Schmidt zum DAT-Abschluss

„Wir kommen mit unserer Haltung nicht weiter.“

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München -

Zum Abschluss des Deutschen Apothekertages in München lässt Friedemann Schmidt die Katze aus dem Sack: Statt philosophischer Gedanken präsentiert der ABDA-Präsident Klartext: „Wir stehen vor tiefgreifenden Veränderungen. Wir kommen mit unserer klassischen Haltung nicht mehr weiter.“ Zuvor hatten die Delegierten die Einsetzung einer ABDA-Reformkommission auf das kommende Jahr vertagt, die ABDA aber gezwungen, sich doch mit dem 2hm-Gutachten zu befassen.

Nach Schluss der Antragsdiskussion ergreift Schmidt wie stets das letzte Wort. Statt den Delegierten wie sonst für die Diskussionen zu danken und eine sichere Heimreise zu wünschen, spricht der ABDA-Präsident deutliche Worte. Damit hätte er auch seinen politischen Lagebericht zum Beginn des DAT eröffnen können: „Wir stehen vor einer gewaltigen Reform-Agenda. Wir haben ein unglaubliches Maß an Reformbedarf.“ Mit der „klassischen ABDA-Haltung, es soll so bleiben wie es ist, nur besser, werden wir nicht weiterkommen“, so Schmidt: „Wir werden echte Veränderungen erleben, denen wir uns stellen müssen“. Das Maß des Reformstaus sei übergroß.

Zuvor hatte die 330 Delegierten nach gut 30-minütiger Diskussion der Mut verlassen. Als letzter Tagesordnungspunkt stand er Antrag von Apotheker Michael Mantell zur Debatte, eine Reformkommission zur ABDA einzusetzen. Deren Organisationsstruktur solle durchleuchtet und wenn möglich verbessert werden, begründete Mantell seinen Vorstoß. „Viele, die hier sitzen, haben das Gefühl, dass nicht alles rund läuft, „pflichtete Apotheker Michael Beckmann bei: „Kommen Sie mal aus der Komfortzone raus.“ Es gehe nicht um Inquisition, sondern um Analyse. Man müsse sich Gedanken machen über die 68 Jahre alten Strukturen, forderte auch Apotheker Hans Rudolf Diefenbach.

„Was sie wollen, ist mir völlig unklar“, reagierte BAK-Präsident Dr. Andreas Kiefer vom Sitzungspodium herab. Auch ABDA-Präsident Schmidt wollte mehr über die Zielrichtung der Reformkommission wissen: Bitte konkretisieren Sie, geht es um die Satzung, die Geschäftsordnung, die Gremien, die Geschäftsstelle oder die politische Ausrichtung?“ Abgelehnt wurde zunächst ein Antrag, die Diskussion in einen Ausschuss zu verweisen. „Wir wollen, dass es endlich mal vorangeht“, sagte Apotheker Otmar Kattinger.

Bayerns Verbandschef Hans-Peter Hubmann verteidigte die ABDA-Strukturen als „einzigartig“, weil man trotz des föderalen Aufbaus nach außen mit einer Stimme spreche. Mehrere Apotheker wiesen auf die aktuelle schwierige Lage der ABDA angesichts der bevorstehende Gespräche mit Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hin und forderten, den Antrag auf nächstes Jahr zu vertagen. Mantell schloss sich dem schließlich an: Er sei schon zufrieden, dass so ausführlich darüber diskutiert worden sei. „Ich glaube wir können alle damit leben, im nächsten Jahr darüber zu reden. Ich ziehe meinen Antrag zurück.“

Zuvor hatten die Delegierten bereits anlässlich der Debatte über das 2hm-Gutachten ihren Frust abgelassen. Die Apothekerkammer Saarland hatte darin ein Gegengutachten von der ABDA einfordert. Kammerpräsident Manfred Saar kritisierte, die „Strategie des Todschweigens hat nicht funktioniert“. Das habe man zwei Tage zuvor bei der Spahns Rede erlebt. Auch die Kammer erhalte immer wieder Anfragen dazu. „Wenn wir nicht mitreden, wird über uns geredet“, so Saar und forderte von der ABDA eine „einheitliche Argumentationshilfe“.

ABDA-Geschäftsführerin Claudia Korf schilderte ausführlich ihre Sicht des 2hm-Dilemmas: Vom Bundeswirtschaftsministerium seien die von der ABDA vorgelegten Zahlen der Treuhand Hannover stets als „nicht hinreichend repräsentativ“ zurückgewiesen und deshalb das Gutachten beauftrag worden. Im Beirat des 2hm-Gutachten hätten Apotheker und Großhandel dann „auf der Anklagebank“ gesessen. „Wir mussten uns viel Böses anhören.“ Nach dem Bekanntwerden im November 2017 habe man für den damaligen Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) noch vor Weinachten eine erste Bewertung geschrieben. Darauf habe Gröhe angekündigt, es „in die unterste Schublade zu legen“. Im Januar 2018 habe der ABDA-Abteilungsleiter Dr. Eckart Bauer eine Präsentation erarbeitet, die man dem Sachverständigenrat, der Monopolkommission und der Bundesregierung vorgetragen habe, so Korf.

Auch den Kammern und Verbänden wurde die Präsentation vorgestellt, laut Saar wurde allerdings die Herausgabe an die Mitgliedsorganisationen verweigert. Für eine Gegengutachten fehle jetzt die Zeit, argumentierte Korf, „wir haben zu viele Pirouetten gedreht, aber alle Argumente liegen vor“. Korf kündigte an, dass die ABDA-Mitgliederversammlung im Dezember erste Daten der neuen ZI-Zahlen vorgelegt würden. Außerdem liege der erste Teil eines volkswirtschaftlichen Gutachtens zur Lage der Apotheken vor. Darin werde beschrieben, wie es ohne Rx-Versandverbot weitergehe.

So offen hat man selten von der ABDA eine Darstellung der Abläufe gehört. Diefenbach bedankte sich bei Korf für diese Information und regte an, ein Essay über den soeben vorgetragenen Inhalt zu verfassen und an die Apotheker zu verteilen: Damit könne der Frieden durch Friedemann wiederhergestellt werden.

Abwehren konnte die ABDA den Antrag am Ende dennoch nicht. Kammerpräsident Saar willigte ein, den Wortlaut zu entschärfen und im Antragstext den Begriff „Gegengutachten“ durch „Datenpanel“ zu setzen. Daher wird sich die ABDA jetzt gegen ihren Willen irgendwie doch noch mit dem 2hm-Gutachten befassen müssen.

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