Kommentar

Jamaika: Warum ein Rx-Versandverbot wichtig ist

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Berlin -

Noch drei Wochen haben sich die Jamaika-Unterhändler verordnet, um sich auf die Eckpunkte für mögliche Koalitionsgespräche zu einigen. Für die Apotheker geht es bereits in dieser frühen Phase um viel. Die „Frage des Versandhandels“ muss dringend geklärt werden. Sonst verliert die Branche vier wichtige Jahre, in denen über ihre Zukunft entschieden wird. Ein Kommentar von Patrick Hollstein.

Dutzende Themen stehen in den Sondierungsgesprächen auf dem Programm, hunderte Detailfragen müssen geklärt werden. Offensichtlich wollen sich CDU/CSU, FDP und Grüne sicher sein, dass in den Koalitionsverhandlungen nichts schief geht. Schon jetzt zeichnet sich ab, dass in einem möglichen Dreierbündnis nichts dem Zufall überlassen werden soll. Kommt Jamaika zustande, werden die vereinbarten Inhalte in den nächsten vier Jahren abgearbeitet. Mit Überraschungen ist dann – wie schon zuletzt in der Großen Koalition – kaum zu rechnen.

Schon vor Beginn der eigentlichen Koalitionsverhandlungen müssen daher die Lobbyisten zu Hochtouren auflaufen. Denn bereits jetzt wird das Regierungspaket festgezurrt. Auch für die Apotheker werden die kommenden drei Wochen entscheidend sein: Bringen CDU/CSU das Rx-Versandverbot nicht durch, dürfte das Thema endgültig beerdigt sein. Dann können die EU-Versender an der Börse weiter Kapital einsammeln und in ihre Wachstumsstory investieren. Die Apotheken vor Ort müssten weiter zusehen, wie ihr Markt aus sicherer Entfernung und mit großen Geschützen sturmreif geschossen wird.

Ganz richtig hat die Union daher nicht nur die „Frage des Versandhandels“ auf die Agenda gesetzt, sondern die „flächendeckende Apothekenversorgung“ insgesamt. Denn es geht längst nicht mehr um die Frage, ob irgendwelche umtriebigen Gründer mit Nerd-Brille im niederländischen „Exil“ ein paar Arzneimittel in Päckchen packen. Es geht um die Frage, ob deutsche Patienten künftig in großem Stil aus dem Ausland mit Medikamenten versorgt werden. Ob deutsche Apotheken schließen müssen, damit holländische Firmen zu Lieblingen des Kapitalmarkts werden. Oder damit Amazon die Versorgung kranker Menschen zum Teil seiner Plattformökonomie machen kann.

Dass der Preis hoch sein wird, wenn man den Versandhandel zum Schutz der Apotheken verbieten will, steht außer Frage. FDP und Grüne haben sich demonstrativ festgelegt, dass der Pillenversand für sie zum 21. Jahrhundert einfach dazugehört. Und dass Jamaika das „Bündnis der digitalen Chancen“ werden soll, hört man in Heerlen und Venlo vermutlich auch gerne. Mit solchen Gemeinplätzen lässt sich aber keine Regierungspolitik machen. Ein funktionierendes Gesundheitswesen braucht die richtigen Rahmenbedingungen – und die muss die Politik setzen.

Der CDU-Arzneimittelexperte Michael Hennrich brachte es neulich in einem Interview auf den Punkt: Ihm sei nicht bekannt, dass Chroniker sich über mangelhafte Apothekenversorgung beklagen würden. Eine Herausforderung seien aber Fälle, in denen eine Versorgung über den Notdienst erforderlich sei. „Diese Problematik verschärft sich gerade durch mehr Versandhandel im Apothekensektor – nachts kommt kein Paketbote aus Holland.“

Entscheidend wird sein, den Ball zurückzuspielen: Wer findet, dass der Versandhandel eine Alternative ist, der sollte eine Lösung für diejenigen finden, die täglich vor Ort für die Patienten da sind, die Rezepturen herstellen und Notdienst leisten. Ein neues Honorarmodell wird nicht ausreichen, um den ungleichen Wettbewerb aufzulösen. Denn egal, wie groß der Zuschuss für solche Gemeinwohlaufgaben sein wird – es geht um eine gesundheitspolitische Grundsatzfrage: Wer den Versandhandel unterstützt, der akzeptiert, dass ein Teil der Versorgung dem deutschen Regelwerk entzogen wird. Und der kann gleich seine Verantwortung dafür abgeben.

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