Beratungstest

Formigran-Testkauf bereitet Kopfschmerzen

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Berlin -

Es gibt Testkäufe, da liegt der Fall klar: Die offensichtliche Kontraindikation wurde übersehen oder es wurde gleich gar keine Beratung angeboten. Doch so eindeutig ist es nicht immer – Arzneimittelversorgung ist selten schwarz-weiß. In diesem aktuellen Fall hat die Apotheke den Test nicht bestanden – fühlt sich aber aus pharmazeutischer Sicht im Recht. Wie hätten Sie entschieden? Jetzt mit den Kolleginnen und Kollegen austauschen!

Im Auftrag der Kammer hatte die Testkäuferin – selbst PTA – in der Apotheke Formigran verlangt. Die PTA im Handverkauf fragte zunächst, ob es sich um eine vom Arzt diagnostizierte Migräne handele. Als die vermeintliche Patientin dies bejahte, fragte die PTA nach der Einnahme anderer Medikamente und explizit nach Psychopharmaka. So weit alles bestens.

Die Testkäuferin gab an, dass Sie sonst keine Medikamente nehme, außer Amlodipin. Blutdrucksenker sind laut der Packungsbeilage von Formigran kontraindiziert, weil die gefäßverengende Wirkung des Migränepräparats sich negativ auf den Blutdruck auswirkt. Die PTA wollte diese mögliche Interaktion lieber mit einer Approbierten abklären und fragte ihre Chefin.

Am Ende entschied man sich zusammen für die Abgabe. Der Kundin wurde aber auch die erneute Rücksprache mit dem behandelnden Arzt empfohlen. Ausschlaggebend für die Entscheidung war vor allem die Schilderung der Gesandten der Kammer. Diese hatte auf Nachfrage angegeben, dass sie unter zwölf Stunden andauernden Migräneattacken mit Aura und Übelkeit leide. Die Kontraindikation mit dem Blutdrucksenker war der Approbierten natürlich ebenfalls bewusst, sie entschied in diesem Fall aber, dass der Migräne dieser Intensität anders nicht beizukommen sei und befürwortete die Abgabe. Da die Testkäuferin zudem bestätigt hatte, dass ihr Arzt die Migräne diagnostiziert habe, ging die Inhaberin davon aus, dass der Hausarzt auch den Blutdrucksenker verordnet hatte.

Doch als sich die Testkäuferin anschließend offenbarte, erklärte sie den Test für nicht bestanden. Zwar habe die PTA gut beraten, das Problem mit der Kontraindikation aber nicht erkannt. Diese Bewertung kann die Apothekerin nicht nachvollziehen. Zum einen habe weder die ABDA-Datenbank noch „MediPlanOnline“ von Lauer-Fischer eine Kontraindikation als Warnung angezeigt. Auch die Scholz-Datenbank für Ärzte, auf die die Inhaberin im Rahmen ihres AMTS-Managements Zugriff hat, verbot die gemeinsame Abgabe nicht.

Die Apothekerin betont, dass sie Testkäufe seitens der Kammer absolut begrüße – auch an dem Setting und der Durchführung des anonymen Besuchs hat sie nichts einzuwenden. Sie wehrt sich aber gegen den Vorwurf, das Problem sei hier nicht erkannt worden. Schließlich habe man sich bewusst für die Abgabe entschieden. Mit eingeflossen sei dabei nämlich auch, dass die Patientin angegeben habe, nur Amlodipin zusätzlich einzunehmen. Ein allein verordneter Calciumkanalblocker deute eher auf eine Herzrhythmusstörung hin, nicht auf die klassische Behandlung einer Hypertonie.

Im Protokoll der Testkäuferin steht dagegen, sie habe gegenüber der PTA zusätzlich die Einnahme von Hydrochlorothiazid (HCT) angegeben. Vielleicht gab es hier ein Kommunikationsproblem, vielleicht erinnert sich eine der Beteiligten falsch – das lässt sich im Nachhinein nicht aufklären.

Für die Apothekerin fällt schwerer ins Gewicht, was die Kammer als Musterlösung vorgesehen hatte. Denn danach hatte sie sich erkundigt, als der Testkauf abgeschlossen war. Demnach hätte der Testkundin Paracetamol empfohlen werden sollen. Für die Inhaberin eine unbefriedigende Antwort. Schließlich habe Paracetamol bei der Behandlung von Kopfschmerzen in einer Studie sogar schlechter abgeschnitten als die Placebo-Gruppe. Einer Migräne-Patientin wäre damit aus ihrer Sicht sicher nicht geholfen. Und eine demnach gewissermaßen unbehandelte Migräneattacke in dem geschilderten Ausmaß hätte nach Einschätzung der Apothekerin allein wegen des Stresses wahrscheinlich einen schlechteren Einfluss auf den Blutdruck als das hier monierte Naratriptan.

Wie bewertet ihr den Testfall? Hättet ihr das Formigran in diesem Fall abgegeben oder ist Paracetamol tatsächlich die bessere Lösung? Hattet ihr auch schon kniffliger Testkäufe oder besondere Erlebnisse mit solchen? Jetzt mit den Kolleginnen und Kollegen austauschen: Im LABOR von APOTHEKE ADHOC „powered by“ Pohl-Boskamp.

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