Europaparlament

Liese: Keine Bestandsgarantie für deutsche Apotheken

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Berlin -

In ihrem Kampf für das Rx-Versandverbot hat der gesundheitspolitische Sprecher der christdemokratischen Fraktion im Europäischen Parlament, Dr. Peter Liese, die ABDA vor überzogener und pauschaler Europa-Kritik gewarnt. Liese griff in seiner Rede vor Apothekern in Iserlohn Hamburgs Kammerpräsident Kai-Peter Siemsen persönlich an: Dessen Ausführungen seien „nicht zielführend“. Zugleich hält Liese ein Rx-Versandverbot aber für EU-konform und will sich in Brüssel dafür stark machen. Er könne aber keine Bestandsgarantie für alle Apotheken geben.

Das EuGH-Urteil habe die Apotheken in Deutschland in eine „unakzeptable Lage gebracht“, so Liese, „wir müssen etwas dagegen tun“. Das Urteil führe zu Wettbewerbsverzerrungen. „Dies ist eine Diskriminierung, die Sie zu Recht beklagen“, so der EU-Parlamentarier. Das Geschäftsmodell von Präsenzapotheken, mit den Leistungen wie Beratungen nicht nur zur normalen Zeit, sondern auch nachts und am Wochenende, werde durch das System der Festpreise finanziert.

Dabei gehe es auch um das Thema „Fälschung von Arzneimitteln“, das in der deutschen Diskussion bislang nur am Rande vorkomme. In den vergangenen Jahren habe man viele dramatische Fälschungen von Arzneimitteln erlebt. Allein in Deutschland habe der Zoll 2015 im großen Stil gefälschte und illegale Arzneimittel aus dem Verkehr gezogen. Europäisches Parlament, Kommission und Ministerrat hätten deshalb bereits im Jahr 2011 eine Richtlinie zur Bekämpfung der Fälschung von Arzneimitteln beschlossen. Liese: „Arzneimittelfälschung ist ein Riesenproblem.“

Man habe selbstverständlich festgestellt, dass eine Vielzahl der gefälschten Arzneimittel eben nicht in den Präsenzapotheken abgegeben werden, also in der normalen Lieferkette, sondern über das Internet. Er wolle nicht pauschal die Versandapotheken verunglimpfen, so Liese weiter, aber das Internet sei grundsätzlich ein weniger sicherer Ort für Arzneimittel als die Apotheke vor Ort. Und die beschlossenen Maßnahmen griffen beim Versandhandel weniger gut als bei den Präsenzapotheken: „Ein Großteil der gefälschten Arzneimittel taucht im Internet auf. Man darf nicht alle Versandapotheken pauschal diskreditieren, aber es gibt ja schon ein Problem. Deswegen gibt es unabhängig von den anderen Argumenten aus meiner Sicht einen guten Grund, den Versandhandel verschreibungspflichtiger Arzneimittel grundsätzlich zu untersagen.“

Allerdings müsse in der Debatte „sachlich und gezielt“ argumentiert werde, setzte Liese in seiner Rede zur Kritik an. Auch wenn der Ärger über das Urteil verständlich sei, „so bitte ich doch um Maß“. Nicht „die“ Europäische Union sei verantwortlich für die jetzige Situation, sondern die Rot-Grüne Regierung, die im Jahre 2004 das bis dahin bestehende Versandverbot von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln aufgehoben habe: „Es waren Ulla Schmidt und andere, die sich auch jetzt gegen den Vorschlag von Hermann Gröhe wenden.“

Er halte trotzdem „manche Aussprüche“ in der Debatte wie vom Präsidenten der Hamburger Apothekerkammer, Kai Peter Siemsen, für „nicht zielführend“. Dann zitierte Liese Siemsen Aussagen: „Wenn ich bis heute gefragt habe, warum es so viel EU-Verdrossenheit und Frustration in der Bevölkerung gibt, spätestens jetzt weiß ich wie weit der Generalanwalt und der Richter von Bürgerinnen und Bürgern entfernt sind und wie konsequent die Kapitalkonzerne ihre Interessen gegen die kleinen Leute durchsetzen.“ Oder: „Es kann nicht sein, dass eine kleine Riege von Mächtigen die Sozialsysteme der Europäischen Nationalstaaten zerstört, die neoliberale EU-Krake müsse in ihre Schranke verwiesen werden.“

„Wir müssen alle aufpassen, dass wir uns nicht benehmen wie David Cameron“, verglich Liese Siemsen mit dem britischen EU-Kritiker. „Deswegen verallgemeinern Sie bitte auch nicht Kritik an der EU. Die EU ist für uns alle zu wichtig, um sie aufs Spiel zu setzen und leider steht unser Europa am Scheideweg und kann nicht mehr als selbstverständlich angesehen werden.“ Und gerade weil das Grundproblem, nämlich die Zulassung von Versandhandel für verschreibungspflichtige Arzneimittel nicht durch Europa, sondern durch deutsche Politiker hervorgerufen worden sei, sei „generelles Europabashing hier sicherlich fehl am Platz“.

In 21 Mitgliedstaaten sei der Versandhandel von verschreibungspflichtigen Arzneimitteln verboten, so Liese weiter. Bereits 2003 habe der EuGH entschieden, dass dies mit EU-Recht im Einklang steht. Liese: „Deshalb glaube ich, dass eine Wiedereinführung eines solchen Verbots in Deutschland auch mit EU-Recht konform ist.“ Die jetzt entstandene Situation sei nach einhelliger Auffassung der CDU „auf allen politischen Ebenen nicht akzeptabel und wir müssen sie ändern“.

Gleichzeitig müsse man aber mit den Apothekern gemeinsam überlegen, wie die innovative Entwicklung bei der Arzneimittelversorgung weiter vorangetrieben werden könne. Liese: „Um ehrlich zu sein, ich kann keine Bestandsgarantie für alle Apotheken in Deutschland geben, noch für alle Apotheken in der Stadt Iserlohn.“ Die Gesellschaft entwickele sich weiter und zumindest bei nicht verschreibungspflichtigen Medikamenten werde der Versandhandel sicher auch in Zukunft eine Rolle spielen. „Wir müssen auch die Situation der Patienten berücksichtigen, die ja freiwillig den Versandhandel in Anspruch nehmen“, so Liese.

Sein Hausapotheker in Meschede habe ihm vor Jahren gesagt, dass er diese Entwicklung gar nicht so kritisch sieht, weil er selber in bescheidenem Maße am Versandhandel beteiligt sei. Liese: „All dies müssen wir berücksichtigen, wenn wir zu einer guten Lösung kommen wollen, aber es muss eine Lösung sein, mit der alle gut leben können und deshalb brauchen wir eine gesetzliche Änderung in Deutschland“.

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