Lieferprobleme

Retax mit Ansage

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Berlin -

Michael Mantell weiß, dass er retaxiert werden wird. Der Inhaber der Stifts-Apotheke in Dortmund hat ein Rezept beliefert, obwohl das Rabattarzneimittel nicht lieferbar war. Er sah sich in der Pflicht, dem Patienten zu helfen – und diesen Anspruch an sich und seine Arbeit will er auch nicht aufgeben. Ihn ärgert aber, dass die Apotheker mit den Problemen im Versorgungsalltag von Herstellern und Großhändlern alleine gelassen werden.

Eigentlich begann die Woche am Montagmorgen mit einer Standardsituation: Stammkunde, BIG direkt, Simvastatin 80mg, 100 Stück. Ein Blick in die Software zeigte Mantell allerdings, dass keiner der Rabattartikel lieferbar war: Aristo, Mylan dura und Axcount waren weder bei Phoenix noch bei der Sanacorp in Herne verfügbar.

„Das sind doch eigentlich große Niederlassungen“, wunderte sich Mantell. „Die müssten doch wenigstens ein Produkt da haben.“ Da er wusste, dass die Variante mit 80 Milligramm vergleichsweise selten vorkommt, rief er bei den Herstellern an. Bei Aristo hatte er noch im Hinterkopf, dass im Herbst mehrere Chargen zurückgerufen worden waren.

Das Berliner Unternehmen reagierte schnell und schickte ihm ein Fax: „Vielen Dank für die Bestellung des o.g. Produktes. Das Produkt wird auf Grund der hohen Nachfrage baldmöglichst nachgesandt. Bitte wenden Sie sich an Ihren Großhandel.“ Mantell grübelt noch, was er mit dem „Zettel“ anfangen soll. Eine echter Defektnachweis ist das Schreiben aus seiner Sicht nicht.

Doch es kam noch schlimmer: Bei Mylan dura weigerte sich die Mitarbeiterin am Telefon, ihm den gewünschten Nachweis auszustellen. Man habe Ware vorrätig, der Großhandel bestelle schlichtweg zu wenig, sei ihm mitgeteilt worden. Wie er denn nun weiter vorgehen solle, wollte Mantell wissen. Er solle sich an den Großhandel wenden, so die klare Ansage.

Bei Axcount bekam der Apotheker erst niemanden an die Strippe, sodass er auf den Anrufbeantworter sprechen musste. Der Rückruf später brachte dasselbe Ergebnis wie bei Mylan dura: Man sei lieferfähig und könne daher keine Bestätigung ausstellen. Direktbestellung sei möglich, aber keine Lieferung am selben Tag.

Seinem Patienten hat Mantell das Produkt von Betapharm mitgegeben – immerhin musste der seine Tabletten ohne Unterbrechung einnehmen. Zwar hat er die Nichtverfügbarkeit auf dem Rezept dokumentiert: „Aus meiner Sicht lag ja tatsächlich ein Defekt vor.“ Auch die entsprechenden Großhandelszeilen hat er ausgedruckt.

Doch mangels der geforderten handfesten Nachweise ist Mantell sich sicher: „Die Kasse wird mich retaxieren. Ich werde definitiv kein Geld für die erbrachte Leistung bekommen, sondern die Packung am Ende selbst bezahlen.“

An den Zynismus der Kassen hat sich Mantell gewöhnt. Was ihn aktuell ärgert, ist die Haltung der Hersteller. Aus Angst vor Vertragsstrafen drückten sich die Rabattpartner darum, Lieferschwierigkeiten zuzugeben. „Der Großhandel sagt, der Hersteller liefert nicht. Der Hersteller sagt, der Großhandel bestellt nicht. Das ist ein Streit, der auf dem Rücken der Patienten ausgetragen wird.“ Auch auf die Apotheker würden die Probleme damit abgewälzt, sagt Mantell: „Ich komme mit legalen Mitteln nicht aus dieser Situation heraus, ohne dass ich die Packung selbst bezahle.“

Retaxationen im Zusammenhang mit defekten Rabattarzneimitteln gibt es immer wieder. Die DAK Gesundheit hatte zuletzt wiederholt Rezepte mit dem MS-Mittel Copaxone (Glatirameracetat) beanstandet; hier geht es jeweils um vierstellige Beträge.Dr. Sebastian Schwintek, Geschäftsführer des Apothekerverbands Westfalen-Lippe (AVWL), sieht die Großhändler in der Pflicht, die Apotheken nicht hängen zu lassen. Gerade bei hochpreisigen Präparaten seien die Lieferanten ihrer gesetzlichen Bevorratungspflicht nicht immer nachgekommen: „Es gibt Unternehmen, denen es zu teuer ist, bestimmte Arzneimittel zu lagern.“ Wenn alle Großhändler ihrer Verpflichtung korrekt nachkommen würden, gäbe es weit weniger dieser Probleme.

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