BMG-Datenaffäre

Freihändig zuständig

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Berlin -

Das Verfahren um den mutmaßlichen Datendiebstahl im Bundesgesundheitsministerium (BMG) wird seit nunmehr über einem Jahr vor der falschen Kammer des Berliner Landgerichts verhandelt. Ausgesetzt wird das Verfahren trotzdem nicht. In der kommenden Woche soll der Staatsanwalt sein Plädoyer halten, die Verteidigung rund zwei Wochen darauf. Das Urteil könnte dann am 5. April verkündet werden.

Der Anwalt des Mitangeklagten Thomas Bellartz, Professor Dr. Carsten Wegner, trug heute vor, dass am LG Berlin laut Geschäftsverteilungsplan die (26. Große Strafkammer) für alle Datenschutzfälle ausdrücklich zuständig sei. Verhandelt wird aber vor der 1. Großen Strafkammer.

Laut Wegner ist das ein Verstoß gegen den Grundsatz des gesetzlichen Richters. Die mündliche Hauptverhandlung sei daher auszusetzen und an die Wirtschaftsstrafkammer zuzuweisen. Die Verteidigung des Angeklagten H. schloss sich dem Antrag an. H. soll Daten aus dem BMG gestohlen und an Bellartz verkauft haben. Bei diesem wurden aber nie Dokumente gefunden, die er nicht haben durfte.

Bellartz sei jedenfalls irritiert, so Wegner, dass die Staatsanwaltschaft die Frage der Zuständigkeit nie in den Blick genommen habe. Und dass, obwohl diese – allerdings unter einem anderen Gesichtspunkt – bereits am ersten Verhandlungstag gerügt worden war. Sollte die Kammer das Verfahren nicht aussetzen, wollte Wegner zumindest den Staatsanwalt im Zeugenstand sehen.

Beides wurde vom Gericht abgelehnt. Der Staatsanwalt habe die fehlende Zuständigkeit nie gerügt, auch bei der Kammer sei dies nicht aufgefallen. Die Verteidigung habe zwar die Zusammensetzung der Kammer gerügt, nicht aber die Zuständigkeit mit Verweis auf die 26. Strafkammer. Im Übrigen sei die hiesige Kammer mit Eröffnungsbeschluss des Hauptsacheverfahrens 23. November 2015 zuständig geworden.

Diese Ausführungen veranlassten wiederum H.s Verteidiger Nikolai Venn zu einer spontanen Gegenrede. Wie denn die Verteidigung eine Unzuständigkeit rügen solle, wenn die Kammer mit Eröffnung des Verfahrens automatisch zuständig sei? Der Geschäftsverteilungsplan des Landgerichts solle Bundesrecht brechen? Wegner schloss sich dieser Kritik an.

Der Vorsitzende Richter unterbrach für eine Viertelstunde – doch die Kammer hatte offenbar größeren Gesprächsbedarf: Erst nach fast einer Stunde ging es weiter. Dann wies die Kammer die Gegenvorstellung der Verteidigung mit kurzer Begründung zurück. Die Regelung zur Sonderzuständigkeit der Wirtschaftsstrafkammer sei im Geschäftsplan begründet. Bedenken gegen einen Wechsel der Zuständigkeit teile man nicht. Ein Wechsel zur 26. Kammer sei jetzt auch deshalb nicht geboten, weil etwaige Verstöße gegen das Bundesdatenschutzgesetz gar nicht mehr Gegenstand des Verfahrens sind.

Es sind dies die letzten Scharmützel vor dem großen Finale. Für den nächsten Verhandlungstag, den 38., bereitet der Staatsanwalt sein Plädoyer vor. Er hat sich im Verlauf des Verfahrens äußerst defensiv verhalten, nachdem er gleich am ersten Verhandlungstag einen unglücklichen Presseauftritt hatte, als er dem RBB gegenüber freimütig Inhalte aus der Anklageschrift ausgeplaudert hatte. Am 27. März sollen dann die Verteidiger plädieren, der nächste Termin ist auf den 5. April angesetzt. Dann könnte endlich ein Urteil verkündet werden.

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