Bürgermeister bedauert Schließung

„Reißleine gezogen, bevor es zu spät ist“

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Berlin -

Viele Jahre hielt die Stern-Apotheke ihre Stellung in der Chaussee, einem Stadtviertel von Neuwied. Jetzt musste der kleine Betrieb die Segel streichen. Bürgermeister Michael Mang verfolgt das auch den Internethandel verursachte Apothekensterben mit Sorge.

Der gebürtige Leipziger lebt seit 25 Jahren in der etwa 65.000 Einwohner zählenden rheinland-pfälzischen Stadt. Im letzten Dezember wurde der SPD-Politiker zum Bürgermeister gewählt. Gemeinsam mit Oberbürgermeister Jan Einig (CDU) stellt er die hauptamtliche Stadtspitze. „Wir haben die Verwaltung in zwei Dezernate aufgeteilt, ich bin unter anderem für Jugend und Soziales, das Ordnungsamt mit seinem Bürgerbüro, für Schule und Sport und die Volkshochschule zuständig, also für alles, was mit Menschen zu tun hat.“

So hält er qua Amt ein Auge auf die Apothekensituation in Neuwied. Das Aus für die Stern-Apotheke berührte ihn aber auch als einstiger Nachbar. „Ich hab zehn Jahre in der Ecke gewohnt“, erzählt Mang. „Den Inhaber Ralph-Holger Puth und sein Team kannte ich gut.“ Mang suchte das persönliche Gespräch. „Die Umsätze seien so stark zurückgegangen, dass sich der Betrieb nicht rechne, erzählte er mir.“ Die Anbindung an Arztpraxen oder Altenheime habe gefehlt. „Er könne die Apotheke nicht weiterführen, wenn er sich nicht überschulden wolle.“ In den letzten Jahren hätten neun Apotheken in der Stadt geschlossen, innerhalb kürzester Zeit gleich drei Betriebe Insolvenz anmelden müssen, berichtet Mang. Da habe Puth lieber selbst die Reißleine ziehen wollen, bevor es zu spät gewesen wäre.

Die Schließung habe massive Auswirkungen vor allem für ältere Mitbürger. „Für alle, die mobil sind, ist die Versorgung mit Medikamenten noch sehr gut, eine Apotheke ist für sie vor allem im Stadtzentrum immer erreichbar“, meint der Bürgermeister. „Doch was ist mit den Menschen in den Vororten, die nicht mehr so mobil oder chronisch krank sind? Da kann es durchaus passieren, dass da die Familie mit eingespannt werden muss.“

In Zeiten von Versandapotheken werde die Stern-Apotheke sicherlich nicht die letzte sein, die schließe, glaubt Mang. „Die Menschen sind sehr preissensibel.“ Auch andere Ladenbesitzer hätten zu kämpfen. „Die Auswirkungen von Amazon sind in jeder Innenstadt spürbar. Viele Läden sind da bereits kaputt gegangen. Da geht es um die Frage, ob noch alles vor Ort verfügbar ist.“

Im Konkurrenzkampf mit dem Netz will Mang eine Lanze für die Präsenzapotheke brechen. „Gerade ihre fachliche Beratung ist essentiell.“ Wenn es pressiere, gehe er lieber in die Apotheke als auf den Briefträger zu warten. „Sollte mal ein Medikament nicht vorrätig sein, nutze ich den Botendienst oder gehe selbst noch einmal vorbei, jung genug dafür bin ich noch“, sagt der fast 37-Jährige. Ob er ein in seiner Bundespartei durchaus umstrittenes Rx-Versandverbot befürwortet, mag er nicht sagen. „Da bin ich kein Fachmann.“ Aber um die Existenz der Vor-Ort-Apotheken zu sichern, plädiere er dafür, den Internetapotheken Grenzen setzen: „Man darf das rechtlich nicht unbegrenzt laufen lassen.“

Nicht nur der Onlinehandel sorge für Herausforderungen, auch untereinander werde oft mit harten Bandagen gekämpft. „Eine Apotheke hier im Ort hat umgebaut und sich vergrößert. Sie lockt mit niedrigen Preisen, da steht häufig eine sehr lange Schlange bis auf die Straße“, hat der Bürgermeister beobachtet. „Gerade die kleinen Apotheken können da nicht mitgehen. Besonders schwierig ist es für solche, die in Stadtteilen liegen, in denen es keine Arztpraxis gibt.“ So wie für die Stern-Apotheke. Ihr Inhaber zumindest habe eine Zukunft, erfuhr Mang. „Er wird als Angestellter in einem benachbarten Landkreis weiterarbeiten.“

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