Rechenzentren

Rosa ist gold

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Berlin -

Millionen Rezepte durchlaufen jährlich die Scanner der Rechenzentren. Doch nicht nur für Apotheker, sondern auch für andere Leistungserbringer treiben Firmen wie das ARZ Haan oder die VSA das Geld ein. Die beiden standeseigenen Unternehmen gehören zu den wichtigsten Vermittlern zwischen Leistungserbringern und Kassen.

Die Geschichte der Rechenzentren beginnt Anfang der 1970er Jahre. Bis dahin rechnen die Apotheken direkt mit den Kassen ab, doch dann hält die elektronische Datenvereinbarung Einzug ins Gesundheitswesen. Die Kassen wollen von den nichtärztlichen Leistungserbringern fortan nicht nur Listen mit den Abrechnungsbeträgen, sondern auch Images der Verordnungen sehen.

Die Apothekerkammern und -verbände reagieren schnell und nehmen das Geschäft selbst in die Hand. Sie wollen ihren Mitgliedern nicht nur Investitionen ersparen, sondern sie auch davor schützen, von den übermächtigen Kunden über den Tisch gezogen zu werden. So entstehen neben VSA und ARZ Haan ab 1971 auch andere standeseigene Unternehmen wie das NARZ oder das ARZ Darmstadt.

Nicht alle Leistungserbringer sind so gut organisiert. So kommt es, dass die Apotheker bald andere Berufsgruppen als Kundschaft entdecken. 1991 kauft das ARZ Haan das Rechenzentrum Hünxe, das heute unter dem Namen RZH firmiert und beispielsweise für Heil- und Hilfsmittelerbringer, Heime und Pflegedienste, aber auch für Rettungsdienste und Taxiunternehmen die Abrechnung mit den Krankenkassen übernimmt. Insgesamt hat die Firma rund 300 Mitarbeitern in Wesel und Hannover rund 7000 Kunden aus 30 Berufsgruppen.

Seit 2002 gehört die Firma azh, die ebenfalls mit Leistungserbringer abrechnet, die keine Apotheker sind, zur VSA. Unter demselben Namen, nur groß geschrieben, firmiert die Abrechenstelle für Hebammen, die das ARZ Haan 2011 nach dem Verkauf des Softwarehauses Lauer-Fischer übernommen hat. Hier werden sogar 2000 Kunden betreut, die 200.000 Belege pro Jahr abrechnen.

Das Geschäft hat sich zu einer festen zweiten Säule entwickelt. Beispiel ARZ Haan: Auf die Apotheken entfallen zwar 92 Prozent aller Rezepte und 80 Prozent der abgerechneten Summe. Zum Umsatz des Rechenzentrums steuern die Apotheker aber nur 40 Prozent bei; außerdem stellen sie ein Viertel der Kunden. Der Rest entfällt auf die anderen Leistungserbringer.

Die rechnen deutlich seltener ab – und zahlen dafür höhere Gebühren: Bei den Apothekern ist jedes Rezept im Durchschnitt 81 Euro wert, bei den anderen Leistungserbringern sind es 225 Euro, bei den Hebammen sogar 250 Euro. Legt man den Umsatz des Rechenzentrums auf die Anzahl der Rezepte um, zahlen die Apotheker pro Beleg 20 Cent, Heil- und Hilfsmittelerbringer rund 3,30 Euro und Hebammen sogar 10,50 Euro. Lässt man bei den Apothekern den Wareneinsatz außen vor und nimmt den Rohertrag als Basis, kommt man auf Abrechnungsaufwendungen von 1 Prozent, 1,5 Prozent und 4,2 Prozent.

Die Ärzte spielen für die Rechenzentren übrigens keine Rolle: Kassenleistungen werden über die KVen abgerechnet, private Leistungen über die in Verbandsstruktur organisierten privatärztlichen Abrechnungsstellen.

Allerdings hatte das ARZ Hann auch hier vor einigen Jahren einen Fuß in der Tür: Im Auftrag der Hausärztlichen Vertragsgemeinschaft (HÄVG) wickelte das Rechenzentrum die Abrechnung für die hausarztzentrierte Versorgung ab. Auf politischen Druck hin wurde das für das Rechenzentrum lukrative Gemeinschaftsprojekt aber beendet.

ARZ-Vorstand Siegfried Pahl lässt jedenfalls keinen Zweifel daran, dass er Wachstumspotenzial vor allem bei den anderen Leistungserbringern sieht. Angesichts der sinkenden Apothekenzahl war er vor vier Jahren sogar bereit, die EDV-Sparte aufzugeben und die Einnahmen in neue Bereiche zu investieren.

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