Brief an Spahn

Einladung: Erst Apotheke, dann Mehlbeutelessen

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Berlin -

Kürzlich hat Apotheker Dr. Joachim Schrot gemeinsam mit seinen Kollegen Maximilian Wilke und Maria Zoschke einen Protestmarsch durchs Berliner Regierungsviertel organisiert. Rund 400 Menschen schlossen sich der Demonstration für den Erhalt der Apotheke vor Ort an. Doch damit nicht genug: Wenige Tage später schrieb Schrot einen offenen Brief an Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) und lud ihn in seine Apotheke ein. Spahns Antwort steht noch aus.

Kein Verständnis hat Apotheker Schrot nach wie vor dafür, dass Spahn mit seinem Apothekenpaket den Rx-Versandhandel nicht verbieten will. Daher möchte er Spahn in seiner Apotheke ganz persönlich vom Rx-Versandverbot (Rx-VV) überzeugen und demonstrieren, wie eine Landapotheke funktioniert. Schrots Brutkamp-Apotheke liegt in schleswig-holsteinischen Albersdorf, einer 3700 Bewohner kleinen Gemeinde 70 Kilometer von Hamburg entfernt.

Am 12. April gäbe es für Spahn eine günstige Gelegenheit für einen Besuch in seiner Brutkamp-Apotheke, schrieb Schrot: „Aus der lokalen Presse konnte ich entnehmen, dass Sie am 12. April beim Mehlbeutelessen der Jungen Union Dithmarschen als Ehrengast anwesend sein werden und über die ‚Zukunft der ländlichen Gesundheitsversorgung‘ sprechen werden. Das passt doch hervorragend. Meldorf ist nur knapp 15 Minuten mit dem Auto von meiner Apotheke entfernt. Wenn Sie vor der Veranstaltung noch ein wenig Zeit haben sollten, würde ich Ihnen gerne vor Ort zeigen wie eine durchschnittliche Landapotheke funktioniert, in der der Versand Botendienst genannt wird und noch am selben Tag der Bestellung bedingungslos stattfindet – fühlen Sie sich herzlich eingeladen. Darf ich mit Ihrem Erscheinen rechnen?“ Spahns Antwort liegt noch nicht vor. Da Spahn allerdings häufig auf persönliche Einladungen reagiert, rechnet sich Schrot Chancen aus.

Und falls Spahn nicht auf eine Stippvisite vorbeischaut, hat Schrot in einem ausführlichen Brief seine Sichtweise aufgeschrieben: Seine Brutkamp-Apotheke sei bezüglich Größe und Kundenzahl eher durchschnittlich: „Mir geht es dementsprechend durchschnittlich gut; ich nage weder am Hungertuch, noch kann ich mir ein Leben in unnötigem Luxus leisten“, so der Apotheker. Er schreibe nicht, um sich zu beschweren, sondern um die aktuelle Situation eines Durchschnittsapothekers sowie die momentanen Ängste und Sorgen zu schildern: „Ängste und Sorgen, die vor allem auf der bevorstehenden Liberalisierung des Arzneimittelmarktes zugunsten internationaler Großkonzerne wie Amazon, Zur Rose & Co gründen.“

Kürzlich sei seinem Apothekenteam vom Ortsvorstand der CDU sogar der „Freundlichkeitspreis“ überreicht worden, berichtet Schrot. Das sei ein Preis, über den die Bevölkerung vor Ort abstimme, und der insbesondere aufgrund der „Freundlichkeit sowie dem anerkennenden, respektvollen und wohlwollenden Umgang mit den Kunden und Mitmenschen“ verliehen werde. Seine Apotheke sei „stets um die Gesundheit der Kunden besorgt, engagiert und mit Freude tätig“ sind. In Zeiten, in denen zunehmend anonym im Internet gemeckert werde, sei diese Auszeichnung gar nicht hoch genug zu bewerten, so der Apotheker.

