Multiple Sklerose

Interferon beta: Keine Auswirkungen auf Schwangerschaft

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Berlin -

Auf der Jahrestagung des „European Committee for Treatment and Research in Multiple Sclerosis“ (ECTRIMS) wurden neue Daten zu Schwangerschaftsausgängen nach Behandlung mit Interferon beta (IFN β), einschließlich des Medikaments Rebif (Interferon beta-1a) vorgestellt, wie der Pharmakonzern Merck mitteilt.

Die vorgestellten Ergebnisse lieferten keine Hinweise darauf, dass die Behandlung mit IFN β vor oder während der Schwangerschaft Auswirkungen auf das Geburtsgewicht oder den Kopfumfang des ungeborenen Kindes habe. Die Ergebnisse basieren auf Daten der finnischen und schwedischen Schwangerschaftsregister, die zwischen 1996 und 2014 erhoben wurden. „Erhält eine Frau die Diagnose MS, ergeben sich womöglich Fragen in Bezug auf die Fortsetzung der Behandlung während einer Schwangerschaft und mögliche Folgen für das ungeborene Kind. Wir sind stolz darauf, in Zusammenarbeit mit Universitäten und Gesundheitsbehörden, Ärzten und Patientinnen relevante Sicherheitsinformationen bereitzustellen“, sagte Dr. Maria Rivas von Merck.

666 Lebendgeburten unter IFN-β-Exposition und 1330 Lebendgeburten ohne Exposition wurden insgesamt ausgewertet. Dabei fielen die Ergebnisse der Schwangerschaftsausgänge ähnlich aus: Es zeigte sich kein statistischer Unterschied zwischen Patientinnen mit und ohne IFN-β-Exposition. Die Prävalenz von für ihr Geburtsalter zu klein oder zu leicht geborenen Säuglingen lag in der Expositionskohorte bei 2,1 Prozent, verglichen mit 2,0 Prozent ohne Exposition. Für ihr Geburtsalter zu große Säuglinge kamen in 0,8 Prozent der Fälle vor, verglichen mit ebenso 0,8 Prozent ohne IFN-β-Exposition.

Ein niedriges Geburtsgewicht kam unter IFN-β-Exposition bei 3,9 Prozent vor, ohne Exposition bei 4,8 Prozent. Bei 619 termingerechten Geburten mit IFN-β-Exposition lag die Prävalenz eines geringen Kopfumfangs bei 1,9 Prozent bei 1219 termingerechten Geburten ohne Exposition betrug die Prävalenz 1,1 Prozent. Diese Ergebnisse stützen die vor Kurzem vorgestellten Sicherheitsdaten, die darauf hinweisen, dass eine IFN-β-Exposition das Risiko für spontane Fehlgeburten oder andere Schwangerschaftsausgänge, wie Eileiterschwangerschaften oder fetale Missbildungen, nicht erhöht.

„Die meisten Frauen erhalten die Diagnose MS in einer Lebensphase, in der sie sich mit der Familienplanung beschäftigen. Dadurch gestaltet sich die Behandlungsentscheidung komplexer“, sagte Professor Dr. Kerstin Hellwig, Fachärztin für Neurologie am St. Josef-Hospital. Die neuen Daten würden somit zu einem besseren Verständnis der Sicherheit einer Interferon-beta-Behandlung während der Schwangerschaft beitragen. Aktuell ist für den Geltungsbereich der EU laut Europäischer Arzneimittelagentur (EMA) der Beginn der Behandlung mit Rebif während einer Schwangerschaft kontraindiziert. Merck hat bei mehreren Zulassungsbehörden die Aufnahme von Sicherheitsdaten aus den Interferon-Registern in die Fachinformation beantragt, die Prüfung dieser Anträge läuft derzeit.

Die Behandlung von MS in der Schwangerschaft kann mit Risiken verbunden sein: Erst vor kurzem empfahl die EMA, das das oral angewendete Medikament Gilenya (Fingolimod) nicht bei Schwangeren und gebärfähigen Frauen einzusetzen, die keine wirksame Verhütung anwenden. Während der Behandlung und bis zwei Monate nach Absetzen des Arzneimittels müssen wirksame Verhütungsmittel angewendet werden. Wird eine Patientin unter der Einnahme von Gilenya schwanger, muss die Einnahme sofort beendet und die Schwangerschaft engmaschig überwacht werden.

Der Wirkstoff Fingolimod kann das Ungeborene schädigen: Das Risiko von Fehlbildungen bei Säuglingen, die während der Schwangerschaft im Mutterleib Gilenya ausgesetzt waren, scheint doppelt so hoch zu sein wie das in der Allgemeinbevölkerung beobachtete Risiko von 2 bis 3 Prozent. Die häufigsten berichteten Fehlbildungen unter Fingolimod betrafen Herz, Nieren, Knochen und Muskeln. Darunter atriale und ventrikuläre Septumdefekte, Fallot-Tetralogie, Nierenanomalien und muskuloskelettale Anomalien.

Interferon beta ist ein krankheitsmodifizierender Wirkstoff zur Behandlung der schubförmigen Multiplen Sklerose, welcher als Injektionslösung angewendet wird. Er ähnelt dem körpereigenen Interferon-beta-Protein. Man nimmt an, dass Interferon beta an der Verringerung von Entzündungen beteiligt ist. Der genaue Mechanismus ist jedoch unbekannt. Rebif wurde 1998 in Europa und 2002 in den USA zugelassen und ist in mehr als 90 Ländern weltweit registriert. Im Januar 2012 genehmigte die Europäische Kommission die Indikationserweiterung von Rebif zur Anwendung bei Multipler Sklerose im Frühstadium.

Merck hat grade ebenfalls den Start der beiden zulassungsrelevanten Studien zur Untersuchung der Wirksamkeit und Sicherheit von Evobrutinib bei schubförmiger Multipler Sklerose (RMS) bekanntgegeben: Es ist laut Hersteller der erste orale, hochselektive Inhibitor der Brutontyrosinkinase (BTK) mit klinischem Proof-of-Concept bei schubförmiger MS. Insgesamt sollen 1900 Patienten in die Studien aufgenommen werden, das Studienende ist für Juni 2023 geplant.

Bei MS zerstören Immunzellen die isolierende Hüllschicht der Nervenfasern – die sogenannte Myelinscheide – sodass die Weiterleitung von Signalen gestört ist. Die meisten Patienten bemerken die ersten Symptome im Alter zwischen 20 und 40 Jahren. Die Symptome können unterschiedlich sein, wobei vor allem Sehtrübung, Taubheit oder Kribbeln in den Gliedmaßen sowie Kraftlosigkeit und Koordinationsprobleme auftreten. Am weitesten verbreitet ist die schubförmig verlaufende MS. Die Zahl der weltweit an MS erkrankten Menschen wird auf 2,3 Millionen geschätzt, Frauen sind häufiger betroffen als Männer.

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