat vor dem Graumarkt kapituliert und vor dem Landgericht Hamburg die Apothekenexklusivität als Werbeaussage zu Fall gebracht. Bei Kaufland gab‘s Kohle-Compretten sogar im Ramschregal: „Super günstig, super lecker!“ Das dürfte Warentest gefallen, hat die Stiftung doch ihren Faible für Billigmedikamente entdeckt.

Übrigens gibt es nicht nur in der SPD Vorbehalte gegen ein Rx-Versandverbot. Ausgerechnet die „Apotheker-Partei“ FDP opfert ihre alten Freunde für den Neuanfang: „Es wäre falsch, die Apotheken unter Naturschutz zu stellen und den Versandhandel zu verbieten“, gab Parteichef Christian Lindner im Interview mit der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ) zu Protokoll. „Statt Verbote, die uns in das letzte Jahrhundert katapultieren, brauchen wir bessere Regeln für Wettbewerb.“

Das Kreuz im Bullshit-Bingo gemacht, machten die Apotheker ihrem Ärger in den sozialen Medien offen Luft. Doch auch dafür hatte Lindner wenig Verständnis, zumal er den Apotheken doch eine Rolle als Cannabis-Ausgabestellen zugedacht hatte: „Spannend, wie meine marktwirtschaftliche Position zu Versandhandel und Apotheken in der Branche aufgegriffen wird... Liberale können eben nicht einseitig für einen Anbieter Partei ergreifen. CL #ausFehlerngelernt #neueFDP“

Aus Fehlern gelernt hat Friedemann Schmidt: Der alternativlose ABDA-Präsident will sich im Politpoker wohl doch eine Alternative offen halten. Bei einer Konferenz des Berliner Tagesspiegels sprach er das aktuelle Thema Nr. 1 mit keinem Wort an – sondern forderte stattdessen eine Vergütungsreform. Fast konnte man den Eindruck gewinnen, er schwenkte schon einmal auf die SPD-Linie ein. Und weil er dabei dem Publikum eine Minute seiner Redezeit spendierte, gab‘s ein Lebkuchenherz. Na dann: Frohen 1. Advent.

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