Auch der CDU-Preis zeige, dass Apotheken mehr seien als nur Arzneimittelabgeber: „Wir sind ein Ort des Vertrauens, des Respekts, der Toleranz, ein Ort der sozialen Wärme. Bei uns stimmt sogar die Frauenquote!“ Apotheker lebten mit „ihrer Kundschaft in einer Symbiose, in der sie von unserer persönlichen Nähe profitieren“. Nicht der Profit wie bei den großen Versandhäusern stehe bei Vor-Ort-Apotheken an erster Stelle steht, „sondern vor allem die ordnungsgemäße, sichere, persönliche, vertrauensvolle und ständig durchführbare Abgabe der Arzneimittel, zu der insbesondere die Überwachung durch entsprechende örtliche Landesbehörden, die räumliche Nähe der Apotheke sowie Notdienste gehören – all das trifft auf die ausländischen Arzneimittelversender nicht zu!“ Zusätzlich dienten EU-Versender in Deutschland nicht als Arbeitgeber, bildeten nicht die nächste Generation der Apothekenangestellten aus, zahlten keinen Cent Gewerbesteuer an die hiesigen Gemeinden und leisteten damit keinen Beitrag für das soziale Gefüge.

Leider werde in der aktuellen Diskussion über die Apothekenlandschaft der Fokus zu häufig auf die wirtschaftlich überdurchschnittlich gut funktionierenden Apotheken als Musterbeispiel gelegt, sodass die Probleme der weniger gut funktionierenden Apotheken oftmals „nur müde belächelt“ würden. Schrot: „Eine Sorge betrifft jedoch alle Apotheken gleichermaßen: Wenn der Apothekenmarkt durch die geplante gesetzgeberische Reform wesentlich unsicherer und damit noch unattraktiver wird, werden selbst Apotheken in bester Lage im Ärztehaus und mit hoch frequentierter Laufkundschaft massive Nachwuchsprobleme bekommen, wodurch selbst diese nicht vor Schließungen sicher sind.“

„Also was, sehr geehrter Herr Minister, soll für die Patienten und Apotheken an dem System des EU-Versandhandels so interessant sein, in dem kein persönliches Verhältnis zur Kundschaft aufgebaut wird, in dem hauptsächlich der Profit zählt, jedoch die individuellen Bedürfnisse einer erkrankten Person in der Massenabfertigung auf der Strecke bleiben, in dem die Ware Heilmittel immer mehr zur Ramschware verkommt, in dem sich die Dichte der Präsenzapotheken in einer Abwärtsspirale befindet, in dem immer mehr Arbeitsplätze verloren gehen?“, fragt Schrot und fordert von Spahn: „Sie sollten Ihren Fokus also nicht auf dieses destabilisierende System legen. Sorgen Sie bitte endlich für vernünftig stabile Rahmenbedingungen, damit auch der Nachwuchs wieder in Erwägung zieht in einer Präsenzapotheke arbeiten zu wollen. Sorgen Sie bitte endlich mit entsprechenden Argumenten dafür, dass die Missgunst, mit der darauf geachtet wird, dass den Apothekern nichts geschenkt wird‘, aus der Diskussion über die zukünftige Apothekenlandschaft verschwindet“.

Wer Politik gegen die Apotheken macht, betreibe auch Politik gegen die Bevölkerung. Apotheken seien ein wichtiger Grundpfeiler der Gesundheitsversorgung und weitaus mehr als nur Arzneimittelabgabestellen und sollten auch politisch dementsprechend mit gebührendem Respekt betrachtet werden. Kritik übt Schrot an Spahn neuen Plan, der Rx-Boni für Privatpatienten zulässt: „Ist es wirklich in Ihrem Interesse, dass dann die Möglichkeit besteht, sich mehrere Verordnungen bei verschiedenen Ärzten und auf dem Weg der Telemedizin über abhängig machende Schlafmittel zu organisieren, um diese dann zu Spottpreisen einzulösen?“

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