Großbritannien

Apothekenkette streicht Gratis-Botendienst

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Berlin -

Die britische Apothekenkette Lloydspharmacy will künftig Neukunden zur Kasse bitten, wenn Medikamente nach Hause geliefert werden sollen. Der Mutterkonzern McKesson (ehemals Celesio) will damit Kosten senken, die Branche zum Nachdenken über den kostenfreien Botendienst bewegen und die Kunden zurück in die Offizin bringen.

Die Gebühren sollten in den nächsten Wochen über alle Filialen hinweg eingeführt werden, bestätigte Lloydspharmacy dem Fachblatt Chemist+Druggist (C+D). Neue Patienten sollen für ein sechsmonatiges Abo im Lieferdienst künftig 35 Pfund (39,50 Euro) bezahlen, für ein ganzes Jahr werden 60 Pfund (68 Euro) fällig. Damit wolle man die Meinungsführerschaft über die Haltung der Branche zum Botendienst übernehmen, sagte Catherine McDermott, Operations Director. Auch über ein Pilotprojekt zur Einführung von Gebühren für Bestandskunden werde nachgedacht.

„Was als ein sehr notwendiger Service für die Gebrechlichen und chronisch Kranken begann, als es nur sehr wenig andere Optionen gab, wird jetzt nun von unzähligen körperlich leistungsfähigen Kunden im erwerbsfähigen Alter genutzt“, so McDermott. Dabei sei es egal, ob es um überlebenswichtige Medikamente, Verhütungspillen oder glutenfreies Brot gehe. Damit habe man eine Erwartungshaltung aufgebaut, die man nun durchbrechen wolle. „Praktisch alle Apotheken bieten diesen Service an – völlig kostenlos – und es kostet uns ein Vermögen, von den ineffizienten Lieferrouten und unzähligen Lastwagen, die zur Luftverschmutzung und der Verkehrsbelastung mal ganz zu schweigen.“

Im Gegenzug gebe es immer weniger direkten Kontakt zwischen Kunden und Apothekern, den direkten Weg in die Apotheken. „Wir wissen, dass die Hälfte der Menschen ihre Medikamente nicht nach Vorschrift einnehmen“, sagt McDermott. „Der unmittelbare Kontakt ermöglicht es uns, Botschaften zur Lebensführung zu setzen und die Patienten über ihre Medikamente aufzuklären. Das kann zur Adhärenz beitragen“, fügte sie hinzu.

Kunden von Lloydspharmacy stünden auch künftig noch eine Reihe weiterer Optionen offen. „In unserem Online-Service ist eine kostenlose Lieferung bereits inbegriffen. Wir bieten auch ‚Click & Collect‘ an.“ Der Patientenschutz stehe für sie an oberster Stelle.

Die Ankündigung kommt in eine Umbruchphase für die Apothekenkette und ihre Konzernmutter. Vor knapp drei Wochen erklärte Landeschef Cormac Tobin überraschend seinen Rücktritt. Zuvor hatte er noch verkündet, dass 190 der rund 1500 Lloyds-Filialen in Großbritannien verkauft oder geschlossen werden müssten. Als Hauptgrund nannte er die Sparmaßnahmen der britischen Regierung und des staatlichen Gesundheitsdienstes NHS seit 2015. Zwischen Dezember 2015 und Dezember 2018 müssen die öffentlichen Apotheken insgesamt eine Kürzung von 208 Millionen Pfund (233 Millionen Euro) verkraften.

Die Streichungen hätten auch bei der schrittweisen Aufgabe des kostenlosen Hausbelieferung eine Rolle gespielt. „Die Handlungen der Regierung verschärfen die Marktbedingungen. Wenn die Welt um uns herum sich ändert, müssen sich auch die Wirtschaftsbetriebe den neuen Bedingungen anpassen, unser Unternehmen bildet da keine Ausnahme“, sagt ein Sprecher. „Das heißt, es ist ökonomisch nicht länger tragbar, noch weiter einen kostenlosen Lieferservice anzubieten."

Für wen nach Ermessen des zuständigen Apothekers aus gesundheitlichen Gründen der Gang in die Offizin nicht infrage komme, der werde auch künftig kostenlos daheim versorgt. Man nehme hier eine Vorreiterolle ein, andere Anbieter mögen folgen, so der Sprecher. Tatsächlich steht der britische Apothekenmarkt vor einem Umbruch: Aus Kostengründen wird über ein System mit Zentralapotheken und kleineren, von diesen abhängigen Filialen („Hub and Spoke“) diskutiert.

Die britischen Mitbewerber wollen sich noch nicht eindeutig zu ihren Plänen für den Botendienst positionieren. Die Apothekenkette Well Pharmacy ließ gegenüber C+D verlauten, baldige Schritte seien nicht geplant, man werde die Lage in den nächsten Monaten aber genau beobachten. Boots erklärte, man unterziehe seine Serviceleistungen einer ständigen Überprüfung und werde zu Änderungen dann Stellung nehmen, wenn sie anstünden. Day Lewis verweigerte eine Stellungnahme ganz.

Freimütiger äußern sich dagegen die Kollegen in einer Onlineumfrage von C+D. Nach jetzigem Stand wollen 29 Prozent der Apotheker künftig Gebühren für den Botendienst erheben, 42 Prozent denken darüber nach, 2 Prozent berechnen die Belieferung bereits. 29 Prozent der Umfrageteilnehmer wollen dagegen den Botendienst auch künftig kostenfrei halten.

Auf deutsche Verhältnisse sei das Modell von Lloydspharmacy aufgrund der unterschiedlichen Verhältnisse nicht 1:1 übertragbar, sagt eine Sprecherin von Gehe. Zum Großhändler gehört die Apothekenkooperation Gesund Leben. „Noch haben wir das englische Modell nicht abschließend bewertet, es befindet sich ja auch noch in der Entstehung.“

Botendienste seien innerhalb der Kooperation Gesund Leben seit über zwei Jahren bei dem von vielen Partnern genutzten Click & Collect apothekenindividuell einsetzbar. „Damit bieten die Apotheken ihren Kunden ein komfortables Angebot, rezeptpflichtige und rezeptfreie Artikel ihrer örtlichen Apotheke bequem zu Hause auf dem Sofa oder von unterwegs zu bestellen.“ Je nach Verfügbarkeit könnten sie am selben oder nächsten Tag abgeholt werden. „Wenn die Apotheken einen eigenen Botendienst haben, dann können sie diesen bei Click & Collect integrieren und die bestellten Artikel direkt ausliefern lassen.“

Gesund Leben ist die nach eigenen Angaben stärkste Apothekenkooperation in Deutschland. Ihr gehören 2300 inhabergeführte Apotheken und rund 60 Industriepartner an.

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