Inhaberwechsel

Rudolstadt: Markt-Apotheke hat ihren 22. Inhaber

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Berlin -

Malerisch liegt die ehemalige Fürstenresidenz Rudolstadt in einem grünen Tal, umgeben von Wald und Bergen. Die historische Stadt hat viel zu bieten, bekannt ist sie vor allem für das Rudolstadt-Festival, das größte Weltmusik-Festival Deutschlands. Die Markt-Apotheke im Herzen der Stadt steht ihrer Umgebung da in nichts nach: Seit 364 Jahren befindet sie sich auf dem Rudolstädter Markt und hat in dieser Zeit 22 Inhaber gehabt, darunter Weltgrößen der Pharmazie. Der neue Chef hat vergangenen Montag seinen Dienst angetreten.

Der 27. Juli 1655 ist der Geburtstag der Markt-Apotheke in Rudolstadt. An besagtem Tag verlieh die Schwarzburg-Rudolstädtische Gräfin Aemilie Antonie der Stadt das Privileg zum Betreiben einer Apotheke. Dass das heute noch so gut nachvollziehbar ist, ist vor allem Dr. Michael Gutheil zu verdanken. Der langjährige Inhaber der Markt-Apotheke hat deren Geschichte zusammengetragen, niedergeschrieben und anlässlich des 350-jährigen Bestehens gar eine Ausstellung zu ihrer Geschichte auf die Beine gestellt.

Von den Privilegien, die der Apotheke zu ihrer Gründungszeit zugestanden wurden, können die meisten heutigen Inhaber nur noch träumen. Sie beinhalteten einen existenzsichernden Gebietsschutz und Konkurrenzausschluss mit zahlreichen Rechten, aber auch Pflichten. So hatte die Apotheke nicht nur die einzige im Ort zu sein, es wurde per Dekret auch beschlossen, dass „kein Landfahrer, Theriaks-Krämer, Zahnbrecher oder dergleichen“ in der Nähe der Apotheke seine Waren feilbieten durfte. 1739 wurde ihr der Titel Hofapotheke verliehen, den sie bis ins 20. Jahrhundert hinein führen durfte.

Anders als bei vielen ähnlich alten Apotheken, schreibt Gutheil, gab es bei der Markt-Apotheke aber „keine Besitzerkontinuität in Form familiärer Apothekerdynastien“ – dafür aber ein paar bekannte Namen. So kaufte der Erfurter Pharmazeut Professor Dr. Johann Bartholomäus Trommsdorf, der als einer der Begründer der modernen Pharmazie gilt, die Apotheke 1809 für 6300 Reichstaler. Auf Tromsdorff geht das noch heute bestehende gleichnamige Unternehmen zurück, sein Sohn hatte es 1837 eintragen lassen. Auch Tromsdorffs Neffe Christian Wilhelm Dufft und dessen Sohn Carl Waldemar Dufft machten sich einen Namen als Pharmazeuten und Chemiker weit über Rudolstadt hinaus einen Namen. Ersterer übernahm die Apotheke 1824 und führte sie bis zu seinem Tod 1852, danach war sein Sohn bis 1868 Inhaber.

Die wechselhafte Geschichte des folgenden Jahrhunderts spiegelte sich auch in der Markt-Apotheke, wie sie seit 1949 wieder heißt. 1956 wurde die Apotheke verstaatlicht und erhielt 1972 den Status einer Kreisapotheke. Damit fielen ihr zahlreiche zentrale Aufgaben für die Apotheken des Kreises zu, darunter Analytik, zentrale Augentropfenherstellung und zentrale Buchhaltung.

Die Doppelfunktion aus Apothekenleiter und Kreisapotheker forderte dem damaligen Chef einiges ab, zu viel, wie Gutheil schreibt. 1986 verstarb Oberpharmazierat Heinz Möller, Gutheil wurde sein Nachfolger und steuerte das Schiff durch die turbulenten Wendejahre. Die tiefgreifenden politisch-gesellschaftlichen Umwälzungen brachten neben der neu erlangten Freiheit auch einige unerwünschte Neuerungen mit sich, vor allem: Konkurrenz. So stieg die Zahl der Apotheken in Rudolstadt innerhalb von fünf Jahren von drei auf acht.

Nun, nach 35 Jahren im Betrieb und 33 Jahren als Leiter – respektive Inhaber – hat sich auch Gutheil zur Ruhe gesetzt. Und bei der Nachfolgersuche offenbar einiges an Glück gehabt. Die Konkurrenz ist zwar noch genauso zahlreich da, aber Thomas Schröder hat sich davon nicht abschrecken lassen. Der 38-jährige Pharmazeut ist ein lokales Gewächs. Im benachbarten Großkochberg geboren, hat er im 30 Kilometer entfernten Jena studiert, bevor es ihn nach München verschlug. Doch es zog ihn zurück in die Heimat. Mehrere Jahre hat er in Saalfeld gearbeitet, bevor er auf Gutheils Nachfolgersuche aufmerksam wurde. „Da habe ich dann gesagt, ich wage es und mache mich selbstständig“, erzählt Schröder.

Dabei hat er es in Rudolstadt nicht leichter als zuvor in München. „Natürlich ist die Kaufkraft in München extrem hoch, das sieht man auch am Sortiment“, sagt er. „Hier in Thüringen muss man schon sehen, was man ins Lager nimmt. Mit hochpreisigen Kosmetika beispielsweise braucht man da gar nicht anzufangen.“

Er sei allerdings auch nicht aus wirtschaftlichen Gründen zurückgekommen, sondern aus privaten. Die Heimat habe ihm gefehlt. Er allerdings auch der Heimat, wie die Reaktionen der Kunden zeigen. „Ich hatte erst heute wieder eine Kundin am Telefon, die mir sagte, wie froh sie sei, dass ich zurückgekehrt bin.“

Diese Herzlichkeit habe ihm in der Großstadt gefehlt, erzählt der frisch gebackene Inhaber. „Wir leben hier zum Beispiel von einem großen Anteil Stammkunden, die extra zu uns kommen. Das ist ein schönes Gefühl. In München geht man da in die Apotheke, wo man gerade unterwegs ist.“

Zumindest bei Schröder ist diese Treue nicht einseitig, auch er selbst ist sich der gesellschaftlichen Verantwortung seines Betriebes bewusst – der besteht nicht nur aus der Markt-Apotheke, sondern auch einer Filiale im zehn Kilometer entfernten Dörfchen Remda. „Auch wenn die Umsätze dort noch geringer sind, ist es mir sehr wichtig, dass die Filiale dort erhalten bleibt“, beteuert er. Nicht nur den Patienten, auch den Mitarbeitern gegenüber wolle er seine Verantwortung wahrnehmen. „Es ist ja auch wichtig für die Region, dass sich Unternehmen ansiedeln. Man muss den Mitarbeitern die Möglichkeit geben, hier zu bleiben.“

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