Kommentar

Tiefe Risse im Apotheken-A

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Berlin -

350 Millionen Euro. Für diese Summe könnte in den kommenden Wochen das deutsche Apothekenrecht verramscht werden. Denn für umgerechnet 18.000 Euro pro Jahr und Apotheke soll der Politik der Freibrief ausgestellt werden, sich nicht mehr mit dem Rx-Versandverbot herumschlagen zu müssen. Der Ablasshandel könnte die Apotheken teuer zu stehen kommen. Denn unter dem Pflaster werden die Risse im Apotheken-A nicht heilen, sondern tiefer gehen.

Zwei Jahre lang wurde über die Folgen des EuGH-Urteils zur Preisbindung für verschreibungspflichtige Medikamente gestritten. Lange beharrte die ABDA auf einem Rx-Versandverbot, doch als neuer Gesundheitsminister machte Jens Spahn (CDU) schnell klar, dass das mit ihm nicht zu machen ist. Pünktlich zum Apothekertag hatte er die Standesvertreter mürbe gemacht.

Dass Spahn das Wahlversprechen seiner Partei umsetzt, glaubt aber innerhalb der ABDA so gut wie keiner mehr. Noch nicht einmal Gleichpreisigkeit scheint mehr ein erreichbares Ziel zu sein. Als einziger Standesvertreter machte der saarländische Kammerpräsident Manfred Saar („Nicht mit mir!“) in dieser Woche bei der Sitzung des Gesamtvorstands seinem Ärger Luft. Alle anderen Hardliner hatten ihre Abwehrstellung geschlossen geräumt.

Nun geht es also nur noch um den Preis. Dass Spahns Amtsvorgänger Hermann Gröhe das Rx-Versandverbot noch in den Koalitionsvertrag gebracht hatte, mag in den Verhandlungen noch das eine oder andere Zugeständnis bringen. Wenn man so will, geht es jetzt quasi darum, das Rx-Versandverbot meistbietend zu verkaufen.

Nun war der ABDA lange vorgeworfen worden, vor politischen Realitäten die Augen zu verschließen. Doch genau genommen ändert sich daran auch nach dem aktuellen Kurswechsel nichts. Denn selbst wenn sich die Apotheker das eine oder andere neue Aufgaben- und Einkommensfeld erschließen sollten: Die strukturellen Verwerfungen sind mit dem Strukturfonds nicht vom Tisch.

Im Gegenteil. In vollem Bewusstsein der eigenen Hilflosigkeit und in der stillen Hoffnung, sich bis zur Rückkehr in den Status quo ante irgendwie über die Zeit zu retten, haben die Apotheker vor vielen Entwicklungen die Augen verschlossen. Das ausländische Versender sich nicht an die Preisvorschriften halten müssen, ist nur der Gipfel des Eisbergs. Dieselben Versender scheren sich genauso wenig um das Fremdbesitzverbot oder GDP-Vorschriften.

Dass sich der Versandhandel im 21. Jahrhundert wahrscheinlich nicht mehr zurückdrehen lässt, bedeutet aber nicht, dass er unreguliert bleiben muss. Das hat in dieser Woche ausgerechnet der Bundesgerichtshof (BGH) noch einmal höchstrichterlich zu Protokoll gegeben – und dem Gesetzgeber die Hausaufgabe aufgegeben, sich endlich über einen Holland-Paragrafen Gedanken zu machen. Solche ordnungspolitischen Erwägungen werden auf Spahns Basar wohl nicht geboten.

Und Europa? Auch mit der Demütigung des EuGH-Urteils will sich der BGH nicht abfinden. Die Kollegen in Luxemburg hätten keinerlei Feststellungen dazu getroffen, inwiefern die Preisbindung die flächendeckende Arzneimittelversorgung sichere. „Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass in anderen Verfahren, in denen die Frage der Vereinbarkeit des deutschen Arzneimittelpreisrechts mit dem europäischen Primärrecht in Streit steht, diese Feststellungen nachgeholt werden können“, so der Wink mit dem Zaunspfahl. Es wird Zeit, sich mit dem Plan C zu beschäftigen.

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