Fernarzt.com

Online-Rezepte: Berlin-London-Venlo

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Berlin -

Deutsche Apotheken dürfen keine online ausgestellten Rezepte annehmen, also haben clevere Unternehmer aus Berlin ein neues Geschäftsmodell aufgebaut: Bei Fernarzt.com stellen Ärzte in London Rezepte für Medikamente aus, die von einer Apotheke im niederländischen Venlo an deutsche Patienten geliefert werden.

Bei Fernarzt.com können sich Patienten zu Heuschnupfen, Akne, Migräne, Chlamydien, Blasenentzündung, bakterielle Vaginose, Verhütung, Haarausfall, vorzeitigem Samenerguss und Erektionsstörungen behandeln lassen. Dazu muss zunächst ein Anamnesebogen ausgefüllt werden, in dem nach den Beschwerden und der persönlichen Krankengeschichte gefragt wird. Dem Patienten werden dann zwei Medikamente vorgeschlagen, von denen er eines auswählt. Dabei handelt es sich in der Regel um gängige Wirkstoffe und populäre Generika.

Die Anfrage wird von Ärzten in London bearbeitet, die den Online-Anamnesebogen prüfen und bei Eignung und Unbedenklichkeit innerhalb eines Werktages ein Rezept ausstellen. Die Mediziner sind beim britischen General Medical Council (GMC) registriert. Laut Fernarzt.com wird etwa ein Drittel der Behandlungsabfragen abgelehnt, etwa wenn die Patienten angeben, vorher noch keine ärztliche Diagnose erhalten zu haben oder innerhalb eines medizinisch nicht vertretbaren Zeitabstands dieselbe Behandlung erneut in Anspruch nehmen möchten. Ihnen wird dann empfohlen, einen Arzt aufzusuchen.

Die Rezepte werden an die niederländische Apotheke Stadsapotheek Venlo verschickt, die von der deutschen Apothekerin Christiane Schüller geführt wird, und – obwohl nicht im DIMDI-Register – bereits seit Jahren Medikamente versendet. Für die Patienten von Fernarzt.com werden ausschließlich deutsche Originalmedikamente versendet, die laut Firmenangaben von deutschen Arzneimittelgroßhändlern bezogen werden.

Hinter Fernarzt.com steht die Berliner Startup-Schmiede Heartbeat Labs, die mit dem grenzüberschreitenden Projekt dem Marktführer DrEd Konkurrenz machen will. „Wir wollen uns unterscheiden in der Qualität unseres Kundenservices, in der Bedienbarkeit unserer Website und natürlich auch in der medizinisch-fachlichen Expertise, indem wir die Ärzte sehr gezielt auswählen“, heißt es vom Unternehmen. Mittelfristig will man sich auch bezüglich der angebotenen Leistungen unterscheiden. Was dort genau geplant ist, wird allerdings noch nicht verraten.

Ende 2016 hatte die Große Koalition mit der AMG-Novelle das sogenannte DrEd-Verbot erlassen. Deutsche Apotheker dürfen Rezepte von solchen Internet-Praxen seitdem nicht mehr bedienen. Jetzt machen sich Ärzte und DAK daran, das Belieferungsverbot für Online-Rezepte wieder zu kippen. „Das Fernbehandlungsverbot muss grundlegend modifiziert werden, um mehr Spielräume für Ärzte und Patienten durch digitale Lösungen zu schaffen“, forderte DAK-Chef Andreas Storm. Der nächste Ärztetag im Mai will ebenfalls den Weg frei räumen für Telemedizin in den Praxen.

Im Frühjahr soll in Baden-Württemberg das Modellprojekt „DocDirekt“ der Kassenärzte starten. Patienten in Stuttgart und Tuttlingen können sich dann bei akuter Erkrankung oder bei dringender Behandlungsbedürftigkeit per Telefon, Video oder im Chat von einem Arzt beraten und behandeln lassen, wenn sie ihren Haus- oder Facharzt nicht erreichen. Auch E-Rezepte ausstellen wollen die Tele-Ärzte. Den Weg dazu frei machen soll Landessozialminister Manfred Lucha (Grüne). Die Landesapothekerkammer will dem nicht im Wege stehen.

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