Versandhandel

Amazon will Shop-Apotheke übernehmen

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Berlin -

Big Bang im Apothekenmarkt: Amazon will nach Informationen von APOTHEKE ADHOC die Shop-Apotheke übernehmen. Kommt der Deal zustande, würde sich der US-Internetkonzern den führenden OTC-Versender einverleiben – und damit die gesamte Branche gehörig durcheinander wirbeln.

Die Gespräche sind nach Information aus Insiderkreisen bereits fortgeschritten, im nächsten Schritt müsste ein offizielles Übernahmeangebot vorgelegt werden. Bislang ist nur ein kleiner Kreis an Personen involviert. Beim Treffen einiger Manager der Shop-Apotheke mit Industrievertretern am Rande der Expopharm in Düsseldorf gestern Abend soll der geplante Deal jedenfalls kein Thema gewesen sein. Amazon und Shop-Apotheke waren für eine Stellungnahme bislang nicht zu erreichen.

Auch eine Übernahme von DocMorris soll Amazon geprüft haben, allerdings gibt es hier wohl mehrere Vorbehalte. Die gesamte Gruppe inklusive Praxisgroßhandel zu übernehmen, dürfte keine Option sein. DocMorris müsste also zunächst von Zur Rose abgespalten werden – und hätte dann immer noch zu wenig OTC-Geschäft. 58 Prozent des Umsatzes entfallen auf Rx-Medikamente. Entsprechend groß ist das Risiko, dass mit dem Rx-Versandverbot ein wesentlicher Teil des Geschäfts wegbrechen könnte.

Die Shop-Apotheke passt dagegen mit der Fokussierung auf den OTC- und Freiwahlbereich perfekt zum US-Konzern. Nur 3,5 Prozent des Umsatzes hierzulande entfallen auf den Rx-Bereich. Außerdem ist man in Venlo in Sachen Internationalisierung weiter als in Heerlen: Präsenzen gibt es in Frankreich, Italien, Spanien, Österreich, Belgien und den Niederlanden. Immerhin ein Viertel des Umsatzes werden bereits außerhalb von Deutschland erzielt.

Im Markt gibt es auch Gerüchte, dass Shop-Apotheke zunächst wieder mit der Europa Apotheek fusioniert und dann übernommen werden könnte. Angesichts der rechtlichen Probleme dürfte dies allerdings unwahrscheinlich sein. Ohnehin ist die Europa Apotheek noch im Besitz der Altgesellschafter, die zusammen bei Shop-Apotheke noch immer eine Mehrheit kontrollieren. Hier könnte also ohne Probleme eine Option für einen späteren Zeitpunkt vereinbart werden.

Die Shop-Apotheke war 2002 aus der Kölner Fortuna Apotheke heraus gegründet und 2009 an die Europa Apotheek verkauft worden. Nach dem Ein- und Ausstieg von Medco wurde das OTC-Geschäft im vergangenen Jahr ausgegliedert und an die Börse gebracht. Dadurch konnten rund 95 Millionen Euro netto in die Kasse gespült werden, die für die Expansion zur Verfügung stehen. Die Altgesellschafter um CEO Michael Köhler und den ehemaligen Industrieapotheker Dr. Robert Hess verwässerten ihren Anteil auf 60 Prozent.

Dass Amazon nicht schon im vergangenen September zugriff, kann anderen Prioritäten geschuldet sein. Andererseits konnte Shop-Apotheke mit dem Börsengang zeigen, dass der Kapitalmarkt an Versandapotheken glaubt, was auch für die Amazon-Aktionäre ein gutes Zeichen ist. Immerhin würde der Konzern den ersten Vorstoß in den Apothekenmarkt außerhalb der USA unternehmen, ausgerechnet auf dem unübersichtlichen und für viele Investoren suspekten europäischen Terrain.

Beim Börsengang wurde Shop-Apotheke mit 250 Millionen Euro bewertet, auf Basis des aktuellen Aktienkurses von 40 Euro müsste Amazon mindestens 360 Millionen Euro zuzüglich Prämie auf den Tisch legen. Allerdings wächst das Unternehmen rasant, alleine im ersten Halbjahr legten die Erlöse um 53 Prozent auf 126 Millionen Euro zu. In Deutschland erhöhte sich der Umsatz um 31 Prozent auf rund 92 Millionen Euro, Shop-Apotheke wuchs damit nach Angaben des Managements doppelt so schnell wie der deutsche OTC-Versandhandelsmarkt. Im Ausland verdreifachte sich der Umsatz auf rund 34 Millionen Euro. Hier ist die im September 2016 übernommene belgische Versandapotheke Farmaline der wichtigste Wachstumstreiber.

Der Vorstand geht davon aus, dass der Umsatz im Gesamtjahr um 45 bis 55 Prozent wachsen wird. Auftreten will die Versandapotheke künftig unter zwei Marken: Unter Shop-Apotheke beziehungsweise Farmaline soll das Kerngeschäft in den jeweiligen Märkten laufen, mit dem Discounter Vitazita soll außerdem eine besonders preisbewusste Klientel vor allem auf Preisvergleichsportalen abgefangen werden. Auch das Sortiment soll ausgeweitet werden: Neben apothekentypischen Produkten sollen künftig auch verstärkt Konsumgüter angeboten werden, teilweise auch als Eigenmarke.

Beim Börsengang lag der Ausgabepreis zwar noch am unteren Ende des Korridors von 28 bis 35 Euro. Trotzdem wurde Shop-Apotheke mit dem Doppelten des Umsatzes aus dem Vorjahr (126 Millionen Euro) bewertet. Auf EBITDA-Ebene ließ sich wegen des Minus von 6,7 Millionen Euro kein Multiple berechnen.

Zum Vergleich: Zur Rose konnte mit dem Börsengang rund 230 Millionen Schweizer Franken vor und 200 Millionen Franken nach Abzug der Kosten an frischem Kapital einwerben. Der Ausgabepreis lag mit 140 Franken je Aktie am oberen Ende des Korridors. Insgesamt wurde die DocMorris-Mutter mit rund 870 Millionen Franken bewertet. Das entspricht ungefähr dem Umsatz der Gruppe im vergangenen Jahr (880 Millionen Franken) und dem 400-Fachen des operativen Ergebnisses (EBITDA). Legt man den Ertrag von 2015 zugrunde, kommt man auf Multiple von knapp 60.

Im Vergleich zu Zur Rose kann Shop-Apotheke zwar weder schwarze Zahlen noch ein annähernd so diversifiziertes Geschäftsmodell vorweisen. Dafür hat das Unternehmen die bessere Wachstumsstory: Zur Rose legte im vergangenen Jahr um 6 Prozent zu, selbst wenn man nur den Versandhandel betrachtet, ist das Plus nur einstellig. Nicht umsonst versprach CEO Walter Oberhänsli beim Börsengang noch schnell die Übernahme einer kleineren deutschen Versandapotheke mit rund 40 Millionen Euro Umsatz.

In München testet Amazon seit einigen Monaten die Auslieferung von Medikamenten im Rahmen von Prime Now. Kooperationspartner ist die Bienen-Apotheke Laimer Platz von Michael Grintz. Kunden bekommen die Ware innerhalb einer Stunde zugestellt, beliefert werden OTC-Medikamente und apothekenexklusive Waren wie Kosmetik. Die Bestellung kommt über eine App in die Apotheke und wird innerhalb von 15 Minuten vom Fahrer abgeholt. Ein Mitarbeiter stellt die Ware zusammen. Wenn apothekenpflichtige Ware enthalten ist, gibt ein Apotheker die Sendung frei.

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