Arzneimittelskandal

Lunapharm: Millionenklage gegen Ministerium

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Berlin -

Seit Mitte Juli 2018 sorgt der Brandenburger Pharmahändler Lunapharm für negative Schlagzeilen. Das Unternehmen soll laut Bericht des ARD-Magazins Kontraste mutmaßlich in Griechenland aus Kliniken gestohlene Arzneimittel weiterverkauft haben. Die zuständigen Aufsichtsbehörden verboten Lunapharm den Handel. Das Unternehmen bestreitet die Vorwürfe – und schlägt jetzt zurück. Laut PR-Berater Klaus Kocks ist eine millionenschwere Schadenersatzklage gegen die Brandenburger Landesregierung in Arbeit. Das Gesundheitsministerium reagierte laut dpa gelassen auf die Ankündigung. „Wir leben in einem Rechtsstaat – und das ist gut so“, so Sprecherin Gerlinde Krahnert. Außerdem muss die ARD mit einer Klage rechnen.

In seinem jüngsten Bericht hatte Kontraste in einer Grafik Lunapharm ins Zentrum eines weitverzweigten europäischen kriminellen Netzwerkes gerückt. Kontraste zeigte auf, wie dubios die Vernetzungen von Lunapharm in ganz Europa sein sollen. Der Bericht bezog sich auf ein exklusives Dokument der Europäischen Arzneimittelbehörde (EMA), das belegen soll, wie verzweigt das internationale Geflecht um Lunapharm ist. Quer durch Europa sei ein verdächtiger illegaler Handel zu erkennen. Der Ursprung des Handels liege ein einer griechischen Apotheke, die bereits seit 2013 mit aus Krankenhäusern gestohlenen Arzneimitteln gehandelt haben soll.

In der Kontraste-Darstellung sieht Kocks die Grenzen der Verdachtsberichterstattung verletzt. Eine auf Presserecht spezialisierte Kanzlei bereitet nach Angaben des PR-Beraters rechtliche Schritte gegen das ARD-Magazin vor. Auf eine Millionenklage in dreistelliger Höhe muss sich auch die Brandenburger Landesregierung einstellen: Laut Kocks bereitet eine zweite Kanzlei eine Schadensersatzklage vor. Das Geschäft von Lunapharm sei zerstört, so Kocks.

Dem Potsdamer Gesundheitsministerium waren in Zuge der parlamentarischen Untersuchungen der Arzneimittelaufsicht erhebliche Versäumnisse vorgeworfen worden. Ex-Ministerin Diana Golze (Linke) musste ihren Hut nehmen. Dem Präsidenten des Landesamtes für Arbeitsschutz, Verbraucherschutz und Gesundheit (LAVG), Detlev Mohr, wurden die Kompetenzen beschnitten. „Für den Bereich Gesundheit wird er nicht mehr verantwortlich sein“, erklärte kürzlich Gesundheitsministerin Susanna Karawanskij (Linke).

In Zukunft wird laut Karawanskij eine Stabsstelle im Landesamt für den Bereich Gesundheit sowie für die Aufklärung des Arzneimittelskandals zuständig sein. Sie werde dem Ministerium unterstehen und die Leitung werde direktes Vortragsrecht bei Staatssekretär Andreas Büttner haben, kündigte die Ministerin an.

Das LAVG hatte Anfang September einen neuen Bescheid zum Ruhen der Herstellungserlaubnis an Lunapharm erlassen. Das Herstellen von Arzneimitteln wurde der Firma aus Blankenfelde-Mahlow für weitere drei Monate und damit bis zum 7. Dezember untersagt. Die Potsdamer Staatsanwaltschaft ermittelt gegen Geschäftsführerin Susanne Krautz-Zeitel wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und Verstößen gegen das Arzneimittelgesetz. Laut Staatsanwaltschaft dauern die Ermittlungen an. Ein Ende ist nicht in Sicht.

Öffentlich geworden war der mutmaßliche Skandal Mitte Juli durch einen Bericht des ARD-Magazins. Lunapharm soll nicht nur in Griechenland aus Kliniken entwendete Zytostatika in Deutschland weiterverkauft haben. Beim Transport sollen die Arzneimittel zudem unsachgemäß gelagert worden sein. Angeblich wurden die Arzneimittel in einen Athener Fischmarkt zwischengelagert. In einer ersten Reaktion auf den Bericht schloss das Gesundheitsministerium eine Gefährdung von Patienten aus und gab an, von den Vorwürfen der Hehlerin nicht gewusst zu haben.

Nach und nach wurde allerdings klar, dass sowohl das LAVG als auch das Ministerium Kenntnisse über die in Rede stehenden Vorwürfe hatten. Lunapharm selbst bestritt diese stets. Es wurden Durchsuchungen durchgeführt, Akten beschlagnahmt und ein Arzneimitteltransport gestoppt. Inzwischen ist die Zahl der vom Pharmaskandal betroffenen Patienten gestiegen: 277 Patienten wurden identifiziert worden, die alleine in Berliner und Brandenburger Einrichtungen mit von Lunapharm gelieferten Arzneimitteln behandelt wurden.

Seit Mitte Oktober hat Krautz-Zeitel mit Kocks einen branchenweit bekannten PR-Profi engagiert. Kocks führt heute die PR-Agentur Cato und hat früher außer für VW auch für andere große Unternehmen die Kommunikation geprägt. Cato vertritt Lunapharm in allen Medienangelegenheiten sowie Fragen der Litigation-PR (Rechtsstreitigkeiten), der Mediation und der Public Affairs. Das Mandat werde von Kocks persönlich wahrgenommen. Kocks und Krautz-Zeitel kennen sich aus dem Rotary Club.

In einem Statement stellte sich Kocks mit der gebotenen Vorsicht hinter Krautz-Zeitel: „Die Geschäftsführerin der Lunapharm, Frau Susanne Krautz-Zeitel, ist mir als integre Persönlichkeit vertraut.“ Sie habe nach der Wende als Brandenburgerin ein mittleres Familienunternehmen aufgebaut, das nun „unter Verlust jeder Größenordnung zu einem Konzern im Feindbild Big Pharma stilisiert“ werde, dessen Geschäftsbetrieb man unterbinden müsse.

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