Nutzenbewertung

Onkologen fordern Pillen-TÜV

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Berlin -

Ergänzend zur frühen Nutzenbewertung soll für viele Onkologika auch eine späte Bewertung erfolgen. Das fordert die Deutsche Gesellschaft für Hämatologie und Medizinische Onkologie (DGHO). Grundsätzlich habe sich das AMNOG-Verfahren bewährt, so die Mediziner. Wenn sich eine abweichende Langzeitwirkung zeige, müsse aber für die Medikamente eine Wiedervorlage verpflichtend sein.

„In Ergänzung zur frühen Nutzenbewertung müssen nach einigen Jahren noch andere Fragen gestellt werden“, sagte Professor Dr. Bernhard Wörmann, Medizinischer Leiter der DGHO. So sei bei nicht wenigen Arzneimitteln erst im langfristigen Verlauf der Behandlung ein Zusatznutzen zu erkennen.

Beispielhaft nannte Wörmann das Krebsmittel Opdivo (Nivolumab), für das erst vor einigen Wochen beeindruckende Daten für das Langzeitüberleben veröffentlicht worden seien. Der wahre Zusatznutzen sei durch den Gemeinsamen Bundesausschuss (G-BA) zum Zeitpunkt der Überprüfung gar nicht erkennbar gewesen.

Wörmann sieht in einer langfristigen Überprüfung eine Chance für die Krankenkassen, die Arzneimittelpreise in den Griff zu bekommen. Mittlerweile gebe es neben der klassischen Chemotherape viele innovative Ansätze in der Onkologie. Die Wirkstoffe seien in Tablettenform erhältlich und nebenwirkungsarm, müssten aber kontinuierlich eingenommen werden.

Wenn sich zeige, dass ein Onkologikum über viele Jahre hinweg positive Effekte für den Patienten habe, könne man den Preis niedriger ansetzen, schlug der Mediziner vor. Denn dann habe der Hersteller die Chance, über viele Jahre hinweg an seinem Produkt zu verdienen und nicht nur in einer wenige Monate dauernden Therapie.

Kritisch sehen die Onkologen Überlegungen von Krankenkassen, Medikamentenkosten nur dann zu erstatten, wenn vom G-BA ein Zusatznutzen erkannt worden ist. „Es ist ein Irrtum zu glauben, dass ein fehlender Zusatznutzen bedeutet, das Medikament sei nicht wirksam oder nicht nützlich“, sagte Professor Dr. Stephan Schmitz vom Berufsverband der Niedergelassenen Hämatologen und Onkologen in Deutschland (BNHO). „Das AMNOG-Verfahren ist primär zur Preisfindung zwischen Krankenkassen und pharmazeutischen Unternehmen entwickelt worden. Es ist nicht geeignet, den Stand des medizinischen Wissens abschließend zu beurteilen“.

Gerade in der Onkologie sei der wissenschaftliche Fortschritt so schnell, dass G-BA-Entscheidungen häufig schon nach wenigen Monaten nicht mehr den aktuellen Stand der medizinischen Erkenntnisse darstellten. Außerdem könne der Arzt nicht ausschließlich nach epidemiologischen Gesichtspunkten behandeln, sondern müsse individuelle Faktoren des Patienten ebenso berücksichtigen wie medizinische Leitlinien und die Zulassungsdaten der Medikamente. „Der wirtschaftliche Faktor darf nicht im Mittelpunkt stehen“, warnte Schmitz.

Um Ärzten und beteiligten Apothekern eine umfassende Bewertung der Arzneimittel zu ermöglichen, hat die DGHO auf ihrer Website „Onkopedia“ die Rubrik „Arzneimittelbewertung“ ins Leben gerufen. Dort kann man zu mehr als 50 Krebsmedikamenten Informationen zur Nutzenbewertung, aber auch zu klinischen Studien und zum leitliniengerechten Einsatz abrufen. Außerdem bewertet die DGHO auf der Plattform die Entscheidungen des G-BA aus medizinischer Sicht.

„Der größte Vorteil für uns ist, dass uns durch die öffentlich verfügbaren Dossiers der Hersteller erstmalig die vollständigen Daten zur klinischen Effektivität der Medikamente zur Verfügung stehen“, freut sich Wörmann. „So können wir unseren Kollegen in der Praxis differenzierte Hinweise geben, zum Beispiel wie bestimmte Subgruppen am Besten zu behandeln sind.“

Das Portal ist nicht nur Ärzten zugänglich. Auch Apotheker und Patienten werden ausdrücklich aufgefordert, sich auf Onkopedia zu informieren. Die Plattform wird seit ihrer Entstehung viel genutzt: Im Schnitt rufen jeden Monat etwa 80.000 Menschen Informationen ab.

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