Schuffenhauer

Die Abschied-Macher

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Berlin -

Wenn ein Schuffenhauer-Auto vor der Tür steht, ist das Schicksal einer Apotheke längst besiegelt. Dann heißt es Abschiednehmen für den Apotheker. Zum ersten Besichtigungstermin erscheinen die Mitarbeiter im Auto ohne Logo. Damit die Mitarbeiter nicht verunsichert werden und keine Gerüchte aufkommen.

Ein bisschen ist es wie in der Begräbnis-Branche. Niemand sieht gern einen Leichenwagen, weil er uns an die eigene Endlichkeit erinnert. Diskretion ist in der Branche der Apothekenräumung oberstes Gebot. Die Geschäfte liefen immer gut, aber seit sieben Jahren boomt die Branche. „Wir haben jede Woche eine Schließung“, sagt Geschäftsführer Heiko Schmidt.

Das Unternehmen ist klein, aber effizient und residiert im unterfränkischen Sulzheim. Firmengründer Bernd Schuffenhauer eröffnete es im Jahr 1982 und hat es vor einigen Jahren verkauft. Der Name wurde beibehalten. Weil er für Qualität steht. „Ich habe ihn übernommen, weil er in der Branche eine Institution ist“, erklärt Schmidt. Seine fünf Mitarbeiter und er wissen, wie man eine Apotheke schnell in ihre Einzelteile zerlegt, Verwertbares von Sperrmüll unterscheidet und den verkaufbaren Rest veräußert. Alte Tresore nimmt Schuffenhauer mittlerweile nicht mehr an: „Niemand möchte sie kaufen, weil sie keine Brandschutzklasse vorweisen können.“

Für viele Apotheker ist das erste Gespräch mit dem Spezialunternehmen eine ernüchternde Stunde der Wahrheit. Die meist vor Jahrzehnten teuer gekaufte Einrichtung soll plötzlich nur noch ein paar hundert Euro wert sein? Und potenzielle Abnehmer stehen eher nicht Schlange, obwohl doch alles so schön ist? Manchmal sind die Gegenstände auch gar nichts mehr wert, weil sich der Einrichtungsgeschmack geändert hat oder alles abgenutzt ist. „Viele Apotheker sind erstaunt, wenn sie am Ende noch etwas bezahlen müssen“, sagt Schmidt. Mehr als 2000 Euro seien das aber nie.

„Manchmal sieht man den Apotheken an, dass in den vergangenen 30 Jahren nichts investiert wurde. Antiquitäten sind so gut wie nie in alten Apotheken zu finden“, sagt Schmidt. Mit einer Offizinräumung ist es wie bei Omas altem Häuschen. Wer es kennt, hat vieles darin liebgewonnen, das bedeutet aber nicht, dass es bei Sotheby‘s in New York versteigert werden kann.

Nur selten schaffen alte Offizin-Einrichtungen eine zweite Karriere. Dann aber gleich beim Film. „Antike Apothekeneinrichtungen, die die Herzen höher schlagen lassen, waren die Leidenschaft von Herrn Schuffenhauer“, erzählt der Geschäftsführer. Alles, was vor 1900 gebaut wurde, hat er gesammelt. „Wir haben vier alte Apotheken auf Lager, sie stehen zwar zum Verkauf, aber kein moderner Apotheker würde sie kaufen. Eine Deckenhöhe von drei Metern hat heutzutage niemand mehr. Und auch der alte HV-Tisch passt nicht mehr in neu gebaute Räume.“

Aber im Film können die alten Möbelstücke glänzen. „Wir haben sie zum Beispiel für die Fernsehserie ‚Rote Rosen‘ und für die Dreharbeiten ‚Babylon Berlin‘ vermietet.“ Wenn es das Drehbuch verlangt, geht so eine alte Apotheke auch schon mal über den Jordan. „RTL mietete eine Einrichtung für ‚Die Flut‘, dann wurde kurzerhand das Drehbuch geändert und die Apotheke geflutet. Danach war alles kaputt.“ Kostenpunkt: 7000 Euro.

„Vom Stil her sind alle alten Apotheken ähnlich“, sagt der Experte. „Alles, was hochwertige Deko ist, zum Beispiel Porzellanstandgefäße, kaufen wir dem Apotheker ab.“ Meistens behalten die Apotheker, die ihre Offizin schließen, ein paar davon. Der Rest soll verkauft werden.

Eine weitere Besonderheit bei Schuffenhauer ist, daß alle vorhandenen Drogen und Chemikalien auf Wunsch mitgenommen werden können. „Sie werden im Originalbehältnis von uns übernommen und der ordnungsgemäßen Vernichtung zugeführt“, erklärt der Geschäftsführer. Zum Angebot des Unternehmens gehört auch der Vertrieb von Apothekenbedarf sowie Labor- und Rezepturgerätschaften.

„Ergänzend vermitteln wir gebrauchte Kommissionierer aller Fabrikate“, sagt Schmidt. Die meisten Apothekerinnen und Apotheker verkaufen aus Altersgründen: „Da läuft oft der Mietvertrag aus und sie überlegen, ob sie noch einmal fünf oder zehn Jahre in einen kostspieligen neuen Vertrag einsteigen sollen“, sagt der Experte. Je nach Lage und Prognose fällt dann die Entscheidung.

Von den Schuffenhauer-Mitarbeitern gibt es nicht viele Fotos. Aus gutem Grund. Sie arbeiten gern unerkannnt. Während der Firmengründer in der Branche eine bekannte Figur war, kann sein Nachfolger durch die Offizin gehen, ohne erkannt zu werden. „Wir kommen häufig in einem Stadium, zu dem die Mitarbeiter von den Plänen des Chefs noch nichts wissen sollen.“ Und im Idealfall auch nichts ahnen.

Derzeit bereiten sich die Schuffenhauer-Mitarbeiter auf die Hauptsaison vor. „Ende des Jahres schließen die meisten Apotheken“, weiß der Geschäftsführer, „viele Apotheker wollen noch das Weihnachtsgeschäft mitnehmen.“ Dann gehen die Lichter in der Offizin für immer aus. Am liebsten ist es den Räumungsexperten, wenn der Apotheker oder die Apothekerin in den letzten Tagen nicht vor Ort ist. Zu viel Wehmut schadet nämlich der Arbeit. Obwohl man das Wort durchaus auch bei Schuffenhauer kennt: „Manchmal gibt es Apotheken, die haben mit uns eröffnet und schließen auch wieder mit uns“, erzählt der Geschäftsführer.

Und gelegentlich gibt es schlimme Schicksale, die die Mitarbeiter erleben. „Einmal hat sich ein Apotheker, der Messi war, erhängt. Vom Keller bis zum Dachboden war alles voller Gerümpel und Zeitungen. Aber so etwas ist zum Glück ein Einzelfall.“ Besonders schlimm sind die ersten beiden Tage einer Räumung. „Da sieht es wirklich wild aus. Wenn der Apotheker das sieht, schlägt er dann oft die Hände über dem Kopf zusammen und ist den Tränen nahe, weil es doch sein Lebenswerk ist. Wir raten, erst am dritten Tag wiederzukommen.“

Am liebsten sind den Schuffenhauer-Mitarbeitern Apotheker, die am Anfang der Woche die Schlüssel vorbeibringen, gern auch Kaffee, Eis oder Kuchen und dann erst am Ende der Arbeiten wieder auftauchen, wenn alles besenrein geräumt ist. Das schont die Nerven, auf beiden Seiten.

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