Kommentar

Politische Impotenz

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Unsere europäischen Volksvertreter schimpfen gerne über die EU-Kommission. Weil die Kommissare sich Kompetenzen gönnen, die ihnen nicht zustehen. Weil sie Vorschläge aus dem Parlament ignorieren. Weil sie immer selbstgerechter werden. Das Problem der Abgeordneten ist aber ihre politische Impotenz: Das Europäische Parlament verfügt über kein Initiativrecht, kann also keine eigenen Gesetzesvorhaben abstimmen. Die Abgeordneten dürfen nur Ergebniskosmetik an den von der Kommission eingebrachten Gesetzen vornehmen. Und selbst diese Kompetenz müssen sie sich mit dem Rat der Europäischen Union teilen.

Schriftliche Erklärungen sind insoweit eine Besonderheit: Hier dürfen Abgeordnete kreativ sein, die Initiative ergreifen, andere aufrütteln. Traurige Realität: In den vergangenen Jahren passierten nie mehr als acht Erklärungen das Parlament und wurden der Kommission vorgelegt. Mit der mangelnden Unterstützung der Erklärung für die freien Berufe haben die Parlamentarier erneut eine Chance ausgelassen, ihre Position gegenüber der Kommission zu stärken. Denn die Initiative der CSU-Abgeordneten Dr. Angelika Niebler richtete sich auch gegen den eigenwilligen Liberalisierungskurs der Brüsseler Behörde.

Immerhin ein Viertel der Abgeordneten hatte Niebler überzeugt. Tatsächlich hat zeitgleich nur die Erklärung zu Fibromyalgie mehr Unterschriften von Abgeordneten erhalten - vielleicht aus Angst vor Nachfragen. Vielen Parlamentariern ist es lästig, nach den langen Sitzungen auch noch zahllose Erklärungen zu fettleibigen Kindern, LKW-Überholverbot oder der Verwendung des Begriffes „nachhaltig“ zu studieren. Manche fühlen sich von ihren Kollegen bedrängt. Andere unterschreiben prinzipiell nichts, wenn sie nicht vorab mitdiskutieren durften. Am liebsten als geachtete Abgeordnete auf Einladung von Lobbyvertretern in geschlossenen Arbeitskreisen und abgedunkelten Hinterzimmern. Doch diese Potenz ist eine trügerische.

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