Interne Mails und Vermerke

Importquote: Wie Altmaier sich für Kohlpharma einsetzte

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Berlin -

Ärzte, Apotheken, AOKs, Patientenverbände und selbst das Gesundheitsministerium wollten Anfang 2019 Reimporte zurückdrängen. Doch E-Mails aus dem Wirtschaftsministerium, die WDR, NDR und SZ vorliegen, zeigen, dass sich Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) Mitte Januar persönlich bei seinem Kabinettskollegen Jens Spahn (CDU) für die Branche einsetzte. Wenige Tage später war die Abschaffung der Importquote vom Tisch.

Das Gesundheitsministerium legte im November 2018 zunächst einen Gesetzentwurf vor, in dem die Importklausel eingeschränkt werden sollte, Mitte Januar wollte Spahn die Klausel dann in einem überarbeiteten Gesetzentwurf sogar komplett abschaffen. Kurz zuvor hatte auch der Bundesrat die Regierung aufgefordert, die Importpflicht abzuschaffen. Einzig das Saarland stimmte dagegen. Kohlpharma sagt, die Abschaffung der Importklausel hätte „der Interessenlage“ der großen Pharmakonzerne entsprochen.

Kohlpharma selbst ist mit mehr als 600 Millionen Euro Umsatz und 800 Mitarbeitern einer der größten Arbeitgeber im Saarland. Der Firmensitz Merzig liegt im Wahlkreis von Altmaier. Laut internen E-Mails und Vorlagen aus dem Wirtschaftsministerium (BMWi), die WDR, NDR und Süddeutsche Zeitung mit Hilfe des Informationsfreiheitsgesetzes erlangt haben, hat sich Altmaiers Ministerium seit November 2018 massiv für den Erhalt der Importe eingesetzt.

In einem Vermerk des zuständigen Fachreferats zu Spahns Gesetzesentwurf vom 21. November heißt es bereits: „Für die Arzneimittelimporteure bedeutet die beabsichtigte Regelung eine Verschlechterung ihrer Marktbedingungen. Daher ist mit Widerstand der Importeure zu rechnen.“ Dennoch empfahl die Fachabteilung im BMWi die Zustimmung zur damals noch geplanten Einschränkung der Importregelung.

Auf einer Vorlage für Staatssekretärin Claudia Dörr-Voß vom 10. Dezember ist das Wort „Zustimmung“ aber mit rotem Stift durchgestrichen und handschriftlich „Leitungsvorbehalt“ hinzugefügt, das heißt, die Leitung des BMWi behielt sich das letzte Wort bei der vom Gesundheitsministerium (BMG) geplanten Änderung vor. Einen Tag später, am 11. Dezember, hieß es in einer E-Mail an die Fachabteilung im BMWi: „Bundesminister möchte dazu direkt mit Bundesminister Spahn sprechen.“

Am 8. Januar hält das BMWi in einem Vermerk zu einer Abteilungsleitersitzung mit ausdrücklichem Verweis auf den saarländischen Importriesen noch einmal fest: „Position BMWi: Minister-Vorbehalt („Kohlpharma“)“. Drei Tage später wendet sich Kohlpharma direkt per E-Mail an den Minister. „Sehr geehrter Herr Altmaier, wenn eine Änderung überhaupt Sinn macht, dann wäre es am Besten, die Ergänzungen aus dem Rahmenvertrag nachzuvollziehen. Gerne würde ich darüber kurz mit Ihnen telefonieren.“

Im Rahmenvertrag hatte sich der GKV-Spitzenverband einige Monate vorher mit dem Deutschen Apothekerverband auf eine Neuregelung bei den Importen verständigt. Importarzneimittel unter 100 Euro sollen demnach mindestens 15 Prozent günstiger sein, zwischen 100 und 300 Euro mindestens 15 Euro und ab 300 Euro nur noch 5 Prozent.

Kohlpharma räumt auf Nachfrage zu der E-Mail ein: „In einem wenige Tage später stattgefundenen kurzen Telefonat hat sich Herr Altmaier nach den ökonomischen Auswirkungen der geplanten Regelung erkundigt“, habe aber keine Zusagen gemacht.

Wenige Stunden nachdem die Mail von Kohlpharma bei Altmaier eintraf, wurde der Abteilungsleiter Gesundheitswirtschaft um eine Einschätzung („EILT sehr“) zu dem Vorschlag gebeten. „Für eine kurzzeitige Rückmeldung noch heute wäre ich sehr dankbar, gerne per Mail, damit wir BM [Bundesminister Altmaier, d. Red.] dies noch ergänzend zur Vorlage mitgeben können.“ In seiner Antwort hielt der Abteilungsleiter den Vorschlag von Kohlpharma für „nicht tragfähig“: „Er geht weiter hinter den Gesetzentwurf des BMG zurück und hinter die Position der Bundesländer.“

Doch nur sechs Tage später findet sich in einer E-Mail des BMG ans BMWi die Feststellung: „Wie bereits angekündigt, haben sich BM Altmaier und BM Spahn nach hiesiger Kenntnis zur Importregelung verständigt.“ Es folgten genau die Konditionen aus dem Apotheken-Rahmenvertrag, die Kohlpharma am 11. Januar an Peter Altmaier vorgeschlagen hatte. In einer Vorlage für Altmaier am 21. Januar heißt es: „Dieser Vorschlag entspricht inhaltlich dem Vorschlag, den Sie mit BM Spahn ausgehandelt haben.“ Damit bestünden „seitens des BMWI keine Hindernisse mehr für einen Beschluss durch das Kabinett“. Die Abschaffung der Importförderklausel war damit vom Tisch.

Mehrere Bundestagsabgeordnete berichten gegenüber WDR, NDR und SZ, dass sich vor allem ihre saarländischen Kollegen in den vergangenen Monaten massiv für den Erhalt der Importregel eingesetzt hätten. Warum auch Spahn nachgegeben und die Importklausel doch nicht abgeschafft hat, beantwortet das BMG auf Anfrage der Journalisten nicht. Ein Sprecher teilt dazu lediglich mit: „Kein Gesetzentwurf, der in den Bundestag eingebracht wird, wird ohne Änderungen vom Parlament beschlossen.“

Die Frage, ob Altmaier sich bei Spahn für das von Kohlpharma vorgeschlagene Preismodell eingesetzt hat, beantwortet das BMWi nicht. Altmaiers Sprecherin teilt nur knapp mit: „Zu etwaigen internen bilateralen Gesprächen nehmen wir wie üblich keine Stellung.“

Baden-Württembergs AOK-Chef Christopher Hermann wunderte sich über den Sinneswandel innerhalb der Bundesregierung. All die mit der Importquote verbundenen Probleme bleiben nun bestehen, sagt Hermann auf Anfrage. „Profiteure der Importförderung sind heute ausschließlich die Importunternehmen, deren Absatz per Gesetz garantiert wird.“ Seine AOK werde dagegen „weiterhin für die Abschaffung der Importquote eintreten“.

Kohlpharma selbst kann mit der neuen Regelung dagegen zufrieden sein, auch wenn „die jetzige Regelung für die Importeure eine deutliche Verschlechterung ist“, wie das Unternehmen offiziell mitteilt. Tatsächlich rechnet Geschäftsführer Jörg Geller aber auch damit, dass die neuen Regeln „wohl zu einer Umsatzausweitung führen“, weil sie so komplex seien, dass die Apotheker sie „wahrscheinlich übererfüllen“ werden.

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