Kläranlage

Pharmafirma stinkt Anwohnern

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Berlin -

Die Raublinger sind stinksauer: Normalerweise lebt es sich in dem 11.300-Einwohner-Ort im Kreis Rosenheim höchst idyllisch. Viel Grün, hoher Freizeitwert, gute Luft. Gute Luft? Seit Wochen gibt‘s die leider nicht mehr – schuld daran ist PharmaZell.

Jetzt veranstalteten 60 geplagte Bürger, mit ihrer Geduld am Ende, kurzerhand eine Demo vor dem Unternehmen. PharmaZell beliefert die pharmazeutische Industrie mit APIs (Active Pharmaceutical Ingredients). Seit Juni hat das Unternehmen eine neue Kläranlage. Was eigentlich eine gute Nachricht sein sollte, stellt sich jetzt als Bumerang heraus. Die Anlage scheint nämlich nicht richtig zu arbeiten, seit mehr als zwei Wochen liegt ein aufdringlicher Geruch über Raubling.

„Es riecht wie in einer chemischen Reinigung“, klagt ein Raublinger in der Bild-Zeitung. Andere meinen, es rieche faulig. Einer beschreibt es drastisch: „Wenn kein Wind geht und leichte Wolken am Himmel sind, denkst du, du verreckst.“ Fest steht: Den Raublingern langt‘s, wie man in Bayern zu sagen pflegt. Sie haben genug von den Versprechungen von PharmaZell, die Missstände abzustellen.

Niemand weiß genau, welchen Inhalts die Geruchsbelästigung ist. Auf seiner Website beschwichtigt das Unternehmen: „Die Geruchsemissionen bei PharmaZell nehmen spürbar ab.“ Und lobt sich selbst: „Die herangezogenen Experten und die zuständigen Behörden zeigen sich zufrieden mit der Vorgehensweise des Unternehmens.“ Für Nachfragen und eine offizielle Stellungnahme war derzeit niemand erreichbar.

Am 16. Oktober, so PharmaZell, kamen Vertreter des Landratsamts Rosenheim, des TÜV Süd und Fachberater zu einem Vor-Ort-Termin. „Alle Experten und Beteiligten waren sich einig, dass die umgesetzten Maßnahmen erste sehr positive Auswirkungen auf die Geruchsemissionen zu Beginn dieser Woche zeigten. Ungeachtet dessen wurden zusätzliche Maßnahmen verabschiedet, um die Geruchsemissionen weiter nachhaltig zu reduzieren. Das Unternehmen scheut hier keine Kosten und Mühen, um die Geruchsemissionen schnellstmöglich und nachhaltig zu senken.“

Für Anwohner muss sich das wie blanker Hohn lesen. Es gibt nämlich offensichtlich eine neuerliche Panne bei der Abwasserleitung, Experten gehen davon aus, dass in den kommenden Tagen die Geruchsbelästigung nochmals ansteigen wird. Offenbar ist versehentlich eine kleinere Menge geruchsbelastetes Abwasser in das Klärbecken geleitet worden. Die gute Nachricht: Nach Beseitigung dieses Missstandes soll der Gestank wieder zurückgehen.

Nach Bekanntwerden der Geruchsbelästigung vor rund zwei Wochen wurde als Sofortmaßnahme der Algenteppich auf dem Klärbecken abgesaugt und entsorgt. Dadurch erhofften sich die Verantwortlichen, den Gestank reduzieren oder ganz beseitigen zu können, der große Erfolg blieb jedoch aus.

Immer wieder beschweren sich genervte Bürger im Rathaus und im Landratsamt Rosenheim. Dort machte man sich bereits am 8. Oktober ein Bild von der Misere und vereinbarte mit Vertretern von PharmaZell, zunächst die Menge des zugeführten Luftsauerstoffs im Klärbecken zu erhöhen. Die Ursache für die Geruchsbelästigung ist bislang ungeklärt, dennoch attestiert man von offizieller Seite: keine Gesundheitsgefahr.

Eine Sprecherin des Landkreises Rosenheim sagt: „Es handelt sich um keine giftigen Dämpfe, sondern um geruchsintensives Abwasser, das länger abgestanden ist. Es ist nicht gesundheitsschädlich, es stinkt nur furchtbar. Wir stehen in engem Kontakt zu PharmaZell.“ Die Zusammenarbeit laufe gut, das Unternehmen versuche, das Problem zu lösen.

Die Sprecherin hat großes Verständnis für die besorgten und verärgerten Bürger. „Wenn die Anwohner nicht im Garten sitzen können, ist es völlig verständlich, wenn sie irgendwann sauer sind.“ Für sie stehe außer Zweifel, dass PharmaZell handeln müsse.

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