Koronare Herzkrankheit

Pentalong: 55 Jahre Nitropenta

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Berlin -

Die organischen Nitrate haben seit Jahrzehnten einen festen Platz in der Therapie der koronaren Herzkrankheit (KHK). Einer der Wirkstoffe feiert mittlerweile seinen 55. Geburtstag: Pentaerithrityltetranitrat (PETN), bekannt aus Pentalong (Puren), kann auf eine lange Geschichte zurückblicken.

PETN gehört zur Wirkstoffgruppe der gefäßerweiternden Mittel auf Nitrobasis. Es wirkt direkt relaxierend auf die glatte Gefäßmuskulatur des Herzens. Es handelt sich bei dem Wirkstoff um ein Prodrug: PETN wird im Körper zur aktiven Substanz Stickstoffmonoxid (NO) umgewandelt. Diese erweitert die Gefäße, fördert somit die Durchblutung und beugt dadurch Angina pectoris und KHK vor. Die venöse Kapazität nimmt zu, das zum Herzen fließende Blut verlangsamt sich. Außerdem nehmen der kardiale Füllungsdruck und die Wandspannung ab: Dadurch sinkt der Sauerstoff- und Energiebedarf des Herzens.

1964 wurde PETN erstmals in der damaligen DDR und somit vor dem Arzneimittelgesetz (AMG) vorgestellt, nach dem seit 1976 Nachweise von Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit Voraussetzung für die Zulassung sind. Innerhalb kurzer Zeit etablierte sich der Wirkstoff als Pentalong in der Behandlung der chronisch stabilen Angina pectoris. Im Westen standen den Ärzten zu dieser Zeit in erster Linie die Mono- und Dinitrate zur Verfügung: Isosorbid-Mononitrat (ISMN) und Isosorbid-Dinitrat (ISDN) zählen ebenfalls zu den organischen Nitraten. Der Körper gewöhnt sich sehr schnell an diese Nitrate. Daher kommt leicht zu einer Abschwächung der Wirkung, einer sogenannten „Nitrattoleranz“. Dieser kann jedoch durch eine längere Einnahmepause von etwa zwölf Stunden vorgebeugt werden. PETN führt nicht so stark zu Rebound und Toleranz wie die anderen Vertreter.

Erst nach 1989 erlangte PETN auch in westdeutschen Praxen Bekanntheit: Nach der Wiedervereinigung wurde damit auch für den weiteren Vertrieb des in der ehemaligen DDR vermarkteten Produkts eine Nachzulassung nötig. Sie wurde im Jahr 1994 fristgerecht beantragt. Nach neun Jahren erließ das BfArM 2003 einen Mängelbescheid: Die Behörde sah die Wirksamkeit von Pentalong nicht zweifelsfrei nachgewiesen. Ende 2005 lehnte das BfArM die Nachzulassung des Herzmedikamentes schließlich ab.

Zur gleichen Zeit übernahm Actavis den Hersteller Alpharma-Isis, der Pentalong damals vertrieb. Gegen den Versagungsbescheid legte Actavis im Januar 2006 erfolgreich Einspruch ein. Im November 2007 einigte sich das Unternehmen mit dem BfArM außergerichtlich: Demnach durfte Actavis mit einer Studie die Wirksamkeit des Präparates nachträglich nachweisen. Im Sommer 2011 sollte Actavis eine internationale Studie an mehr als 700 Patienten mit Angina pectoris vorlegen.

Seit Mitte 2011 hatten Ärzte vor allem in den neuen Bundesländern Schreiben bekommen, in denen sie aufgefordert wurden, Pentalong nicht mehr auf Kassenrezept zu verschreiben. Ansonsten drohen Regresse. Die Kassen argumentieren, dass die Nachzulassung des einstigen DDR-Medikaments abgelehnt worden sei. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) hatte „auf Wunsch einiger Krankenkassen“ schriftlich klargestellt: Pentalong ist nicht mehr verordnungsfähig. Vertragsärzte, die das Präparat dennoch verschrieben, müssten mit Wirtschaftlichkeitsprüfungen rechnen.

Dagegen sahen Apotheker Probleme: Die Bayerische Landesapothekerkammer (BLAK) etwa warnte vor den Gefahren einer Wirkstoffumstellung für die Patienten: „Der Wirkmechanismus von Pentalong unterscheidet sich in einigen Aspekten von dem der anderen Nitrate. Angesichts des fragwürdigen Ansatzes sollte derartigen Bestrebungen entgegengetreten werden.“ Nach Einreichen der geforderten Studien wurde am 29. Juli 2016 die Nachzulassung schließlich erteilt und die Erstattungsfähigkeit durch die Krankenkassen dauerhaft rechtlich gesichert.

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